Artikel erschienen am 01.12.2012
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Wenn Geschäftsführer und Vorstände persönlich für die Gesellschaft haften

Von LL.M. Hans Olof Wölber, Braunschweig

Die GmbH ist beliebt. Mehr als eine Million dieser Gesellschaften gibt es. Wichtigster Grund für die Gründung solcher Gesellschaften ist die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG: Den Gläubigern der Gesellschaft haftet diese nur mit ihrem Vermögen. Ein Freifahrtschein ist dies für die Geschäftsführer freilich nicht. Ihre Haftung ist mehr denn je ein Thema, das übrigens auch für Geschäftsführer von UGs und Vorstände von Aktiengesellschaften und Aufsichtsräte aktuell ist.

I. Direkte und indirekte Haftung

Wenn ein Geschäftsführer seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, bedeutet dies im Ergebnis meistens, dass auch seine Gesellschaft ihre Pflichten verletzt. Regelmäßig haftet daher die Gesellschaft primär gegenüber ihren Gläubigern und muss anschließend eventuell Regress beim Geschäftsführer nehmen (indirekte Haftung). In bestimmten Fällen hält der Gesetzgeber dies aber nicht für ausreichend und hat daher eine direkte persönliche Haftung des Geschäftsführers statuiert (direkte Haftung).

II. Indirekte Haftung

Der Geschäftsführer ist organschaftlicher Vertreter der GmbH. Sie ist als juristische Person darauf angewiesen, dass eine natürliche Person – der Geschäftsführer – für sie handelt. Wie die Geschäftsführer dies zu tun haben, regelt § 43 Abs. 1 GmbHG: „Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.“ Halten sie sich nicht an diesen Maßstab, haften sie nach § 43 Abs. 2 GmbHG mit ihrem privaten Vermögen.

Die Durchsetzung solcher Ansprüche war früher die Ausnahme, wenn die Gesellschaft die Folgen der Pflichtverletzung wirtschaftlich überstand. Dies ist inzwischen anders: Besteht ein Aufsichtsrat, macht dieser sich nach den Vorgaben der Rechtsprechung schadensersatzpflichtig, wenn er die Ansprüche gegen den Geschäftsführer nicht verfolgt. Auch wenn es keinen Aufsichtsrat gibt, ist der Verzicht auf die Durchsetzung dieser Ansprüche gegen den Geschäftsführer problematisch. Strafrechtlich kann dies eine Untreue zulasten der Gesellschaft sein. Steuerlich können dies eine Schenkung und gegebenenfalls eine (verdeckte) Gewinnausschüttung mit entsprechenden steuerlichen Folgen sein.

Diese Fälle sind in der Regel verschmerzbar. Kritisch wird es, wenn die Gesellschaft die Forderungen der Gläubiger nicht mehr bedienen kann: Dann können die Gläubiger die Ansprüche der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer pfänden und an sich überweisen. Damit ist ihnen der direkte Zugriff auf den Geschäftsführer eröffnet. Kommt es gar zur Insolvenz der Gesellschaft, wird der Insolvenzverwalter diese Ansprüche verfolgen. Dies sind im Wesentlichen die folgenden:

1. Generalklausel § 43 Abs. 2 GmbHG

Handelt der Geschäftsführer nicht wie ein ordentlicher Geschäftsmann es tun würde, haftet er mit seinem privaten Vermögen. Diese offene Formulierung aus dem Gesetz wurde von den Gerichten im Laufe der Jahre konkretisiert. Klassische Haftungsfälle sind

  • die leichtfertige Vergabe von Waren auf Kredit an unsichere Kunden,
  • die Verursachung eines Kassen- oder Warenfehlbestandes durch mangelhafte Aufsicht,
  • die verspätete Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern,
  • die Vornahme von Auszahlungen an Gesellschafter, obwohl hierdurch das Stammkapital angegriffen wird,
  • das Versäumen der rechtzeitigen Einberufung der Gesellschafterversammlung bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung,
  • die verspätete Stellung eines Insolvenzantrages.

Ist einer dieser Tatbestände erfüllt, wird vom Gesetz vermutet, dass der Geschäftsführer dies auch verschuldet hat. Er muss dann beweisen, dass ihn keine Verantwortung trifft. Dies gelingt im Ergebnis fast nie.

Hat die Gesellschaft mehrere Geschäftsführer, haften diese übrigens solidarisch als Gesamtschuldner, das heißt, jeder kann für den vollen Schadensbetrag in Anspruch genommen werden und muss dasjenige, was über seinen Anteil hinaus ging, bei seinen Kollegen einfordern.

Die Haftung des Geschäftsführers entfällt aber immer dann, wenn er auf (legale) Weisung der Gesellschafterversammlung gehandelt hat. Außerdem kann er sich der Haftung entledigen, indem er der Gesellschaft gegenüber die Pflichtverletzung offenbart und diese ihm Entlastung erteilt. Dabei muss sich der Geschäftsführer aber vollständig offenbaren. Die Entlastung ist der Verzicht der Gesellschaft auf Ansprüche gegen den Geschäftsführer. Sie geht aber nur so weit, wie die Gesellschafterversammlung vom Geschäftsführer unterrichtet wurde.

2. Haftung in der Gründungsphase nach § 9a GmbHG

Bei der Gründung einer GmbH sind diverse Versicherungen vom Geschäftsführer gegenüber dem Amtsgericht abzugeben. Werden diese Versicherungen wahrheitswidrig abgegeben, haftet der Geschäftsführer hierfür und muss sich auch strafrechtlich verantworten. Von wirtschaftlicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang aber insbesondere die Haftung für die ordnungsgemäße Einlagenerbringung. Werden hier nicht werthaltige Sacheinlagen zur Gründung erbracht oder Bareinlagen gleich nach Einzahlung an die Gesellschafter zurückgezahlt, ohne dass dies zu einem werthaltigen Gegenanspruch führt, und versichert der Geschäftsführer gegenüber dem Handelsregister, dass die erforderlichen Einlagen erbracht sind, so haftet er – zusammen mit den Gesellschaftern – der Gesellschaft gegenüber für die Einzahlung.

3. Masseschmälerung gemäß § 64 GmbHG

Ein äußerst scharfes Schwert bei verspäteter Stellung von Insolvenzanträgen ist die persönliche Haftung des Geschäftsführers für Masseschmälerungen nach § 64 GmbHG. Zweck dieser Vorschrift ist es zu verhindern, dass nach Eintritt von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit Gesellschaftsmittel beiseite geschafft oder ausgegeben werden, ohne dass die Gesellschaft hierfür eine adäquate Gegenleistung erhält. Der Tatbestand ist einfach gestrickt: Ab dem Eintritt der Insolvenzreife haftet der Geschäftsführer der Gesellschaft für alle Zahlungen persönlich! Dabei spielt es keine Rolle, ob er von der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit weiß. Das Gesetz vermutet, dass er die Lage der Gesellschaft kennt oder kennen muss, denn deren Überwachung ist eine seiner wichtigsten Pflichten.

Eine Ausnahme von der Ersatzpflicht gilt für den Fall, dass die Zahlungen nach dem Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife mit den Pflichten eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Diesen Beweis zu führen, gelingt dem Geschäftsführer aber nur äußerst selten.

III. Direkte Haftung

Die direkte Haftung gegenüber den Gläubigern ist die Ausnahme. Hier gibt es lediglich Sondertatbestände für besonders verwerfliches Verhalten des Geschäftsführers oder für – offenbar besonders schutzwürdige –
Gläubiger der öffentlichen Hand.

1. Vertreter ohne Vertretungsmacht

Gelegentlich werden Geschäftsführer in ihrer Vertretungsmacht durch eine Gesamtvertretung, gelegentlich auch unter Einbindung von Prokuristen, beschränkt. Diese Vertretungsregelungen werden auch im Handelsregister eingetragen und gelten damit im Außenverhältnis. Hält sich ein Geschäftsführer hieran nicht und handelt allein, so ist er ein Vertreter ohne Vertretungsmacht und haftet für das abgeschlossene Geschäft persönlich, wenn die Gesellschaft das Geschäft nicht nachträglich genehmigt.

2. Deliktsrecht

Der Geschäftsführer haftet Dritten gegenüber natürlich für Schäden, die er schuldhaft durch unerlaubte Handlungen verursacht. Dies können beispielsweise ein Verkehrsunfall im Rahmen einer Dienstfahrt oder auch die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten im Bereich des Unternehmens sein. Diese Fälle sind aber in der Regel nicht kritisch, weil sie gut zu versichern sind und die Gesellschaft neben dem Geschäftsführer haftet.

Ein problematischer Fall ist jedoch der Abschluss von Geschäften, für die die Kapitalausstattung der Gesellschaft nicht genügt. Wenn der Geschäftsführer dies weiß, ist der Abschluss des Geschäfts ein Eingehungsbetrug und führt neben der zivilrechtlichen Haftung auch zur strafrechtlichen Verfolgung.

3. Haftung für Steuerschulden

Nach § 34 Abgabenordnung (AO) ist der Geschäftsführer zur Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft verpflichtet. Erfüllt er diese Pflichten nicht, haftet er dem Fiskus gegenüber gemäß § 69 AO für die Entrichtung der Steuer persönlich. Freilich ist diese Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt, doch die Schwelle für grobe Fahrlässigkeit ist niedrig: Selbst bei ehrenamtlichen Vereinsvorständen, die insoweit von den gleichen steuerlichen Normen betroffen sind wie Geschäftsführer, geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass die Verletzung steuerrechtlicher Pflichten im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit indiziert!

IV. Fazit

Der Geschäftsführer der GmbH ist in vielfacher Hinsicht von einer Haftung für die Folgen seiner Tätigkeit bedroht. Besonders kritisch sind die folgenden Bereiche:

  • Insolvenznähe – Hier ist der Geschäftsführer gefordert, sich durch geeignete Frühwarnsysteme zu informieren und im kritischen Fall rettende Maßnahmen zu ergreifen oder rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen.
  • Steuern – Der Geschäftsführer muss selbst sachkundig sein oder sich gut ausgewählte und sorgfältig überwachte Hilfe einkaufen.

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