Artikel erschienen am 22.03.2017
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Der Sprung ins digitale Zeitalter im Steuerrecht

Von Dipl.-Kfm. Carsten Rullmann, Salzgitter-Bad | Thorsten Winter, Salzgitter-Bad

Die überwiegende Anzahl der Firmenchefs (87 %) sehen im digitalen Wandel eine Chance, so das Ergebnis einer Umfrage des Bundesverbands der Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) unter mehr als 1 100 Betrieben. Nur 11 % betrachten die damit verbundenen Veränderungen als Risiko.

Dass sich Investitionen in die Digitalisierung der Büro- und Verwaltungsprozesse auszahlen, bestätigen die Erfahrungen jener, die diesen Weg bereits beschritten haben. So sagen 74 % der Befragten, die Einführung neuer Software-Lösungen habe sich positiv auf die Performance ihrer internen Prozesse ausgewirkt.

Probleme sehen vor allem kleinere Betriebe in den aus ihrer Sicht hohen Investitionskosten sowie einem Mangel an Fachpersonal, dass die Digitalisierung vorantreiben könnte. Außerdem fürchten viele Unternehmer, dass mit der Digitalisierung auch das Risiko wachse und dass Daten in falsche Hände geraten oder ganz verlorengehen.

Welche Folge hat nun die Digitalisierung im Steuerrecht?

Die Digitalisierung allgemein bedeutet vor allem Zeitersparnis und ist in der globalisierten Welt nicht mehr wegzudenken. Auch im Besteuerungsverfahren ist die Digitalisierung bereits gelebte Praxis. Schon heute läuft die Kommunikation zwischen den Finanzämtern und Steuerpflichtigen routiniert digital. Das belegen auch die aktuellen Zahlen: 2015 gab es fast 2 Millionen E-Bilanzen und rund 20 Millionen elektronisch übermittelte Einkommensteuererklärungen. Es gibt also eine breite Akzeptanz für digitale Prozesse.

Der Bundesrat stimmt dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens zu.

Besteuerungsverfahren 2.0

Die durchschnittlich zu erwartende Arbeitszeit der niedersächsischen Finanzämter für Steuererklärungen beträgt derzeit ca. 58 Tage. In Einzelfällen kann die Bearbeitungszeit allerdings deutlich länger ausfallen. Verbunden mit der demografischen Entwicklung, die auch bei den Finanzbehörden zu einem geringeren Personalstand führen wird, ergibt sich zukünftig umso mehr die Notwendigkeit einer wirtschaftlicheren und effizienteren Bearbeitung der Abläufe des Besteuerungsverfahrens.

Die fortschreitende Technisierung und Digitalisierung aller Lebensbereiche, eine zunehmende globale wirtschaftliche Verflechtung und die demografische Entwicklung zu einer alternden Gesellschaft und abnehmenden Bevölkerungszahl stellen auch den Steuervollzug vor große Herausforderungen. Zum dauerhaften Erhalt eines Besteuerungsverfahrens, das weiterhin zeitgemäß ist und effizient seine Aufgaben erfüllt, sind deshalb Maßnahmen zur technischen, organisatorischen und rechtlichen Modernisierung erforderlich. Idealerweise geht dies mit Vereinfachungen und dem Abbau von Bürokratie bei den Steuerpflichtigen einher, beispielhaft seien hier Vereinfachungspotenziale im Kontext der vorausgefüllten Steuererklärung genannt.

Um den genannten Entwicklungen zu begegnen und zugleich die Digitalisierung in der Finanzverwaltung voranzutreiben, hat der Bundesrat am 17.06.2016 dem vom Bundestag am 12.05.2016 beschlossenen Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens zugestimmt. Das Gesetz soll weitestgehend am 01.01.2017 in Kraft treten. Hierbei stehen drei Handlungsfelder im Fokus:

  • Steigerung von Wirtschaftlichkeit und Effizienz des Besteuerungsverfahrens durch einen verstärkten Einsatz von Informationstechnologie und zielgenauerem Ressourceneinsatz,
  • vereinfachte und erleichterte Handhabbarkeit des Besteuerungsverfahrens durch mehr Serviceorientierung und nutzerfreundlichere Prozesse,
  • Neugestaltung der rechtlichen Grundlagen im Hinblick auf die sich stellenden technischen Herausforderungen und die dafür vorgesehenen Lösungsansätze.

Das Gesetz sieht zu den einzelnen Handlungsfällen jeweils ein Bündel verschiedener Einzelmaßnahmen vor, die einander ergänzen. Dabei entfalten etliche Maßnahmen ihre Wirkung in mehreren Handlungsfeldern.

Folgende Maßnahmen sind hierbei hervorzuheben:

Stärkung von Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns

Durch die neuen Regelungen werden neben den unverändert fortgeltenden Prinzipien der Verhältnismäßigkeit, Gleichmäßigkeit und Rechtmäßigkeit auch die Komponenten der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit explizit im Amtsermittlungsgrundsatz verankert und bilden somit den Kernpunkt der Modernisierungsbemühungen. Damit verdeutlicht der Gesetzgeber, dass auch Erwägungen der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sowie allgemeine Erfahrungswerte der Finanzverwaltung die Art und den Umfang der Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörden beeinflussen können und sollen.

„Vollautomatische“ Bearbeitung von Steuererklärungen

Eine zentrale Maßnahme der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ist die Verstärkung der ausschließlich automationsgestützten Bearbeitung von dazu geeigneten Steuererklärungen durch Einsatz von Risikomanagementsystemen, um eine Konzentration der personellen Ressourcen auf die wirklich prüfungsbedürftigen Fälle zu erreichen. Die dem Risikomanagementsystem zugrundeliegenden Kriterien und Prozesse werden von der Finanzverwaltung festgelegt und den Steuerpflichtigen nicht offengelegt. Ausweislich der Regierungsbegründung soll das Risikomanagementsystem so ausgestaltet werden, dass damit folgende Ziele u. a. unterstützt werden:

  • Verhinderung von Steuerverkürzungen mit dem Eintritt einer entsprechenden präventiven Wirkung,
  • Aufdeckung von Betrugsfällen, zumindest Erhöhung der Chance der Aufdeckung,
  • Optimierung der personellen Fallbearbeitung durch eine risikoorientierte Steuerung der Bearbeitung,
  • nachhaltige Verbesserung der Bearbeitungsqualität durch Standardisierung der Arbeitsabläufe bei umfassender IT-Unterstützung und
  • qualitativ hochwertige und gleichmäßig gestaltete Rechtsanwendung durch bundeseinheitlich abgestimmte Vorgaben.

Neue Änderungsmöglichkeit bei Rechen- und Schreibfehlern des Steuerpflichtigen

Bisher war eine Änderung aufgrund von Rechen- und Schreibfehlern sowie offenbaren Unrichtigkeiten von Bescheiden nur dann möglich, wenn diese der Finanzbehörde bei Erlass des Steuerbescheides unterlaufen sind. Aufgrund der beschlossenen Neuregelungen besteht auch für den Steuerpflichtigen jetzt, soweit ihm bei der Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde rechtserhebliche Tatsachen nicht mitgeteilt hat, die Möglichkeit zur Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheides. Schreibfehler sind u. a. Rechtschreibfehler, Wortverwechselungen, Wort­auslassungen oder fehlerhafte Übertragungen. Rechenfehler sind insbesondere Fehler bei der Addition, Subtraktion, Multiplikation oder Division sowie bei der Prozentrechnung.

Wandlung von Belegvorlagepflichten in Belegvorhaltepflichten

Das Besteuerungsverfahren wird auch insofern moderner und anwenderfreundlicher, als in Gesetzen und Verordnungen bislang vorgesehene Belegvorlagepflichten weitgehend in Belegvorhaltepflichten mit risiko­orientierter Anforderung durch die Finanzverwaltung umgewandelt werden sollen. Um Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) steuerlich geltend machen zu können, verlangt derzeit die Finanzverwaltung die Vorlage einer Zuwendungsbestätigung durch den Steuerpflichtigen. Die Neuregelung ermöglicht es dem Steuerpflichtigen, die Bestätigung nicht mehr vorlegen zu müssen. Es reicht aus, das Dokument aufzubewahren, um es auf Anforderung der Finanzbehörde vorlegen zu können. Für solche Belege gilt eine Aufbewahrungspflicht von einem Jahr.

Neuregelung der Steuererklärungsfristen

Mit dem vorliegenden Gesetz wird eine gesetzliche Fristverlängerung für steuerlich beratende Steuerpflichtige eingeführt. Während nach den bisherigen „Fristenerlassen“ eine Fristverlängerung über den 31.12. des Folgejahres nur aufgrund begründeter Einzelanträge möglich ist, können die von der Regelung erfassten Steuererklärungen nunmehr vorbehaltlich einer „Vorabanforderung“ oder einer „Kontingentierung“ bis zum 28.02. des Zweitfolgejahres abgegeben werden. Hiermit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass einerseits die Erstellung der Jahressteuererklärungen und die Veranlagungsarbeiten innerhalb von 12 Monaten abgeschlossen sein müssen, andererseits aber mit der Anfertigung der Steuererklärung faktisch erst ab März und nicht bereits ab Januar des Folgejahres begonnen werden kann, da erst dann erforderliche Bescheinigungen (z. B. Lohnsteuerbescheinigungen) vorliegen.

Die Neuregelungen haben zur Folge, dass eine Fristverlängerung über Ende Februar des 2. Folgejahres hinaus regelmäßig nicht gewährt wird. Hierbei ist auch zu beachten, dass bei einer nicht fristgerechten Abgabe kraft Gesetzes ein Verspätungszuschlag festzusetzen ist.

Bekanntgabe von Steuerbescheiden mittels Datenabruf (Download)

Das Gesetz enthält Neuregelungen zur elektronischen Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten, also insbesondere von Steuerbescheiden, durch Bereitstellung zum Datenabruf. Diese Form der Bekanntgabe setzt die vorherige Zustimmung des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters voraus. Die Zustimmung kann jederzeit, allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft, wider-rufen werden.

Das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens reiht sich in die bisherigen Maßnahmen wie GOBD, elektronische Rechnung oder E-Bilanz ein und ist ein weiterer Baustein in Richtung Digitalisierung. Der Erfolg und die Akzeptanz der entsprechenden Gesetzesvorschläge muss die Belange aller Prozessbeteiligten, der Finanzverwaltung, des Steuerpflichtigen und der Steuerberatung gleichermaßen berücksichtigen. Nur auf diese Weise ist ein durchgängig elektronischer Daten- und Belegfluss realisierbar; Industrie 4.0 lässt grüßen.

Digitale Steuerprüfung – GDPdU

Sowohl im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung (Betriebsprüfung) als auch im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau kann das Finanzamt auf die elektronischen Buchhaltungsdaten Ihres Unternehmens zurückgreifen und diese mithilfe von geeigneter Software intensiv und effizient analysieren.

Die Finanzverwaltung hat dabei weitgehende Zugriffsrechte auf Ihre Unternehmensdaten. Neben dem direkten und indirekten Zugriff auf das EDV-System des Steuerpflichtigen können die Finanzbehörden auch die Herausgabe aller steuerlich relevanten Daten auf einem Datenträger (CD/DVD) fordern. Detailliert geregelt sind die Befugnisse der Finanzverwaltung in den Grund­­-
sätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU), einer Verwaltungsanweisung des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2001.

Die Finanzbehörde macht von dieser Möglichkeit des Datenzugriffs inzwischen in der überwiegenden Mehrheit der Betriebsprüfungen Gebrauch. Damit wird es für Sie als Unternehmen immer wichtiger, sich rechtzeitig auf die Anforderungen der digitalen Betriebsprüfung vorzubereiten.

Registrierkassen im Visier der Betriebsprüfer

Bei Betriebsprüfungen legen die Finanzbehörden derzeit häufig ihren Fokus auf Registrierkassen und überprüfen sehr genau die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung, insbesondere bei bargeldintensiven Betrieben wie z. B. Gaststätten und dem Einzelhandel. Leider schließen Kassenprüfungen in einigen Fällen mit Beanstandungen ab. Das führt in der Regel zu Hinzuschätzungen. Sie können eine Höhe von 10 % des Jahresumsatzes plus Sicherheitszuschlag erreichen. Im schlimmsten Fall kann es zur Einleitung eines Strafverfahrens kommen.

Übergangsfrist bis Ende 2016

Ende 2016 läuft die Übergangsfrist zur Nachrüstung zu elektronischen Kassen ab. Vom 01.01.2017 an dürfen nur noch Registrierkassen eingesetzt werden, die Einzelumsätze aufzeichnen und für mindestens 10 Jahre unveränderbar abspeichern können. Vorhandene digitale Kassen müssen spätestens bis Jahresende auf den geforderten technischen Stand aktualisiert werden. Daher ist es wichtig, bereits heute zu handeln. Setzen Sie sich sehr genau mit den Anforderungen an eine „ordnungsgemäße Kassenführung“ auseinander und gestalten Sie Ihr Kassensystem prüfungs- und zukunftssicher.

Manipulationssichere Ladenkassen?

Seit die Finanzverwaltung Manipulationen an elektronischen Registrierkassen durch „Zapper-Software“ aufgedeckt haben, stehen zudem Forderungen nach technischen Manipulationsschutzmaßnahmen (Stichwort: „Insika“) im Raum. Inwieweit Kassen nachgerüstet werden müssen, ist noch offen. Das Bundesministerium der Finanzen und die Bundesländer diskutieren in diesem Zusammenhang über verschiedene Technologielösungen. Mit Datum vom 18.03.2016 sind bereits zwei Referentenentwürfe des Bundesministeriums der Finanzen in dieser Sache veröffentlicht worden.

Fazit

Die Digitalisierung gewinnt zunehmend an Einfluss und wird zukünftig immer mehr das Steuerrecht beeinflussen.

Zukünftig werden Computer die elektronisch eingereichten Steuererklärungen prüfen. Soweit die Angaben des Steuerpflichtigen plausibel sind, erfolgt die Erstellung des Steuerbescheides automatisiert. Finanzbeamte werden sich auf die vom Programm aussortierten, überprüfungswürdigen Steuerklärungen konzentrieren können. Der Schriftwechsel von und zum Finanzamt wird im wachsenden Maße auf dem elektronischen Weg erfolgen. Im Zuge der elektronischen Übermittlung und Bearbeitung der Steuererklärung entfällt weitgehend auch die Pflicht, Belege einzureichen. Dennoch heißt es weiterhin Belege sammeln, damit Ausgaben auch steuerlich geltend gemacht werden können.

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