Artikel erschienen am 04.11.2019
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Private und unternehmerische Vermögensnachfolge

Rechtzeitig planen und gestalten und dadurch Fehler vermeiden

Von Prof. Dr. iur. Maximilian A. Werkmüller, Düsseldorf | Dr. rer. pol. Lutz Schmidt, Düsseldorf

Die sachgerechte Planung und Gestaltung der Vermögensnachfolge ist ein sehr komplexes Thema, das rechtzeitig in Angriff genommen und nicht auf die sprichwört­liche „lange Bank“ geschoben werden sollte. Nun sind Unternehmer aber nicht deshalb erfolgreich, weil sie sich in großem Umfang mit dem eigenen Tod befassen, sondern weil sie durch harte Arbeit, Unternehmergeist und in vielen Fällen auch durch Verzicht im Leben etwas geschaffen haben, das sie als ihr Lebenswerk betrachten und das auch für nachfolgende Generationen erhalten werden soll.

So weit – so gut. Um es bereits an dieser Stelle zu betonen: Es geht bei der Vermögensnachfolge nicht nur um den Erbfall – am sprichwörtlichen „Ende des Tages“ sicherlich auch. Zielgenauer zu planen ist aber selbstverständlich die Übergabe des Vermögens noch zu Lebzeiten – gerade dann, wenn ein Unternehmen im Mittelpunkt steht, dessen Fortbestand durch die eigenen Kinder gesichert werden soll. Glaubt man den Statistiken, so ist kaum jeder zweite mittelständische Unternehmer überhaupt in der Lage, einen Nachfolger im Kreis der eigenen Familie zu benennen. In vielen Fällen existiert dieser schlicht nicht oder es gibt ihn zwar, aber er fühlt sich dazu nicht berufen, oder Konflikte innerhalb der Familie verhindern eine Übergabe an die nachfolgende Generation. In derartigen Fällen ist die Not oft groß; eine Stiftungslösung (dazu später mehr) kann aber auch in solchen Situationen einen wertvollen Beitrag leisten. Der Blick geht auch bei der Nachfolgeplanung immer aufs Ganze.

Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Vermögensnachfolge – die private wie die unternehmerische – nicht „ad hoc“ und erst dann, wenn es „eng“ wird, sondern von langer Hand geplant wird. Drei, vier oder mehr Jahre Vorlauf sind hier keine Seltenheit. Gibt es bspw. einen Sohn oder eine Tochter, der oder die möglicherweise eines Tages in das Unter­nehmern einsteigen kann, so beginnt die Planung der Übergabe schon bei der Wahl der weiterführenden Schule und spätestens bei der Wahl des Studiums und einer geeigneten Bildungseinrichtung. Hat man ihn oder sie identifiziert und die soeben beschriebene Planung aufgesetzt, so gilt der zweite Gedanke den anderen Familienmitgliedern, die ja nicht vollkommen leer ausgehen sollen. Hier ist von besonderer Bedeutung, dass der Vermögensinhaber eine für möglichst alle Beteiligten faire Lösung anbietet, die zwar einerseits das unternehmerische Risiko des Unternehmernachfolgers honoriert, andererseits aber gleichzeitig auch die übrigen Familienmitglieder in angemessenem Umfang versorgt. So ist es bspw. möglich, die sog. „weichenden Erben“ im Erbfall entweder mit Vermögensgegenständen des Privat­ver­mögens, wie z. B. Immobilien oder Wertpapieren, abzufinden; möglich ist hingegen auch, sie passiv an den Einkünften des Unternehmens zu beteiligen, z. B. durch eine stille oder eine atypisch stille Unterbeteiligung am Gesellschaftsanteil. Im letzteren Fall, der atypisch stillen Unterbeteiligung, wird der Beteiligte auch Mitunternehmer, d. h., er erzielt gewerbliche Einkünfte. Dafür kann er aber auch die erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln in Anspruch nehmen; idealerweise ist diese Form der Beteiligung also auch erbschaftsteuerfrei möglich.

Nur der guten Ordnung halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass der potenzielle Nachfolger – so es ihn gibt – sich seine ersten Sporen selbstverständlich nicht in dem eigenen Unter­nehmen verdient, sondern „draußen“, und er erst dann in die unternehmerische Verant­wortung des elterlichen Unternehmens tritt, wenn er eine gewisse – berufliche und persönliche – Reife erlangt hat. Gegen diese Grundregel wird leider viel zu oft verstoßen – mit teilweise verheerenden Folgen!

Die Technik

Bei der lebzeitigen Anteilsübertragung auf den potenziellen Nachfolger ist zunächst darauf zu achten, dass die „Widrigkeiten des Lebens“ vertragstechnisch abgesichert werden: Kommt es zum Eintritt persönlicher Krisen bei dem Übernehmer, wie z. B. dem Vorversterben des Beschenkten oder dessen Insolvenz, so muss rückabgewickelt werden können. Man stellt also den „Status quo ante“ her. Für die benötigte Technik sollte Expertenrat eingeholt werden. Ein zweiter Punkt ist die Schenkungsteuer, die so niedrig wie möglich gehalten werden soll. Hierfür bietet das geltende Recht noch immer erstaunliche Möglichkeiten, die erkannt und zielgenau eingesetzt werden wollen. Hier gibt es kein „Schema F“; „Finetuning“ ist gefragt und muss geliefert werden. Nimmt man bspw. die erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln in Anspruch (die in vielen Fällen zur Steuerfreiheit der Übertragung führen können), so gilt es, die zahlreichen Wohlverhaltensregeln über die gesetzlich geforderten Fristen einzuhalten. Aber auch die Szenarien möglicher Verstöße dagegen müssen antizipiert und einer sachgerechten Lösung zugeführt werden, bevor sie eintreten. Die Tücke liegt hier nicht nur im Erbschaftsteuerrecht, sondern insbesondere im Ertragsteuerrecht. Kommt es durch Unachtsamkeit zur ungewollten Aufdeckung sog. stiller Reserven, so ist damit zwingend eine einkommensteuerliche Belastung verbunden, die auch durch eine Rückabwicklung nicht mehr „glattgestellt“ werden kann. Neben den rechtlichen und steuerlichen Themen darf schließlich auch die Versorgungslage des Übergebers nicht aus dem Auge verloren werden. Hier hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der vergangenen Jahre den Nießbrauch weitgehend als Gestaltungsvehikel verdrängt; die Beratungspraxis weicht deshalb auf andere Versorgungsmechanismen, wie z. B. die sog. dauernde Last oder die Leibrente, aus. Die steuerlichen Folgen unterscheiden sich von denjenigen des Nießbrauchs zum Teil signifikant – aber dies ist im Sinne einer Sicherstellung der Versorgung hinzunehmen.

Gesellschaftsrecht geht vor Erbrecht

Dieser so scheinbar einfache Satz birgt jede Menge „Sprengstoff“. Er gilt zunächst nur für Personengesellschaften, wie z. B. die GbR, die KG oder die offene Handelsgesellschaft. Er besagt, dass zunächst das Gesellschaftsrecht entscheidet, ob ein Gesellschaftsanteil überhaupt vererblich ist. Es geht also um das „Ob“ einer erbrechtlichen oder lebzeitigen Übertragung. Das Erbrecht hingegen entscheidet, „Wer“ den Anteil erbt. Beides, d.h. das „Ob“ und das „Wer“, müssen gleichzeitig gegeben sein, sonst schlägt die Nachfolge fehl. Gesellschaftsvertrag und Testament müssen deshalb aufeinander abgestimmt sein und miteinander harmonieren. Hatte ein Unternehmer bspw. seine Tochter zur Nachfolgerin erkoren, dieser zu Lebzeiten auch bereits Anteile übergeben und sollte von Todes wegen der restliche Teil der Gesellschaftsvermögens auf sie übergehen, so funktioniert dies nur dann, wenn sie zumindest auch (Mit-)Erbin oder mindestens Vermächtnisnehmerin wird. Ist sog. Sonderbetriebsvermögen im Spiel, so wird sie am besten sogar Alleinerbin. Ist diese Abstimmung von Gesellschaftsvertrag und Testament unterblieben, so findet keine erbrechtliche Unternehmensnachfolge statt – jedenfalls nicht ohne weiteres Zutun – und gilt der Übergang des betrieblichen Vermögens auf Personen, welche keine Gesellschafter und damit vermutlich auch keine „Mitunternehmer“ im ertragsteuerlichen Sinne werden können, als steuerliche Betriebsaufgabe. Das kann sehr teuer werden, denn sämtliche Wirtschaftsgüter gelten als in das Privatvermögen entnommen; sämtliche stille Reserven müssen versteuert werden. Und last but not least wäre die Nachfolge gescheitert. Solche kapitalen Fehler gilt es in jedem Fall zu vermeiden. Bei Kapitalgesellschaften gilt die Maxime: „Gesellschaftsrecht geht vor Erbrecht“ hingegen nicht, hier könnte auch eine Erbengemeinschaft in die Gesellschafterstellung des Erblassers nachfolgen – gewollt dürfte dies indes auch hier nicht sein. Deswegen sehen die Satzungen in der Regel umfangreiche Verpflichtungen zur Abtretung der von Todes wegen übergegangenen Anteile an diejenige Person vor, die es hätte werden sollen. „Ge­staltungs­unfälle“ kommen hier zwar ebenfalls vor; ihre Auswirkungen lassen sich aber besser beherrschen, als dies bei Personen­gesellschaften der Fall ist.

Die Stiftung als Auffanglösung

In einigen Fällen existiert kein Nachfolger für das unternehmerische Vermögen. Hier kann eine Stiftung helfen, das Lebenswerk des Erblassers zu bewahren und vor einer Zerschlagung im Wege der Erbteilung zu schützen. Eine Familienstiftung kann zudem aus den Erträgen des Unternehmens die Familie des Unternehmers versorgen – jetzt und über viele Generationen. Satzungen solcher Stif­tungen sind ebenfalls komplex und erfordern eine spezielle Expertise. Hier müssen insbesondere Regelungen dafür getroffen werden, welche Qualifikationsmerkmale Personen aufweisen müssen, die in den Vorstand der Stiftung oder in die Geschäftsleitung des Unter­nehmens berufen werden sollen. In der Regel sind es ja gerade keine Familienangehörigen, sondern fremde Dritte. Darüber hi­naus sind Mechanismen zu implementieren, die eine gewisse „Hygiene“ garantieren und vermeiden, dass sich „Agenten“ untereinander am Vermögen der Stiftung bedienen. All dies ist vertragstechnisch aber ohne Weiteres möglich und wird in der Praxis auch so umgesetzt. Gelingt es, das richtige Team zu finden, so findet das Unternehmen in der Stiftung, die in der Regel als Holding fungiert, einen wertvollen Gesellschafter, der seinen Fortbestand über viele Jahre schützen kann. Im Rahmen der Stiftungssatzung oder eines Stifterbriefs kann der Stifter zusätzlich seine Vorstellungen hinsichtlich der Zukunft des Unternehmens niederlegen; ge­rade für nachfolgende Mitglieder des Managements ist dies eine wichtige und – je nach Ausgestaltung – auch verbindliche Richtschnur.

Fazit

Als Fazit mag man auf den Anfang verweisen: Rechtzeitige Planung, das – soweit möglich – Vorhersehen des Unvorhersehbaren und die Ableitung von Handlungsoptionen für die Krisenfälle des Lebens, eine profunde rechtliche und steuerliche Beratung garantieren den Erfolg einer menschlich, rechtlich und steuerlich gelungenen und nachhaltigen Vermögens- und Unternehmensnachfolge.

Bild: Unsplash/Victoria Heath

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