Artikel erschienen am 16.03.2018
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„Family Office“ – das unbekannte Wesen?

Bestandsaufnahme über ein neues Marktsegment

Von Prof. Dr. iur. Maximilian A. Werkmüller, Düsseldorf

Family Offices erobern sich zunehmend neue Marktanteile. Eine Dienstleistung, die bis vor wenigen Jahren nur dem Segment der „Reichen und Superreichen“ vorbehalten war, ist inzwischen auch für Vermögende erschwinglich geworden: die unabhängige, ganzheitliche und Generationen übergreifende Beratung für Familien und (Familien-)Unternehmer. Doch das Geschäftsfeld ist stark fragmentiert, der Begriff „Family Office“ nicht gesetzlich geschützt. Es lohnt also ein zweiter Blick, um zu erkennen, worum es geht.

Historie

Der Begriff „Family Office“ entstammt dem angelsächsischen Wirtschaftsraum und bezeichnet dort – vereinfacht dargestellt – eine Gesamtheit von Dienstleistungen, welche durch eine bestimmte Person (oder Organisation) in Bezug auf ein bestimmtes Vermögen erbracht wird. Das grundsätzliche Bedürfnis, die Verwaltung des eigenen Vermögens in professionelle Hände Dritter zu legen, reicht schon viele hundert Jahre zurück. Bereits im Mittelalter gab es den „Hausmeier“, dem die Verwaltung und Pflege des Vermögens seiner i. d. R. hochadeligen Prinzipale oblag. Diese Tradition hat sich über den Zeitverlauf fortgesetzt. Im Amerika des 18. Jahrhunderts waren es Familien mit wohlklingenden Namen wie Morgan (1838) und Rockefeller (1882), welche durch die Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur begannen, die Verwaltung des familieneigenen Vermögens zu institutionalisieren. In diesem Zusammenhang entstand auch der Begriff „Family Office“. Es ging damals nur um das Vermögen jeweils einer einzelnen Familie. In Deutschland entstanden solche im Sinne dieses empirischen Befundes erst sehr viel später nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Richtungsweisend für die gesamte weitere Evolution der Definitionen und der damit verbundenen Leistungen war die Errichtung der FERI durch die Familie Quandt sowie die – zeitlich nachfolgende – Gründung der Harald Quandt Holding. In den nachfolgenden Jahren haben weitere Familien eigene Family-Office-Strukturen ins Leben gerufen, zu nennen wären hier beispielsweise die Familien Brenninkmeyer, Oppenheim, Henkel, Haniel und viele andere.

Begriffsdefinition

An dieser Stelle sei ein Wort zur definitorischen Erfassung des Begriffs an sich gesagt: Eine exakte Typologie ist nicht (mehr) möglich – zu verschieden sind inzwischen die am Markt vertretenen Erscheinungsformen von Family Offices. Man kann sicherlich zwei große Gruppen voneinander unterscheiden, zum einen die sog. „Single Family Offices (SFO)“ und zum anderen die sog. „Multi Family Offices (MFO)“. Während die erste Gruppe ausschließlich den Interessen einer einzigen (Unternehmer-)Familie dient, ist die Kundenplattform der zweiten Gruppe grundsätzlich offen. MFOs bieten ihre Leistungen jedoch – je nach innerer Governance – unterschiedlichen Kundenclustern an. Inzwischen existieren auch im Multi Family Office Segment „Boutiquen“ mit sehr ausgeprägten Stärken. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) spricht in ihrem Merbklatt zur Erlaubnispflicht gemäß § 32 KWG für Family Offices vom 14.05.2014 schlicht von „Unternehmen, welche sich – unabhängig von ihrer Rechtsform – mit der bankenunabhängigen Verwaltung großer privater Vermögen befassen“.

Family Offices grenzen sich im Hinblick auf ihre Tätigkeiten von herkömmlichen Beratungskonzepten im Bereich der „Vermögensverwaltung plus“ dadurch ab, dass sie über die Betreuung des Vermögens hinaus weitere Verknüpfungen herstellen und dadurch dem Vermögensinhaber als multipler Ratgeber und Dienstleister zur Seite und nicht etwa (nur) gegenüber stehen. „Best advice“ und „Best buy“ sind essenzielle Merkmale sog. „echter“ Family-Office-Leistungen. Schon ein nur potenzieller Interessenkonflikt ist geeignet, die Leistung an sich zu „infizieren“ und für den Vermögensinhaber als „unbrauchbar“ erscheinen zu lassen. Das Fehlen jeglicher Interessenkonflikte hat selbstverständlich einen Preis, unabhängig davon, ob ein eigenes Family Office installiert oder entsprechende Leistungssegmente am Markt eingekauft werden. Im letztgenannten Fall ist insbesondere die Wahl einer geeigneten Vergütungsform entscheidend für die Nachhaltigkeit der Geschäftsbeziehung mit dem Vermögensinhaber.

Der Family Officer, also die Bezugsperson des Vermögensinhabers, ist verantwortlich für die proaktive Planung und Koordinierung sämtlicher Handlungen, welche unternommen werden müssen, um das Gesamtgefüge in der Balance zu halten. Ihm obliegt gewissermaßen die Gesamtverantwortung, nur er berichtet an den Prinzipal. Aufgrund seiner umfassenden Kenntnis aller vermögens- und familienbezogenen Details steht er unmittelbar „im Lager“ seines Auftraggebers und fungiert dort als sog. „trusted advisor“, also als vertrauensvoller Ratgeber. Er richtet den Blick „aufs Ganze“ und erfasst neben den Fragen des Financial Engineering, insbesondere auch Themen des Vermögenserhalts („Asset Protection“), des Vermögenscontrollings, der Vermögensnachfolge sowie der Rechts- und Steuerberatung. Auch Themen wie „Family Governance“ oder „Family Management“ gehören zum Aufgabenkreis eines Family Officers.

Nachfrage nach Family-Office-Leistungen

Die Nachfrage nach Family-Office-Leistungen ist international wie national nach wie vor hoch – und sie steigt weiter. Wie viele Family Offices gegenwärtig in Deutschland existieren und in welcher Form sie für ihre Prinzipale oder Kunden am Markt aktiv sind, kann mangels zuverlässiger Quellenrecherche nicht eindeutig bestimmt werden. Aktuellen Schätzungen zufolge existieren derzeit weltweit ca. 7 000 bis 11 000 Family Offices (SFOs und MFOs) mit einem insgesamt verwalteten Vermögen von ca. 2,5 Trill. USD. Für den deutschen Markt wird derzeit von etwa 1 250 aktiven Family Offices ausgegangen, davon ca. 1 100 Single Family Offices, 80 bis 120 Multi Family Offices und ca. 30 Family Offices mit Bankbezug. Dabei wird das Wachstum der Single Family Offices als „stark steigend“, das der Multi Family Offices als „steigend“ eingeschätzt. Banken spielen beim Angebot von Family-Office-Leistungen zunehmend weniger eine Rolle.

Leistungsspektrum

Betrachtet man die Leistungspalette von Family Offices, so ist zunächst festzustellen, dass es neben Schnittmengen im Bereich der technischen Disziplinen (Vermögenscontrolling, Risikomanagement, Finanz- und Nachfolgeplanung, etc.) auch zunehmend Besonderheiten gibt, die das Nachfrageverhalten nur eines bestimmten Kundenclusters abdecken. Nachfolgend sollen diejenigen Leistungssegmente dargestellt werden, die beiden Spielarten (Single- und Multi-FO) gemeinsam sind: Zunächst nimmt das Family Office eine umfassende Analyse des Status-quo vor. Das Gesamtvermögen des Prinzipals oder Kunden wird nach einheitlichen Bewertungsmechanismen aufgenommen und in eine „Privatbilanz“ eingestellt. Danach erfolgt ein Abgleich mit den „Wünschen und Zielen“ des Mandanten, etwa mit Blick auf die Ruhestandsplanung, die Vermögensnachfolge oder sonstige Aspekte, die dem Einzelnen wichtig sind. Ergibt ein Abgleich der aufgefundenen Struktur mit den ebenfalls aufgenommenen Zielen, dass jene nicht erreicht werden können, so gilt es, die Vermögensstruktur schrittweise zu optimieren. Einen besonderen Schwerpunkt bildet dabei die Planung der Vermögensnachfolge. Nicht nur bei Unternehmern sind hier oftmals unliebsame Fragen auf die sprichwörtlich „lange Bank“ geschoben worden – keine guten Vo­raussetzungen, falls es doch zum schlimmsten aller Fälle kommen sollte.

Im Unterschied zu den für vergleichbare Fälle mandatierten Fachberatern (Rechtsanwälte und Steuerberater) verliert das Family Office niemals den „Blick aufs Ganze“, stellt Wechselwirkungen fest und betrachtet Risikoszenarien unter verschiedenen Blickwinkeln. Nun darf ein Family Office freilich (es sei denn, es handelt sich um eine Rechtsanwaltskanzlei bzw. eine Steuerberatungsgesellschaft) nicht ohne Weiteres rechts- und/oder steuerberatende Leistungen erbringen; ein gutes und im Markt aktives Family Office verfügt hierfür über erprobte Netzwerkpartner, welche die Komponenten „zuliefern“, die man selbst nicht liefern kann oder aus rechtlichen Gründen nicht liefern darf.

Um die Verwaltung des liquiden Vermögens kümmern sich die nach einem kritischen „Eingangstest“ beauftragten und sodann fortlaufend kontrollierten Vermögensverwalter. Ein über alle Vermögensklassen laufendes Reporting liefert dem Family Office wertvolle Hinweise über die Werttreiber einerseits aber auch über die „Zitronen“. Leistungen gleichnamig und damit vergleichbar machen, ist ebenso Kerndisziplin eines Family Office, wie der Rat an den Prinzipal, einen (erwiesenermaßen) schlechten gegen einen besseren Vermögensverwalter auszutauschen. Es zählt der „trusted advice“, der vertrauensvolle Rat, für den das Family Office von seinem Mandanten vergütet wird.

Fazit

Family Offices stehen alle Türen offen. Die Nachfrage ist (zu Recht) hoch und wird es bleiben.

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