Artikel erschienen am 18.01.2018
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Dealbreaker identifizieren, Haftungsrisiken verringern

Chancen und Risiken der Due Diligence-Prüfung beim Unternehmenskauf

Von Julia Blaue, Hannover | Dipl.-Volkswirt, Rechtsanwalt, Joachim Rudo, Hannover | Dr. iur. Nikolas von Wrangell, Hannover

„Bayer’s Diligence Failure In Merck Deal Haunts Its Monsanto Purchase“ titelt das Wall Street Journal am 21.09.2016 – nur eine von vielen Schlagzeilen zur Haftung von Aufsichtsräten, Geschäftsführern und Vorständen, die sich plötzlich Schadensersatzansprüchen ihrer Gesellschafter ausgesetzt sehen, da sie im Vorfeld oder im Zuge eines Transaktionsprozesses keine „erforderliche Sorgfalt“ bei der Untersuchung des Zielobjektes an den Tag gelegt haben.

Die Due Diligence, jene „erforderliche Sorgfalt“, ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil beim Unternehmenskauf. Sie meint die genaue Untersuchung des Kaufobjekts im Vorfeld oder im Zuge einer Transaktion, wozu der Käufer im angelsächsischen Raum sogar grundsätzlich verpflichtet ist (caveat emptor). Aus guten Gründen hat sich die Due-Diligence-Prüfung, oft verkürzt „Due Diligence“ oder „DD“ genannt, inzwischen auch bei uns etabliert.

Hintergründe

Jedem Kauf geht irgendeine mehr oder weniger oberflächliche Prüfung des Kaufobjekts voraus. Dies gilt auch für den Unternehmenskauf, wobei in der Praxis eine sehr große Bandbreite bezüglich Aufwand und Gründlichkeit anzutreffen ist – Sie reicht von der einfachen Anteilsübertragung an Mitgesellschafter oder Familienmitglieder, die mit dem zu verkaufenden Unternehmen (vermeintlich) bestens vertraut sind, bis zur umfassenden wochenlangen Due Diligence durch externe Wirtschaftsprüfer, Unternehmens- und Rechtsberater bei komplexen internationalen Transaktionen mit zahlreichen Beteiligten. Bei einem Unternehmen als Kaufobjekt handelt es sich um ein lebendiges Gebilde, das man im Fall der Feststellung von Mängeln nach mehreren Monaten nicht einfach im Ursprungszustand zurückgeben kann. Vor allem aus Sicht des Verkäufers muss die Möglichkeit einer Rückabwicklung und Rückgabe des Kaufobjekts im Unternehmenskaufvertrag daher unbedingt ausgeschlossen werden.

Die Entscheidung über den Umfang der Einsichtnahme als Käufer und der Offenlegung als Verkäufer sollten jeder Unternehmer und sonstige Beteiligte bewusst treffen. Entweder aufgrund eigener umfangreicher Erfahrung mit Unternehmenskäufen oder durch frühzeitige Hinzuziehung erfahrener Berater.

Der Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung (Non-Disclosure-Agreement – NDA) sollte vor der Offenbarung von Unternehmensinterna durch eine Due Diligence selbstverständlich sein. Häufig erfolgt dies in einem Letter of Intent (LoI), in dem Verkäufer und potenzieller Käufer frühzeitig ihre bisherigen Verhandlungspositionen bzw. -ergebnisse und den geplanten weiteren Verhandlungsverlauf in unverbindlichen Absichtserklärungen festhalten. Soweit darin schon wesentliche Inhalte des geplanten Deals festgelegt werden, können ggfs. gewisse „Deal-Breaker“ identifiziert werden – und die Offenlegung wichtiger Unternehmensinterna an potenzielle Käufer, die häufig genug die wichtigsten Wettbewerber sind, verhindert werden.

Erfolgt der Erwerb ohne Due Diligence, spiegelt sich das damit übernommene Risiko häufig in einem niedrigeren Kaufpreis oder weitergehenden Garantien wider.

Interessenlage der Beteiligten

Während der potenzielle Käufer ein essenzielles Interesse an allen wesentlichen Informationen hat, befürchtet der Verkäufer, dass die Offenlegung negativer Sachverhalte zu Forderungen zur Reduzierung des Kaufpreises und zur Abgabe umfassender Garantien führen kann. Andererseits führt die Offenlegung von Sachverhalten bzw. Risiken dazu, dass der Käufer sich später kaum auf arglistige Täuschung berufen kann bzw. im Unternehmenskaufvertrag meist dazu geregelt wird, dass eine Haftung ausscheidet, soweit dem Käufer Mängel bei Vertragsabschluss bekannt waren.

Die Due Diligence bietet die Möglichkeit, die eigenen Haftungsrisiken für die Führungsebene des Käufers zu minimieren. Denn die Due Diligence ist Grundlage für die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ – Kaufpreishöhe, Garantiekatalog, Freistellungsvereinbarungen, steuergünstige Strukturierungen – des geplanten Unternehmenskaufs. Soweit eine angemessene Überprüfung Grundlage der eigenen Entscheidungsfindung war oder ein Due Diligence Bericht gar den Aufsichtsorganen des Käufers bekannt war, erschwert dies nachträgliche Vorwürfe an das Management des Käufers.

Bei fremdkapitalfinanzierten Transaktionen sind die Ergebnisse der Due Diligence auch für beteiligte Banken Bestandteil bei ihrer Entscheidungsfindung.

Gelegentlich führen Verkäufer auch selbst eine Due Diligence durch, etwa wenn ein Unternehmen im Wege des Bieterverfahrens (d. h. unter gleichzeitiger Berücksichtigung mehrerer Kaufinteressenten) veräußert werden soll, und zwar vor Beginn der eigentlichen Verkaufsgespräche („Vendor Due Diligence“). Hierbei hat der Verkäufer die Möglichkeit, eigene „Schwachstellen“ seines Unternehmens zu erkennen und vor der Veräußerung zu beseitigen. Zum anderen werden die Vendor Due Diligence-Berichte meist auch den Kaufinteressenten zur Verfügung gestellt, womit alle Bieter den gleichen Informationsstand haben.

Ablauf der Due Diligence

Welche Bereiche der Zielgesellschaft könnten mit wesentlichen Risiken belastet sein? Zur Beantwortung dieser Frage wird an den Verkäufer seitens des Interessenten eine Dokumentenliste gereicht. Eine Due Diligence bezieht sich dabei i. d. R. auf verschiedene Teilbereiche, von denen vor allem die Financial Due Diligence, die Market bzw. Commercial Due Diligence (Marktanalyse, Analyse des Geschäftsmodells), die Legal Due Diligence und die Tax Due Diligence von hoher Bedeutung sind.

Statt dem Käufer seine sensiblen Geschäftsunterlagen zu schicken, richtet der Verkäufer meist einen sog. Datenraum für die bereitzustellenden Informationen ein. Dieser kann aus Aktenordnern und Papieren oder aber – so der heute häufigere Fall – als elektronischer Datenraum bestehen. Der elektronische Datenraum beschränkt den Zugang bzw. Zugriff auf bestimmte Personen und bietet die Möglichkeit, genau nachweisen zu können, welche Personen wann welche Dokumente geöffnet und gesehen haben. Dies kann bedeutsam sein, wenn der Käufer später Garantieansprüche geltend machen will und es darum geht, ob dem Käufer die zugrundeliegenden Umstände bei Vertragsabschluss bereits bekannt waren.

Nach der Einsichtnahme folgt das Auswerten der zur Verfügung gestellten Dokumente durch den Interessenten bzw. seine Berater, oft begleitet durch das sog. Management-Interview, in welchem bestimmte Fragen persönlich gestellt werden können (sog. Q&A-Prozess).

Daraus entsteht dann meist ein Due Diligence-Bericht der Berater des Interessenten, dessen Erkenntnisse zusammen mit weiteren sog. „Findings“ in die Vertragsverhandllungen einfließen.

Fazit

Der erforderliche Umfang einer Due Diligence und die Notwendigkeit, frühzeitig externen Expertenrat einzuholen, steigen mit der Komplexität der Transaktion und deren erwarteten Risiken. Dies gilt letztlich sowohl für die Verkäufer- als auch für die Käuferseite und das jeweilige Management. Geschäftsführer dürfen durchaus kalkulierte Risiken eingehen, wobei hier die Betonung aber auf kalkuliert liegt. Fehlende Informationen können aus Verkäufersicht zu einem „Unsicherheitsabschlag“ beim Kaufpreis führen oder sogar die Transaktion insgesamt gefährden.

Kommt es zur geplanten Transaktion, dann führt eine sorgfältige Due Diligence letztlich auch dazu, dass der Käufer das Zielunternehmen früher besser kennenlernt und es dann auch besser integrieren und fortführen kann – zum Vorteil nicht nur der Vertragsparteien Verkäufer und Käufer, sondern auch der Zielgesellschaft und ihrer Mitarbeiter.

Legal Due Diligence

Bei der Legal Due Diligence werden bestehende Verträge und Rechtsstreitigkeiten analysiert und rechtliche Risiken aufgedeckt. U. a. geht es um folgende Fragen:

  • Welche Kunden- und Lieferantenverträge sollen übernommen werden, welche ggfs. vor oder im Zuge der Transaktion beendet oder angepasst werden?
  • Welche Laufzeiten und Risiken enthalten die Miet- und Pachtverträge? Sind diese übertragbar oder besteht ein Untermietrecht? Schließt eine Change-of-Control-Klausel die Fortsetzung des Mietvertrags nach einem Unternehmenskauf angesichts des nun neuen Anteilseigners aus?
  • Welche Unternehmensteile werden übernommen, welche Arbeitsverhältnisse gehen dadurch gemäß § 613a BGB auf den Erwerber über, welche verbleiben beim Veräußerer? Können Umstrukturierungen im Zusammenhang mit dem Unternehmenskauf zu Änderungen beim Mitarbeiterstamm führen? Welche tarifvertraglichen Regelungen gelten nach dem Unternehmenskauf?
  • Welche Patente, Marken und urheberrechtlichen Nutzungsrechte sind vorhanden, was kann und soll davon übernommen werden, wo müssen Lizenzverträge angepasst oder neu abgeschlossen werden?

Foto: Fotolia/khius

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