Artikel erschienen am 01.02.2018
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Roboter Im Finanzbereich

Aktuelle Anwendungen und zukünftige Herausforderungen

Von Dipl.-Kfm. Stefan Schmal, Düsseldorf | Dipl.-Betriebsw. Dirk Spalthoff, Düsseldorf

Digitale Workflows, Process Mining, Robotic Accounting – viele CFOs mittelständischer Unternehmen stellen sich aktuell die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, den Finanzbereich in ihrem Unternehmen auf dem Weg zur digitalen Unternehmung weiterzuentwickeln und die nächsten Schritte zu tun. Abhängig davon, welchen gefühlten Entwicklungsgrad die Finanzorganisation aufweist, ist die Hürde, die Weiterentwicklung anzupacken, größer oder kleiner. Während für einige die Adaption des Finanzbereichs an die Industrie 4.0 ein kurzfristiges Ziel sein kann (Industrie 4.0 funktioniert nun mal nicht mit Finance 1.0), stellt sich für andere noch die Frage nach der Vermeidung von Datenredundanzen oder Eliminierung von manuellen Tätigkeiten.

Um die bevorstehenden Aufgaben erfolgreich angehen zu können, besteht die Herausforderung einerseits darin, die kapazitativ begrenzten Ressourcen von laufenden Tages- und Routineaufgaben soweit wie nötig zu entlasten, andererseits darin, die notwendigen Projekte in einer sinnvollen Priorisierung (in Form einer existierenden und mit anderen Funktionsbereichen verzahnten Finance Roadmap) abzuarbeiten, um vermeidbare Doppelbelastungen zu vermeiden.

Insbesondere die Ressource Mitarbeiter wird durch immer weiter steigende externe oder interne Anforderungen des Alltags an den Finanzbereich sehr belastet. Ineffiziente manuelle Workarounds, die Beschäftigung mit wenig wertschöpfenden Themen und eine um sich greifende Frustration in der Belegschaft sind die Folge.

In einer Zeit, in der qualifizierte Mitarbeiter immer schwieriger zu finden sind, ist es jedoch ratsam, mit den Mitarbeitern zusammen die Finanzvision des Unternehmens gemeinsam zu entwickeln und die Projekte auf den Weg zu bringen. Mitarbeiter, die in neue Projekte eingebunden werden und in der Weiterentwicklung des Unternehmens wieder mehr Sinn finden, sind motivierter, werden sich persönlich weiterentwickeln und fühlen eine stärkere Bindung zum Unternehmen.

Die größten Hemmnisse auf dem Weg zur Digitalisierung

Gerade in diesem Zusammenhang ist es für Unternehmen sinnvoll, sich mit dem Thema Robotic Process Automation (RPA) auch im Finanzbereich auseinanderzusetzen. Die Ressourcenpotenziale, die hierbei regelmäßig bei Mitarbeitern freigesetzt werden, können auf wertschöpfende Bereiche oder Projekte allokiert werden. Dies kann somit zugleich die Initiative für weitere Digitalisierungsprojekte darstellen.

Doch wie funktionieren diese Robots eigentlich und wie kann man sich deren Einsatz vorstellen? Ein Roboter, der neben Ihrem Mitarbeiter nicht auf dem Schreibtischstuhl sitzt und die Maus bedient, sondern im PC des Mitarbeiters und ihm bei der Erledigung seiner Aufgaben behilflich ist, kommt der Vorstellung schon ziemlich nahe: der Roboter als Gehilfe, der Mensch als Entscheider!

Diese „Software-Roboter“ (auch Bots genannt) können beispielhaft all jene Tätigkeiten übernehmen, die ihr Mitarbeiter durch Bewegen der Maus durchführt. Beispielsweise die Extraktion bzw. Eingabe von Daten, Kalkulationen und das Treffen von einfachen regelbasierten Entscheidungen. Die Erstellung der Ablauffolge (also das Programmieren) des Bots benötigt selbstverständlich eine gewisse Zeit und Expertise. Oftmals reichen für die Automatisierung von einfachen Tätigkeiten aber bereits ein bis zwei Stunden aus. Die Bots sind grundsätzlich für einfache, regelbasierte und sich häufig wiederholende Prozesse mit hohem manuellen Arbeitsanteil prädestiniert, dabei eignen sich gerade auch systemübergreifende Abläufe hervorragend, solange die Daten in digitaler Form vorliegen.

Zur Anwendung stehen prinzipiell Front-Office-Bots (als Desktop-Anwendung auf dem Rechner eines Mitarbeiters installiert) oder Back-Office-Bots (serverbasierte Anwendungen, die von unterschiedlichen Mitarbeitern genutzt werden können) zur Verfügung. Der Einsatz von Back-Office-Bots wird von sog. Orchester-Bots mit der höchstmöglichen Effizienz auf die verschiedenen Bedarfe der unterschiedlichen Mitarbeiter und Tätigkeiten allokiert.

Da Front-Office-Bots auf die Interaktion bzw. teilweise Entscheidungen des Mitarbeiters angewiesen sind, kann man in ihnen eine Art „best buddy“ des Mitarbeiters sehen, der dem Mitarbeiter ermöglicht, sich auf wertschöpfende Arbeiten zu fokussieren und wiederkehrende Routinen dem Roboter zu überlassen.

Welche Vorteile bewegen Unternehmen bereits heute dazu, die RPA-Technologie im Finanzbereich zu nutzen?

Zum einen werden durch den Einsatz von Bots erhebliche Kosteneinsparungen erreicht (regelmäßig 1/3 bis 1/5 eines FTEs), zum anderen ist die Fehlerrate eines Roboters extrem niedrig, was merkliche qualitative Verbesserungen mit sich bringt. Und diese liegt bei repetitiven Aufgaben immerhin bei etwa 5 %. Eine weitere Stärke der Bots ist die zeitliche Verfügbarkeit. Roboter können Aufgaben deutlich schneller erledigen als Menschen und zudem 24/7 ununterbrochen arbeiten.

Der Einsatz einer (konzernweiten) Digital Workforce mit unterschiedlichen Robotervarianten und Orchester-Bots erlaubt Unternehmen diese als ortsunabhängige und kostenflexible Alternative zum Outsourcing oder eines klassischen Shared Service Hubs in Betracht zu ziehen. Die Stärkung des angestammten Standorts dürfte sich wiederum in der Anerkennung der Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen widerspiegeln.

Herausforderung annehmen

Gerade aus vielen mittelständischen Unternehmen werden immer wieder dieselben Vorbehalte angebracht, um die unvermeidliche Annahme des Themenfeldes zu umgehen: Wir sind noch nicht soweit! Wir müssen erst andere Hausaufgaben machen! Wir haben keine Ressourcen!

Tatsächlich jedoch werden unverändert viele wertvolle Ressourcen insbesondere im Mittelstand für nicht wertschöpfende manuelle, repetitive Tätigkeiten (neben den klassisch ineffizienten Meetings) aufgewendet.

Wie sollten Sie vorgehen, wenn Sie sich dem Themenfeld nähern wollen?

  • Finden Sie das Projektteam, das Spaß an diesem Thema hat und schaffen Sie die notwendigen Voraussetzungen, indem Sie es durch einen gewichtigen Projektsponsor und die ggf. benötigten Ressourcen (Zeit, Software etc.) unterstützen.
  • Erarbeiten Sie bzgl. des Prozessmodells und der jeweiligen Prozess- und Arbeitsschritte zunächst den Status quo mit folgenden Fragen (siehe Grafik rechts):
    Fokussieren Sie sich auf diejenigen Felder
  • mit der niedrigsten Punktzahl und somit dem höchsten Automatisierungspotenzial; reflektieren und sichern Sie in strukturierten Prozessworkshops die Automatisierbarkeit.
  • Starten Sie mit dem Aufbau von einzelnen Business Cases pro Tätigkeit(-sbereich) und eines Meilensteinplans für die einfach umzusetzenden Teilprozesse/Tätigkeiten und legen Sie die KPIs zur Erfolgsmessung fest (bspw. Zeit- und/oder Kosteneinsparung, Qualität etc.).
  • Implementieren Sie zunächst einfache und verständliche RPA-Lösungen (bspw. von UiPath) zur Automatisierung dieser Prozessschritte, bevor Sie sich an erweiterte, programmierungsbedürftige Lösungen heranwagen.
  • Lassen Sie die Projektmitarbeiter in regelmäßigen Zeitabständen sowohl über die erreichten Ziele, die Verbesserungen und Erleichterungen im täglichen Arbeiten, als auch die überwundenen Schwierigkeiten berichten und geben Sie Ihnen hierbei eine möglichste große Plattform im Unternehmen.

Sie werden feststellen, dass

  • Ihre Mitarbeiter an dem Veränderungsprozess und dem positiven Feedback Gefallen gefunden haben und die Begeisterung auch auf die Belegschaft übergesprungen ist;
  • Sie bereit sind, weitere Schritte auf Ihrem unternehmensspezifischen Pfad der Digitalisierung zu unternehmen, um die Reallokation und die persönliche Weiterentwicklung (durch sinnvolle Schulungskonzepte) insbesondere Ihrer Ressource Mitarbeiter voranzutreiben.

Aktuelle Anwendungsbeispiele

Doch in welchen Bereichen führen erste Anwendungsfälle zu einer effizienten Umsetzung? Wo lassen sich Erfolge schnell und einfach darstellen?

Folgende Beispiele bieten Ihnen erste Anhaltspunkte, in welchem Tätigkeitsbereich sich ein Einsatz von Bots für Sie schnell auszahlen kann:
Immer wiederkehrende Extraktionen und

  • Abgleiche von Daten aus verschiedenen Systemen oder dem Internet (Marktdaten, Währungen, Kursentwicklungen): Diese Möglichkeiten ergeben sich vor allem bei fehlenden permanenten Anbindungen über EDI oder nicht kompatiblen Systemen. Beispiele: automatisierter Abgleich von Rohstoffpreisen, Preisänderungen, Abstimmung von Stammdatenänderungen, Zahlungsinformationen etc.
  • Versand von E-Mails (Reminder, Warnungen, Überschreitungen etc.), sofern bestimmte Regeln gebrochen werden. Die regelkonforme Bearbeitung eines Roboters vermeidet Fehler durch „Vergessen“ oder falsche Priorisierung von Kommunikationsverpflichtungen. Beispiele: Abgleich von Liquiditätsplänen mit Bankkonten, Nachverfolgung und Kontrolle von anzuliefernden Daten im Rahmen des Reportings, Änderungen vereinbarter Sicherheitsbestände im Vorratsbereich, Zeitüberschreitungen im Rechnungseingangsprozess.

Als Brückenlösungen für

  • die Erstellung von Berichten, sofern bestehende ERP- oder Reportingtools dazu nicht geeignet sind;
  • systemübergreifende Buchungen (bspw. Spiegelung von Intercompany-Buchungen bei der Schwestergesellschaft), sofern keine Verbindung der Systeme darstellbar ist;
    Durchführung von laufenden Intercompany-Abstimmungen;
  • klassische Buchhaltungstätigkeiten, wie den Abgleich von Konten, das Absetzen von Buchungen oder die standardisierte Berechnung von Rückstellungen (bspw. bei dynamischen Parametern);
  • Aufbereitung und Befüllung von Informationen im Anhang, Lagebericht, Notes etc.;
  • Integration oder Migration von Daten.

In jedem Unternehmen existiert eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten, die eine Automatisierung manueller Tätigkeiten heute erlauben und so zur Ressourcenschonung und zur digitalen Weiterentwicklung der Unternehmen beitragen.

Zukünftige Herausforderung

Auch für den Finanzbereich wird zukünftig die Weiterentwicklung der Fertigkeiten von Mitarbeitern elementar sein. Motivierte Mitarbeiter, die es als Herausforderung ansehen, ihre bisherigen Aufgaben zu hinterfragen und neue Techniken und Tools zur Verbesserung der Qualität in kürzerer Zeit anzuwenden, werden stets überproportional dazu beitragen, Ihr Unternehmen wettbewerbsfähiger und zukunftsfähiger zu machen. Die nächsten Stufen der Digitalisierung werden auf diesem grundlegenden Verständnis der Technik und der Bereitschaft der Mitarbeiter, diese anzunehmen, aufbauen.

Bilder: Fotolia/phonlamaiphoto, Fotolia/llhedgehogll

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