Artikel erschienen am 01.12.2011
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Erbschaftsteuerliche Vergünstigungen bei der Unternehmensnachfolge?

Von Dipl.-oec. Marco Reimann, Salzgitter

Keine Regelung ist im Erbschaftsteuerrecht so lang und kompliziert wie die Besteuerung von Betriebsvermögen. Steuerliche Gestaltungen sind insbesondere vor Übertragung von Betriebsvermögen wahrzunehmen.

Bewertung des Betriebsvermögens

Grundsätzlich wird der Wert des Betriebs­vermögens, darunter fallen auch die Anteile von Kapitalgesellschaften von mehr als 25 %, mit dem gemeinen Wert (Verkehrswert) erfasst. Wenn sich dieser Wert bei Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten lässt, die weniger als ein Jahr zurückliegen, erfolgt die Bewertung unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten oder nach einer anderen üblichen Bewertungsmethode. Mindestens ist jedoch der Substanzwert (Aktiva minus Verbindlichkeiten) zum Ansatz zu bringen. Zur Wertbestimmung darf der Steuerpflichtige ein vereinfachtes Ertragswertverfahren mit Kapitalisierung des nachhaltig erzielbaren Jahresertrages anwenden. Der Kapitalisierungsfaktor ist dabei festgelegt aus dem Basiszins und einem Zuschlag von 4,5 %.

Verschonung des Betriebsvermögens

Die Vergünstigungen bei der Erbschaftsteuer für Betriebs­vermögen und damit für die Unternehmensnachfolge werden durch die Wahl zwischen zwei Erbschaft­steuer­modellen (Regelverschonung und Verschonungsoption) umgesetzt. Diese Option ist bei Übernahme des Betriebs­vermögens auszuüben und stellt den Steuer­pflichtigen vor ein Entscheidungs­problem. Das begünstigte Betriebs­vermögen bleibt von der Erbschaftsteuer „verschont“, wenn der Nachfolger bestimmte Kriterien (Behaltefrist, Lohnsumme) in der Zukunft erfüllt. Der Verschonungsabschlag beträgt bei der Regelverschonung 85 % des gesetzlich genannten begünstigten Vermögens.

Voraussetzung für die Verschonung ist in jedem Fall die Fortführung des Unternehmens. Zu beachten ist, dass ein Verkauf des Unternehmens, die Betriebsaufgabe oder die Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen den Wegfall der Verschonung verursachen. Das gilt aber nicht bei Unternehmensverkäufen, wenn der Verkaufserlös innerhalb von sechs Monaten reinvestiert wird. Schädlich sind auch Überentnahmen des Nachfolgers, die kumuliert betrachtet bis zum Ende der Behaltefrist mehr als 150 000 Euro der erzielten Gewinne betragen.

Regelverschonung als Standard

Viele Nachfolger werden sich für die Fünfjahresvariante mit 85 %igem Bewertungs­abschlag (Verschonungs­abschlag) und dem betrieblichen Abzugsbetrag von 150 000 Euro vor dem Hintergrund entscheiden, dass die Voraussetzungen für das zweite Modell der vollständigen Steuerfreiheit bei der Betriebs­übernahme (Siebenjahresvariante = Verschonungs­option) bei der Erfüllung eine hohe Unsicherheit birgt.

Der Übernehmer des Betriebsvermögens muss sich zum Zeitpunkt der Übernahme verbindlich zwischen dem Fünfjahresmodell und dem Siebenjahresmodell entscheiden. Ein Wechsel zwischen den Modellen ist in der Folge nicht möglich.

Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Betriebsvermögen

Zur Sicherstellung, dass Unternehmen nicht Privat­vermögen in die betriebliche Sphäre übertragen, um so Erbschaftsteuer zu „sparen“, darf das sogenannte Verwaltungs­vermögen nicht mehr als 50 % zum Zeitpunkt der Übernahme betragen. Zum Verwaltungs­vermögen gehört das Vermögen, das nicht der Produktion bzw. dem Betrieb dient, u. a. vermietete Immobilien, Wertpapiere oder Kunstgegenstände. Die Abgrenzung kann hierbei zu Problemen führen. Für Verwaltungsvermögen, das zum Zeitpunkt der Übernahme dem Unternehmen weniger als zwei Jahre zugeordnet war, kann ein Verschonungs­betrag nicht beansprucht werden.

Erbschaftsteuer nach dem Fünfjahresmodell (Regelverschonung)

Das Modell der Regel­verschonung sieht die sofortige Versteuerung von 15 % des zu besteuernden Betriebs­vermögens vor. Wird das Unternehmen von dem Nachfolger dann mindestens fünf Jahre lang fortgeführt, bleiben die restlichen 85 % nach fünf Jahren steuerfrei, wenn die sogenannte Lohnsummenklausel eingehalten wird. Diese besagt, dass die Summe der Löhne und Gehälter während der fünf Jahre kumuliert mindestens 400 % der ursprünglichen Ausgangs­lohnsumme beträgt. Ausgangs­lohnsumme ist der Durchschnitt der letzten fünf Wirtschaftsjahre vor dem Jahr der Steuerentstehung. Der Rückgang der gesamten Lohnsumme darf daher für den Fünfjahreszeitraum nicht mehr als 20 % ausmachen.

Zu beachten ist, dass die Lohnsummenklausel für Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten keine Anwendung findet.

Der auf die 15 % des nicht begünstigten Vermögens festgestellte Wert, welcher der sofortigen Besteuerung unterliegt, wird gegebenenfalls durch einen Abzugsbetrag von 150 000 Euro vermindert. Dieser Abzugsbetrag wird jedoch abgeschmolzen, wenn der Wert dieses Vermögens die Wertgrenze von 150 000 Euro übersteigt. Dabei erfolgt die Abschmelzung dergestalt, dass die Hälfte des übersteigenden Wertes den Abzugsbetrag verringert.

Erbschaftsteuer nach dem Siebenjahresmodell (Verschonungsoption)

Der Nachfolger kann auch die Steuerfreistellung zu 100 % wählen. Diese Option führt zu einer vollständigen Steuerbefreiung des Betriebsvermögens und wird vorrangig von Familienunternehmen gewählt.

Das unschädliche Verwaltungsvermögen darf bei dieser Option nur maximal 10 % betragen. Die Behaltefrist beträgt sieben Jahre und die maßgebende Lohnsumme steigt auf 700 %. Die vollständige Steuerbefreiung tritt also dann ein, wenn das Unternehmen sieben Jahre fortgeführt wird und die Lohnsumme am Ende des gesamten Zeitraums nicht unter 700 % der Ausgangslohnsumme gesunken ist.

Auch hier ist zu beachten, dass die Lohnsummenklausel für Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten keine Anwendung findet.

Anteilige Versteuerung bei Fehlen der Voraussetzungen zur Steuerbefreiung

Sollten innerhalb der Behaltefrist von fünf bzw. sieben Jahren die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht erfüllt werden, fällt die Erbschaft- / Schenkungsteuer anteilig für diese Jahre an. Es erfolgt bei einem Verstoß gegen die Voraussetzungen somit nur eine anteilige Nachversteuerung.

Stundung der Erbschaftsteuer

Zur Vermeidung des Verkaufs von Betriebsvermögen zum Ausgleich der Erbschaftsteuer hat der Gesetzgeber dem Nachfolger die Möglichkeit der Stundung dieser Steuer eingeräumt. Auf Antrag kann die Steuer bis zu zehn Jahre gestundet werden, soweit dies zur Erhaltung des Betriebs notwendig ist.

Fazit

Die Übertragung von Betriebsvermögen führt zu einer Neubewertung des Vermögens, da sich die Erbschaftsteuer am Verkehrswert orientiert und nicht mehr wie in der Vergangen­heit an den Steuerbilanz­werten, die in der Regel niedriger sind. Die Gestaltung und Vorsorge für den Zeitpunkt der Übertragung bedarf somit einer sorgfältigen Planung und regelmäßigen Überprüfung. Insbesondere die Beachtung der Lohnsummen­grenze, die „Gestaltung“ beim Verwaltungs­vermögen sowie Unternehmens­aufspaltungen können bei rechtzeitiger Beratung den Nachfolger begünstigen.

Foto: Panthermedia/Hannes Eichinger

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