Artikel erschienen am 01.11.2012
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Die Vorsorgevollmacht

Von Christine Albert, Halle (Saale

Jeden Menschen – egal welchen Alters – kann unvorhergesehen das Schicksal ereilen, dass er seine Angelegenheiten aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung oder aufgrund einer psychischen Krankheit nicht mehr selbst besorgen kann. Das Gesetz ordnet für diesen Fall die gerichtliche Bestellung eines Betreuers an. Es können also nicht etwa ohne Weiteres der Ehegatte oder nahe Angehörige für den Geschäftsunfähigen handeln.

In Deutschland stehen derzeit insgesamt mehr als 1,3 Mio. Personen unter Betreuung, wobei diese Anzahl ständig steigt. Neben der Regelung der Erbfolge für den Todesfall gehört daher die Errichtung einer Vollmacht für den Fall der Geschäftsunfähigkeit nicht nur für den Privatmann, sondern gerade auch für den Unternehmer (als Instrument der Unternehmensnachfolge) zu den wichtigsten Vorsorgemaßnahmen im rechtlichen Bereich.

Die Bestellung eines Betreuers erfolgt auf Antrag, den beispielsweise auch Gläubiger oder Geschäftspartner stellen können. Das Gericht hat bei der Auswahl des Betreuers nicht zwingend die nächsten Angehörigen des Betroffenen zu berücksichtigen, sondern kann – etwa bei Interessenkonflikten innerhalb der Familie – auch eine fremde Person zum Betreuer ernennen. Der Betreuer ist dem Gericht gegenüber zur Auskunft und Rechenschaft verpflichtet. Bestimmte durch ihn veranlasste Maßnahmen (wie z. B. der Abschluss von Grundstücksgeschäften) bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betreuungsgerichts. Durch die wirksame Bestellung einer geeigneten Vertrauensperson kann der Vollmachtgeber selbst bestimmen, wer seine Interessen wahrnimmt, und damit das schwerfällige und für alle Beteiligten belastende Betreuungsverfahren und auch die diesbezüglich anfallenden Kosten vermeiden.

Die Errichtung einer Vorsorgevollmacht ist grundsätzlich formfrei. Sie kann also auch mündlich erfolgen, sollte aber zu Beweiszwecken zumindest privatschriftlich verfasst werden. Soweit die Vollmacht – wie in der Regel – auch den persönlichen Bereich umfasst, muss sie schriftlich sein. Für die Vornahme bestimmter (gerade für den Unternehmer oft wesentlicher) Rechtsgeschäfte wie zum Beispiel von

  • Grundstücksgeschäften oder
  • gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten (Anmeldungen zum Handelsregister, Verfügungen über Geschäftsanteile an einer GmbH)

ist eine notariell beurkundete oder beglaubigte Vollmacht erforderlich. Aus diesem Grund und nicht zuletzt auch wegen der damit verbundenen rechtlichen Beratung und Gestaltung sowie des höheren Beweiswertes und der besseren Akzeptanz durch Dritte hat sich in der Praxis immer stärker die Empfehlung durchgesetzt, Vorsorgevollmachten notariell zu beurkunden und sich nicht allein mit einer Unterschriftsbeglaubigung oder gar der handschriftlichen Form zu begnügen.

Bei Abfassung der Vollmacht sollten folgende Punkte beachtet bzw. geregelt werden:

Die Vorsorgevollmacht sollte den Bevollmächtigten im Sinne einer Generalvollmacht zunächst zur Vornahme aller vermögensrechtlichen Angelegenheiten ermächtigen. Dabei können die wesentlichen Handlungsbefugnisse in diesem Bereich wie

  • die Verfügung über Vermögensgegenstände jeder Art (z. B. Grundbesitz, Bankguthaben),
  • die Eingehung von Verbindlichkeiten und Vornahme von Prozesshandlungen jeder Art,
  • der Abschluss eines Heimvertrages, die Auflösung eines Mietverhältnisses und des Hausrats,
  • die Entgegennahme von Zahlungen und Wertgegenständen etc.

stichpunktartig aufgelistet werden. Hierbei ist jedoch klarzustellen, dass derartige Aufzählungen nur beispielhaft und nicht abschließend sind und hinsichtlich etwa nicht aufgeführter Maßnahmen keinesfalls als Einschränkung der Vollmacht zu verstehen sind.

Überhaupt sollte jegliche Form der Einschränkung der Vollmacht in diesem Bereich vermieden werden, um die Handlungsfähigkeit des Bevollmächtigten nicht zu beeinträchtigen. Dritte (Ärzte, Bankangestellte etc.) können in der Regel die Einhaltung etwaiger Beschränkungen nicht prüfen und werden im Zweifel ihre Tätigkeit ablehnen. Will der Vollmachtgeber dennoch die Verwendung der Vollmacht von bestimmten Bedingungen oder Voraussetzungen abhängig machen, sollte er sie nur in Form von Anweisungen im Innenverhältnis gegenüber dem Bevollmächtigten erteilen. Dieser kann dann im Rechtsverkehr nach außen uneingeschränkt handeln, ist jedoch dem Vollmachtgeber dafür verantwortlich, seine Befugnisse nicht zu überschreiten.

Von einer generell gefassten Vollmacht für vermögensrechtliche Angelegenheiten ist im Grundsatz auch der berufliche und unternehmerische Bereich mitumfasst. Dennoch sollte an geeigneter Stelle ausgeführt werden, dass die Vollmacht auch dazu berechtigt,

  • alle mit dem Unternehmen in Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäfte vorzunehmen,
  • über betriebliche Konten zu verfügen,
  • alle Erklärungen abzugeben, die für die Unternehmensführung erforderlich und zweckdienlich sind,
  • etwaige Gesellschafterrechte des Unternehmers auszuüben (soweit Gesetz und Gesellschaftsvertrag dies zulassen).

Wiederum nur im Innenverhältnis kann die Vollmacht um eine Handlungsanweisung ergänzt werden, in der der Unternehmer in groben Zügen festlegt, was im Unternehmen zu geschehen hat, wenn er etwa durch Krankheit für längere Zeit nicht einsatzfähig ist. Handelt es sich beim Betrieb des Vollmachtgebers um eine Personen- oder Kapitalgesellschaft, ist zu beachten, dass einem Generalbevollmächtigten nur solche Rechtshandlungen übertragen werden dürfen, die nicht zu den originären Aufgaben des gesetzlichen Vertreters (z. B. des Geschäftsführers einer GmbH) gehören. Die sogenannten „organschaftlichen Kernbefugnisse“ müssen daher ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Vollmacht ausgeklammert oder es müssen gesellschaftsrechtliche Lösungen gefunden werden.

Neben den vermögensrechtlichen Angelegenheiten wird dem Bevollmächtigen im Hinblick auf eine mögliche Erkrankung auch die Besorgung persönlicher Angelegenheiten des Vollmachtgebers übertragen, wie z. B. die Wahrnehmung der Gesundheitsfürsorge, der Aufenthalt in einem Pflegeheim und die Vertretung gegenüber Ärzten. Vollmachten im nichtvermögensrechtlichen Bereich müssen konkret ausformuliert werden, abstrakte Formulierungen reichen nicht. Hier empfiehlt sich eine Anlehnung an den gesetzlichen Wortlaut der betreffenden Regelungen im Betreuungsrecht, sodass die Vollmacht insbesondere auch gelten soll

  • zur Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff, und zwar auch dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Vollmachtgeber aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren gesundheitlichen Schaden erleidet,
  • zur Hilfe beim Sterben und zum Behandlungsabbruch,
  • zu einer Unterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, und zur Entscheidung über freiheitsentziehende oder -beschränkende Maßnahmen.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil in diesem Bereich der Vorsorgevollmacht ist die Entbindung der behan-delnden Ärzte von ihrer gesetzlichen Schweigepflicht.

In der Vorsorgevollmacht sollte schließlich festgelegt werden,

  • ob und inwieweit der Bevollmächtigte Untervollmacht erteilen, also die Vollmacht an Dritte „weitergeben“ darf,
  • ob er befugt ist, auch Rechtsgeschäfte mit sich selbst oder mit sich als Vertreter eines Dritten abzuschließen (Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB) und
  • ob die Vollmacht auch über den Tod hinaus gelten soll.

Sind mehrere Personen zu Bevollmächtigten bestellt, ist – am besten wiederum nur in dem von Dritten nicht zu prüfenden Innenverhältnis – deren Reihenfolge festzulegen. So können auch einzelnen Bevollmächtigten unterschiedliche Aufgabenbereiche zugewiesen werden.

Sinnvoll ist es, die Vorsorgevollmacht durch eine Patientenverfügung zu ergänzen, mit der der Vollmachtgeber Behandlungswünsche für den Fall äußern kann, in dem er sich in bewusstlosem Zustand befindet und keine Aussicht auf Besserung besteht. Hier wird häufig bestimmt, dass in diesem Fall keine lebensverlängernden Maßnahmen ergriffen werden sollen, sondern die Behandlung auf Schmerzlinderung gerichtet sein soll.

Fazit

Nach alldem trägt die Errichtung einer Vorsorgevollmacht wesentlich dazu bei, dass sich eine menschliche Notlage nicht durch eine wirtschaftliche verschlimmert und insbesondere auch die Funktionalität und der Fortbestand eines Unternehmens gesichert werden können.

Es empfiehlt sich, für die Errichtung von Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen. Die im freien Handel oder im Internet erhältlichen Musterformulare sind zum Großteil ungeeignet bis unbrauchbar, da sie oftmals unzweckmäßige Einschränkungen enthalten oder Punkte, die geregelt bzw. ausdrücklich angesprochen werden müssen, vernachlässigen.

Foto: Panthermedia/Michiko Nomoto

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