Artikel erschienen am 01.12.2012
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Richter nach Maß

Perspektiven der Schiedsgerichtsbarkeit

Von Dr. iur. Paul-Frank Weise, Braunschweig

Unzufrieden mit der staatlichen Gerichtsbarkeit? Trotzdem Wunsch nach gleichwertigem Rechtsschutz? Es lohnt ein Blick auf die Perspektiven der Schiedsgerichtsbarkeit.

I. Was ist Schiedsgerichtsbarkeit?

Es handelt sich um ein juristisches Mittel zur Streitbeilegung im Rahmen eines nach der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelten Schiedsverfahrens. Hierbei tritt aufgrund einer in einfachster Form dokumentierten Abrede ein durch die Streitparteien bestimmtes privates Gericht (im Zweifelsfall drei Personen als Gremium, aber auch Einzelschiedsrichter möglich) zusammen. Zum Abschluss des Verfahrens spricht das Schiedsgericht ein Urteil (Schiedsspruch). Dieser Schiedsspruch ist einem staatlichen rechtskräftigen Urteil gleichwertig (§ 1055 ZPO). Staatliche Gerichte sind lediglich in eingeschränktem Umfang im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung oder wegen einer möglichen Aufhebung bei gröbsten Mängeln beteiligt.

II. Bewährtes und bevorzugtes Instrument

Schiedsgerichte sind bereits seit der Antike über das Mittelalter, in der Phase des kalten Krieges systemübergreifend und in der modernen Wirtschaftsordnung bewährte Instrumente der Streitbeilegung. Besondere Stärken kommen insbesondere im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr in einigen Branchen (Bau, Anlagengeschäft, Gesellschaftsrecht, Freiberuflersozietäten u. v. m.) zum Tragen. Grundsätzlich können Unternehmen, Privatpersonen bzw. Streitparteien allgemein einen Großteil der vermögensrechtlichen Ansprüche, teilweise selbst nichtvermögensrechtliche Ansprüche, wenn sie es denn übereinstimmend möchten, statt vor einem staatlichen Gericht, vor einem privaten Schiedsgericht / Schiedsrichter klären.

III. Moderne deutsche Gesetzgebung

Der deutsche Gesetzgeber hat das schiedsrichterliche Verfahren im 10. Buch der ZPO 1997 grundlegend neu und praxisgerecht geregelt. Die Regelungen basieren auf einem internationalen Modellgesetz und verwirklichen erfolgreich globale Rechtsvereinheitlichungsbemühungen, wie sie in diesem Bereich bereits viele Staaten erfreulicherweise umgesetzt haben.

IV. Ad hoc oder institutionell?

Eine einfache Schiedsklausel lautet: „Streitigkeiten aus diesem Vertrag sollen durch ein Schiedsgericht entschieden werden.“ In diesem Fall wäre ein ad-hoc- Schiedsgericht zu bilden. Im Idealfall sind sich die Streitparteien über die Beauftragung einer fachlich und persönlich beidseitig anerkannten neutralen Persönlichkeit einig. In diesem Fall bestehen gute Chancen, schnell und kostengünstig eine Lösung zu erzielen. Eine derartige Konstellation dürfte dem „Richter nach Maß“ am ehesten nahekommen.

Je nach Interessenlage können die Schiedsklauseln jedoch auch auf den Ablauf nach institutionellen Schiedsgerichten – wie der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris oder der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) in Köln oder anderen Einrichtungen – verweisen.

V. Schiedsspruch erspart notarielle Beurkundung

Soweit sich die Parteien auf einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut verständigen, kann dies die zur Wirksamkeit von Erklärungen notwendige notarielle Beurkundung (z. B. Grundstückgeschäfte, GmbH-Anteilsübertragungen etc.) ersetzen (§ 1053 Abs. 3 ZPO) und damit zu einem erheblichen Kostenvorteil und zu einer Vereinfachung von Lösungen führen.

VI. Vorteile

Mögliche Verfahrensbeschleunigung gegenüber staatlicher Gerichtsbarkeit.
Kostenvorteile insbesondere bei Verfahren mit großem Streitwert, da aufwandsbezogene Vergütung möglich.
Flexiblere Anpassung des Verfahrens an die Wünsche der Parteien, z. B. bei Wahl des Verhandlungsorts, der Verhandlungssprache, Terminierungen etc.
Auf Wunsch der Parteien ist unkomplizierte Annäherung an die Mediation möglich („Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut“).
In der Regel nicht-öffentliche Verfahren, daher besteht ein hoher Grad an Diskretion.
Die Vertraulichkeit des Verfahrens ist vereinbar.
„Richter nach Maß“, d. h., die Parteien bestimmen die Schiedsrichter selbst, die z. B. besondere rechtliche oder technische Expertise einbringen oder die besonderes Vertrauen und Anerkennung genießen.
Im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr unschlagbar, da neutrale Sprache und neutraler Ort wählbar sind, und da Schiedssprüche einfacher als staatliche Urteile in 144 Staaten weltweit vollstreckbar sind.

VII. Nachteile

Mit Schiedsabrede verzichten die Parteien im Wesentlichen auf ihr rechtliches Gehör vor staatlichen Gerichten.
Es gibt in der Regel nur eine Instanz, Gefahr von nicht korrigierbaren Fehlentscheidungen.
Je nach Einzelfall können Kosten auch höher ausfallen als vor staatlichen Gerichten.
Die Unabhängigkeit der Schiedsrichter ist nicht immer sichergestellt.

Fazit

Die private Schiedsgerichtsbarkeit bietet Vorteile und Möglichkeiten, mit denen staatliche Gerichte nicht mithalten können. Manche dieser Vorteile sind selbst in der Wirtschaft nicht bekannt und ließen sich wesentlich besser nutzen. Viel zu selten nutzen Streitparteien und deren Berater die Möglichkeit, einen Schiedsrichter oder ein Schiedsgericht nach Auftreten der Streitigkeit übereinstimmend zu beauftragen, auch wenn in ihrem Vertrag oder Rechtsverhältnis zunächst keine Schiedsvereinbarung vorhanden ist. Wie bei jeder anderen Maßanfertigung gilt es jedoch auch bei der Wahl eines „Richters nach Maß“ vorher bestmöglich zu „messen“: Einfache oder qualifizierte Schiedsklausel? Ad hoc oder institutionell? Einzelschiedsrichter oder Gremium? Fachliche Qualifikation und persönliche Eignung des / der Schiedsrichter? Wer bestimmt den Einzelschiedsrichter oder den dritten Schiedsrichter, falls übereinstimmende Auswahl scheitert?

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