Artikel erschienen am 01.11.2012
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ESUG – Sanierungsturbo oder Rohrkrepierer?

Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen – seit 01.03.2012 in Kraft, erste Erfahrungen

Von Guido Kutscher, Halle (Salle | Prof. Dr. iur. Lucas F. Flöther, Magdeburg

Ein Gespräch zwischen Insolvenzverwalter und anwaltlichem Berater von Unternehmen und Gläubigern.

Guido Kutscher (li.) und Prof. Dr. Lucas F. Flöther (re.)

Guido Kutscher
In der Beratungspraxis von Unternehmen und wirtschaftlich tätigen Institutionen begegnet mir vermehrt der Wunsch, ein sog. Schutzschirmverfahren einzuleiten. Dabei fällt auf, dass durchaus eine falsche Vorstellung von diesem Verfahren besteht und häufig die Notwendigkeit einer Sanierung noch gar nicht betrachtet wurde.

Prof. Dr. Lucas F. Flöther
Das kann ich bestätigen. Nach der Rechtsänderung dürfen auch Insolvenzverwalter in allgemeiner Form über den Gang eines Insolvenzverfahrens und dessen Folgen beraten, ohne dass dies einer späteren Bestellung entgegensteht. Gerade beim sog. Schutzschirmverfahren ist Unternehmen häufig nicht bewusst, dass es sich auch hierbei um ein Insolvenzverfahren handelt und die Einleitung die Stellung eines Insolvenzantrages voraussetzt. Hinzu kommt, dass der Markt auf die Einleitung dieses Verfahrens genauso reagiert wie im regulären Insolvenzverfahren (Kündigung von Darlehen, Lieferanten bestehen auf Vorkasse etc.). Deshalb bedarf es einer fachkundigen Vorbereitung.

Guido Kutscher
Ich meine auch, dass das Schutzschirmverfahren längst nicht für alle Unternehmensstrukturen geeignet ist. Denn das Verfahren wird in Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters durchgeführt. Für Gläubiger, insbesondere Banken, stellt sich dabei die Frage, warum die Krise gerade in Eigenverwaltung überwunden werden soll, wenn die handelnden Personen weiterhin tätig bleiben.

Prof. Dr. Lucas F. Flöther
In der Regel ist es erforderlich, einen Interimsmanager oder Berater mit Sanierungs- und Insolvenzerfahrung im Unternehmen zu installieren. Das ist ein Kostenfaktor. Parallel dazu wird durch das Insolvenzgericht ein unabhängiger Sachwalter bestellt, der eine Kontroll- und Überwachungsfunktion ausübt.

Guido Kutscher
Den das Unternehmen mitbringen kann?

Prof. Dr. Lucas F. Flöther
Ja. Allerdings zeigen die ersten Erfahrungen, dass es sinnvoll ist, dass dieser Sachwalter nicht nur von dem Unternehmen, sondern auch von den Gläubigern und nicht zuletzt dem Insolvenzgericht getragen wird. Bei der Auswahl ist also Fingerspitzengefühl und Erfahrung der Berater des Unternehmens gefragt.

Guido Kutscher
Und es gibt natürlich auch ein zeitliches Problem. Der Insolvenzantrag wird mit einem Antrag auf Fristbestimmung zur Vorlage eines Insolvenzplans verbunden. Die Frist darf aber höchstens drei Monate betragen. Danach entscheidet das Gericht über den Insolvenzantrag. Es wird letztlich ein Insolvenzverfahren eröffnet.

Prof. Dr. Lucas F. Flöther
Die Frist ist sehr kurz. Das Verfahren mündet damit in der Regel zwangsläufig in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Aber nach Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens kann dann die Sanierung mit einem Insolvenzplan erfolgen. Gerade in aktuellen Fällen hat sich gezeigt, dass das eingeleitete Schutzschirmverfahren nicht zum Erfolg geführt hat und schließlich ein Insolvenzverwalter bestellt wurde. Der Schutzschirm birgt somit auch die Gefahr, dass das Gegenteil erreicht und wertvolle Zeit verschenkt wird.

Guido Kutscher
Nun sind auch die Gläubigerrechte gestärkt worden. Es wird unter gewissen Voraussetzungen bereits im vorläufigen Insolvenzverfahren ein Gläubigerausschuss eingesetzt. Auf den ersten Blick eine echte Verbesserung.

Prof. Dr. Lucas F. Flöther
Ich meine, nicht nur auf den ersten Blick. Auch hier ist zunächst das Geschick insolvenzerfahrener Unternehmensberater und Rechtsanwälte gefragt. Denn der Gläubigerausschuss ist paritätisch zu besetzen und muss letztlich vom Insolvenzgericht akzeptiert und eingesetzt werden. Bei der Verwalterwahl und der Sanierung hat der Gläubigerausschuss ein gewichtiges Wort mitzureden.

Guido Kutscher
Allerdings haben sich bereits in den ersten Monaten seit Geltung der neuen gesetzlichen Regelung echte Problemstellungen gezeigt. Gläubigerausschussmitglieder unterliegen der Verschwiegenheit, die auch gegenüber dem Auftrag- oder Arbeitgeber gilt. Weiterhin sind die Ausschussmitglieder frei von Weisungen ihrer Auftrag- oder Arbeitgeber.

Prof. Dr. Lucas F. Flöther
Worin liegt denn das Problem? Ein professionell besetzter Gläubigerausschuss, ob im vorläufigen oder eröffneten Insolvenzverfahren, unterstützt den (vorläufigen) Insolvenzverwalter und begleitet die Unternehmensfortführung bzw. -sanierung. Er kann also unmittelbar Einfluss auf den Gang des Insolvenzverfahrens nehmen.

Guido Kutscher
Ich habe Banken und sonstigen institutionellen Gläubigern bisher empfohlen, als juristische Person im Ausschuss tätig zu sein. Dann können Vertreter entsandt werden, etwa auch ein Rechtsanwalt. Bei genauer Betrachtung bestehen dann aber Interessenkonflikte, sowohl beim anwaltlichen Vertreter, als auch bei den Vertretern des Gläubigers. So scheint mir ausgeschlossen, dass ein für den Mandanten im Gläubigerausschuss tätiger Rechtsanwalt, den Mandanten dann im Insolvenzverfahren vertreten könnte. Gleiches dürfte auch für eine Vertretung gegen den Insolvenzverwalter gelten. Und auch für den Banksachbearbeiter scheinen mir Probleme zu bestehen.

Prof. Dr. Lucas F. Flöther
Das stimmt. In dieser Konstellation ist ein Interessenkonflikt nicht ausgeschlossen. Gläubigerausschussmitglieder tragen eine hohe Verantwortung und sind in aller Regel im Insolvenzrecht sehr erfahren. Wenn die Unternehmen professionelle Unterstützung erhalten, bietet das neue Recht gute Ansätze, um in Deutschland eine Sanierungskultur zu etablieren.

Guido Kutscher
Bleiben wir also im Gespräch und leisten mit unseren jeweiligen Tätigkeiten einen Beitrag hin zu einer Sanierungskultur, die Unternehmenssanierung nicht als Makel, sondern als Chance begreift. Wenn „Sanierungsturbo“ als früher Beginn einer Krisenanalyse mit professioneller Unterstützung und der Einleitung von Sanierungsmaßnahmen verstanden wird, muss die Sanierung nicht als „Rohrkrepierer“ enden.

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