Artikel erschienen am 20.02.2017
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Digitalisierung?!

Der Kunde entscheidet über den Erfolg!

Von Dipl.-Kfm. (FH) Lars Dannheim, Braunschweig

Die ganze Welt spricht derzeit von „Digitalisierung“. „Industrie 4.0“ ist in aller Munde. Der „digitale Wandel“ in zahlreichen Branchen füllt die täglichen Zeitungen. Das autonom fahrende und vernetzte Auto soll mittelfristig auf den Markt kommen. Doch was ist eigentlich diese „Digitalisierung“? Wo ist sie sinnvoll und im besten Fall sogar hilfreich für alle Beteiligten? Welche Voraussetzungen und begrenzenden Faktoren gibt es? Wie kann die Digitalisierung zielführend genutzt werden? Lassen Sie uns diese Fragen bezogen auf die Interaktion von Kunden mit Unternehmen beleuchten.

Eine m. E. passende allgemeine Definition für „Digitalisierung“ ist „der Wandel hin zu elektronisch gestützten Prozessen mittels Informations- und Kommunikationstechnik“. Es geht also im Wesentlichen um die Nutzung und Nutzbarmachung der Möglichkeiten der elektronischen Vernetzung (Internet und Intranet), der elektronischen Möglichkeiten zur Speicherung sowie der Automatisierung bisher analoger, von Menschen durchgeführter Geschäftsvorgänge. Die Entwicklung dieser Themenfelder, die sogenannte „Digitale Revolution“, geht seit rund 20 Jahren sehr schnell und mit wachsender Dynamik vonstatten. So gehen Schätzungen davon aus, dass Mitte der 1990er-Jahre rund 3 % der gesamten weltweit verfügbaren Informationen digital gespeichert werden konnten.

15 Jahre später waren es bereits 94 %. Einhergehend damit gibt es eine regelrechte Informationsexplosion. Die weltweiten Telekommunikations- und Informationsspeicherkapazitäten pro Kopf sind zum Beispiel zwischen 23 und 28 % pro Jahr gewachsen. Das ist rund sechsmal soviel wie die Weltwirtschaft.

Blättern Sie noch oder scrollen Sie schon?

Damit ist klar – das Thema Digitalisierung betrifft uns alle und zwar in allen Lebensbereichen. Es verändert unser tägliches Leben so wie vor zwei Jahrhunderten die industrielle Revolution. Wie sieht Ihre ganz persönliche Digitalisierung eigentlich aus? Lesen Sie Ihre Zeitungen morgens beim Frühstück? Raschelt da noch Papier? Oder informieren Sie sich schon am Vorabend am Tablet? Holen Sie noch Kontoauszüge am Drucker ab und tippen Überweisungen ins Terminal? Informieren Sie sich über Ihre nächste Urlaubsreise im Reisebüro oder im Internet? Bestellen Sie Ihre Einkäufe hauptsächlich im Internet? Nutzen Sie noch Fotoalben? Gehen Sie in die Online-Apotheke oder in die an der nächsten Straßenecke? Nutzen Sie Ihr Mobiltelefon zum Telefonieren oder ersetzt es Ihnen unterwegs auch das Büro? Möchten Sie in Ihrem Auto auf die Zentralverriegelung, den Parkpieper oder Ihre persönliche Musikauswahl verzichten? Welcher Anteil Ihrer sozialen (Netzwerk-) Kontakte findet vis-à-vis statt? Beschäftigen Sie sich in Ihrem Unternehmen mit zunehmender Priorität mit der Automatisierung von Fertigungsprozessen sowie der Entwicklung Ihres Online-Shops? Prüfen Sie verschiedene CRM-Systeme?

Dieses sind nur einige Beispiele, die Liste lässt sich beliebig verlängern. Sie zeigt, dass sehr viel bereits möglich und objektiv betrachtet einfacher ist als vorher. Nehmen wir das Beispiel Tageszeitung, die elektronische Variante als E-Paper oder App über PC, Tablet oder Smartphone hat objektiv folgende Vorteile: Sie ist schneller als der Weg zum Briefkasten, sie ist deutlich eher verfügbar, sie ist ortsunabhängig, sie ist wesentlich umweltfreundlicher, sie ist wesentlich besser zum Weiterverarbeiten und -kommunizieren geeignet. Und trotzdem nutzen nur rund ein Fünftel aller Leser dieses Angebot. Und damit sind wir bei den zwei großen Voraussetzungen für eine noch weitergehende Nutzung der bestehenden Möglichkeiten von Digitalisierung in allen Bereichen: das Vorhandensein der notwendigen technischen Ausstattung und die Fähigkeit, diese zielgerichtet zu nutzen!

Zur IT-Grundvorraussetzung gehören auf Seiten des Anbieters eine Homepage möglichst inklusive eines Online-Shops mit dem Angebot elektronischer Bezahlverfahren wie z. B. paydirekt, eine mobile Ansicht dieses Internetauftritts für Tablets und Smartphones (technisch State of the Art, aber längst nicht überall vorhanden), ggf. eine eigene App für diese Geräte sowie ein Auftritt in den „sozialen Medien“ wie Facebook und Twitter. Alle Kommunikationskanäle, die dem Kunden hierbei angeboten werden – also E-Mail, Kontaktformulare, Chat, Telefon inklusive Rückrufwunsch – sollten im Unternehmen an einer Stelle zusammenlaufen und bearbeitet werden. Hierbei ist immer die goldene Regel zu beachten: Die Antwort hat zeitnah und auf dem Kanal zu erfolgen, den der Kunde gewählt hat! Auf der Kundenseite sind die technischen Basics ein Zugang zum Internet, möglichst mittels eines „klassischen“ PCs, eines Tablets sowie eines Smartphones.

Entscheidender als die reine Technik ist für eine „digitale“ Kundenbeziehung allerdings die Bereitschaft und Fähigkeit der Kunden, diese Geräte auch zu nutzen, die sogenannte Digital Readiness. Insgesamt nutzen in Deutschland derzeit rund 78 % der Menschen das Internet. Es gibt hier selbstverständlich sehr große Unterschiede in Abhängigkeit der Altersstruktur; die Nutzungsquote steigt, je jünger die Kundschaft ist. So nutzen in der Altersgruppe 60+ etwa 48 % der Menschen das Internet, bei den 18–24-jährigen sind es 99 %. Dieses wiederum bedeutet eine spürbar steigende Nutzung der digitalen Kanäle in den nächsten Jahren und Jahrzehnten und damit entsprechende Wachstumsraten. Spannend ist es auch, sich die Digital Readiness auf Seite der Unternehmen anzusehen, denn die Fähigkeit der Mitarbeiter, mit den „neuen“ technischen Möglichkeiten umzugehen, wird ein kritischer Erfolgsfaktor sein. Wo stehen Sie mit Ihrem Unternehmen in diesem Kriterium?

Digitalisierung ist nicht Technik allein, auf die Nutzung kommt es an!

Für viele Kunden ist das Vorhandensein eines Onlineportals oder einer telefonischen Hotline bei einem Unternehmen ein Hygienefaktor, ohne dessen Existenz sie sogar abwanderungsgefährdet sind. Die anderen Kunden müssen hierfür erst begeistert werden. Hier liegt die große Herausforderung für viele Firmen: Wie lassen sich die oftmals schon vorhandenen technischen Plattformen und Möglichkeiten mit Leben füllen, wie lassen sich alle Kunden zur Nutzung der Digitalkanäle aktivieren. Zunächst sollte hier erhoben werden, welcher Anteil der Kunden überhaupt die Möglichkeit hat, die digitalen Angebote zu nutzen, also etwa eine Freischaltung für ein Onlineportal besitzt. Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass diese Menschen die digitalen Abwicklungskanäle auch nutzen. Die „echte Nutzungsquote“ liegt zum Teil deutlich unter den Freischaltungen, unterschiedlich in Abhängigkeit von Unternehmen und Branche.

Es kommt jetzt darauf an, aus den gewonnenen Analyseergebnissen die richtigen Maßnahmen abzuleiten. Die Fragen dabei: Welche Anreize setze ich, um die (tatsächliche) Nutzungsquote der Digitalkanäle zu steigern? Mit welchem Angebot bzw. Thema kontaktiere ich zu welcher Zeit über welchen Kommunikationskanal welchen Kunden? Nehme ich eine Preisdifferenzierung nach Kanälen vor? Welches Angebot mache ich auf den nicht-stationären Kanälen und welches Marketing lege ich hierauf? Wie „belohne“ ich die selbstständige und fallabschließende Nutzung von Online- und Mobil-Kanälen? Wie speichere ich die Kundenkontakthistorie und wie steuere ich Wiederansprachen? Wie schaffe ich es, dass mein Kunde zur richtigen Zeit und zum richtigen Thema mit den richtigen Vertriebsleuten spricht?

Die letzte Frage ist eine sehr wesentliche, da der Anteil an Menschen, die „reine“ Online-Kunden sind, (noch) gering ist. Es kommt damit in den allermeisten Branchen darauf an, den richtigen „Kanalmix“ zu finden: Tendenziell einfachere, standardisierte Dienstleistungen und Produkte sollten über die digitalen Kanäle inkl. Telefonservice gesteuert werden, während komplexere und beratungsintensivere Dinge über den persönlichen Kontakt laufen sollten, nicht zuletzt unter Kundenbindungsaspekten. Das gilt gleichermaßen für den In- wie für den Outbound. Der Erfolg hängt jetzt vom Kunden­erlebnis ab: Sind die ersten „digitalen“ Kontakte zufriedenstellend verlaufen, wird der Kunden zukünftig von selbst diese Wege gehen, weil sie auch für ihn einfacher sind.

Hiermit wird klar: Digitalisierung ist ein Vertriebsthema und sollte dementsprechend auch im Vertriebsbereich angesiedelt und verzahnt sein. Die Aufgabe der IT ist die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur, ggf. Datenauswertungen etc. Eine Digitalisierungsstrategie, ganz gleich in welcher Branche, sollte damit immer vom Kunden(erlebnis) her denken und als erstes die folgenden Fragen beantworten: Welche meiner Produkte, Dienstleistungen und Services möchte ich in welcher Tiefe auf welchem meiner Kanäle anbieten? Wie steuere ich die Verbindung aller meiner Kanäle im Inbound wie in der Aktivität? Erst nach Beantwortung dieser Fragen sollte die technische Infrastruktur abgeleitet werden, denn nicht alles, was technisch geht, ist auch sinnvoll für Kunde und Unternehmen!

Fazit

Digitalisierung ist kein reines Technikthema, diese ist zwar notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung. Erfolgskritisch ist vielmehr die intelligente Verknüpfung verschiedener digitaler und stationärer Kanäle und vor allem eine gute Kundensteuerung auf diese Kanäle in Abhängigkeit des jeweiligen Bedürfnisses.

Eines ist gewiss: Die Digitalisierung wird unaufhaltsam voranschreiten. Wir alle tun gut daran, dieses Thema ganz oben auf unsere To-Do-Liste zu
schreiben. Dabei geht es nicht nur darum, alles was technisch möglich sein wird, sofort umzusetzen. Es geht vor allen Dingen auch darum, Neuerungen immer wieder kritisch zu hinterfragen. Bei aller Digitalisierung sollten wir keinesfalls den Menschen vergessen, denn der bleibt analog.

Bild: Fotolia/Zeber

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