Artikel erschienen am 01.11.2013
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Das Unternehmertestament als Teil der Nachfolgeregelung

Von Christine Albert, Halle (Saale

Nach einer Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn stehen in Deutschland jährlich ca. 22 000 Familienunternehmen (mit ca. 290 000 Beschäftigten!) vor der Lösung der Nachfolgefrage. Etwa nur 2/3 aller Unternehmensübergaben erfolgen planmäßig. Von vielen Betroffenen wird die Notwendigkeit einer frühzeitigen Nachfolgeplanung aufgrund des komplexen Regelungsbedarfs, unüberschaubarer gesetzlicher Vorschriften und nicht zuletzt auch aus emotionalen Gründen verdrängt, was bei unvorhersehbaren externen Ereignissen (wie Tod oder Erkrankung des Unternehmers) zur existenziellen Gefährdung des Unternehmens führen kann.

Die wesentlichen Ziele der Vermögensnachfolgeplanung bei Betrieben, insbesondere mittelständischen Familienunternehmen, sind:

  • die Sicherung des Fortbestands des Unternehmens, insbesondere der optimale Erhalt des Betriebsvermögens,
  • die Absicherung gegen Belastungen durch Abfindungs- bzw. Pflichtteilszahlungen und/oder durch Erbschaftsteuer und mögliche Entnahmegewinne,
  • die Versorgung der Familie des Übergebers.

Es ist empfehlenswert, die Unternehmensnachfolge im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, also bereits durch lebzeitige Übertragung des Betriebes mit gleichzeitiger Einführung und Förderung des Nachfolgers und gegebenenfalls flankierender Abfindung „weichender Geschwister“, zu vollziehen.

Daneben gehört jedoch auch die Vorsorge durch testamentarische Verfügungen zum wichtigsten Instrumentarium einer verantwortungsvollen Nachfolgeplanung. Lediglich 1/3 aller Unternehmer soll derzeit ein Testament errichtet haben, obwohl inzwischen Kreditinstitute diesbezügliche Sicherheiten fordern.

Bei der Gestaltung eines Unternehmertestaments sind regelmäßig komplexe Fragen des Erbrechts, des Gesellschaftsrechts, des Familienrechts und des Steuerrechts zu berücksichtigen, weshalb die Einbeziehung fachkundiger Berater dringend zu empfehlen ist. Laienhaft errichtete Testamente stiften gerade auch im Bereich der Unternehmensnachfolge mit ihrer herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung oft mehr Streit als Rechtsfrieden.

Ziel einer fachgerechten Gestaltung des Unternehmertestaments ist es, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften sinnvolle Regelungen zu finden, die auf den betreffenden Unternehmer, sein Vermögen, seine Erben und das Unternehmen selbst individuell zugeschnitten sind. So werden die Regelungsinhalte des Unternehmertestaments eines jungen Unternehmensgründers mit minderjährigen Kindern erheblich abweichen von denen eines kurz vor dem Ruhestand stehenden Inhabers eines über Generationen gewachsenen Familienbetriebes, in dem der designierte Nachfolger schon in leitender Position im Unternehmen tätig ist.

Als wesentliche Gestaltungsprinzipien für das Unternehmertestament sind folgende Punkte zu beachten, wobei sich die Darstellung auf wesentliche zentrale Aspekte beschränkt und wegen der Komplexität und Individualität der Thematik keinerlei abschließenden Charakter hat:

1.

Hauptzweck des Unternehmertestaments ist es, die Unternehmensnachfolge einfach, eindeutig und wirksam zu regeln, um jeden späteren Rechtsstreit um die Person des Nachfolgers und ein etwaiges „Machtvakuum“ zu vermeiden. Es ist daher sicherzustellen, dass der Unternehmensnachfolger nach dem Erbfall so schnell wie möglich feststeht, und insbesondere von Regelungen abzuraten, wonach die Bestimmung des Nachfolgers erst nach dem Erbfall nach bestimmten Kriterien durch einen Dritten vorzunehmen ist.

Auch die Entstehung einer Erbengemeinschaft sollte vermieden werden, da diese auf jederzeitige Auseinandersetzung angelegt ist und die Erben sich gegenseitig blockieren können. Sie ist daher zur Fortführung des Unternehmens ungeeignet.

2.

Da in der Regel erhebliche Vermögenswerte in Rede stehen und zahlreiche Aspekte und Interessen zu berücksichtigen sind, führen die in die Zukunft gerichteten Sorgen des Erblasser und dessen Wunsch, seinem Willen weit über den Tod hinaus Geltung zu verschaffen, oftmals zu komplexen letztwilligen Verfügungen, die beispielsweise dem Nachfolger Schranken auferlegen oder den Verbleib des Unternehmens in der Familie sichern sollen. Vor (zu) komplizierten Nachfolgeregelungen ist jedoch zu warnen. So sollte möglichst von der Anordnung einer langfristigen Testamentsvollstreckung oder einer Vor- und Nacherbfolge abgesehen werden, da diese nicht mit der vorrangigen Zielsetzung vereinbar sind, klare Strukturen zu schaffen, die auch bei Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Bestand haben.

3.

Keinesfalls sollte die Regelung der Unternehmensnachfolge durch vertragsmäßig bindende Vereinbarung mit Dritten (wie etwa durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament) erfolgen, da sie flexibel bleiben und insbesondere einer regelmäßigen Überprüfung zugänglich sein muss. Die Auswahl des Unternehmensnachfolgers ist eine so sensible Entscheidung, dass sie mit einer dauerhaft bindenden testamentarischen Verfügung in der Regel nicht vereinbar ist.

4.

Entscheidend hängt die Gestaltung des Unternehmer­testaments davon ab, in welcher Rechtsform das
Unternehmen geführt wird. Handelt es sich um ein einzelkaufmännisches Unternehmen, so gehen sämtliche Aktiva und Passiva des Unternehmens mit dem Erbfall auf den oder die Erben über. Wie bereits ausgeführt, ist eine Erbengemeinschaft zur Führung des Unternehmens ungeeignet. Soll jedoch das Unternehmen durch mehrere Erben fortgeführt werden, so sollte der Erblasser dringend erwägen, das einzelkaufmännische Unternehmen noch zu Lebzeiten in eine andere Rechtsform umzuwandeln, z. B. eine GmbH oder eine KG, etwa unter Aufnahme der designierten Erben als Kommanditisten.

Wird das in den Nachlass fallende Unternehmen als Personengesellschaft (GbR, OHG, KG) geführt, sind zwingend die gesetzlichen gesellschaftsrechtlichen Normen sowie die gesellschaftsvertraglichen Vorgaben bei der Testamentsgestaltung zu berücksichtigen. Bereits die Frage der Vererblichkeit einer Beteiligung an sich kann durch Gesellschaftsrecht oder Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen sein. So wird beispielsweise eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts beim Tod eines Gesellschafters mangels anderweitiger gesellschaftsvertraglicher Regelung aufgelöst, in den Nachlass fällt lediglich die Mitgliedschaft an der Liquidationsgesellschaft. Die OHG dagegen besteht beim Tod eines persönlich haftenden Gesellschafters fort, der verstorbene Gesellschafter scheidet aber – mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag – aus der Gesellschaft aus. In den Nachlass fällt allein ein etwaiger Abfindungsanspruch; eine im Testament des Unternehmers etwa angeordnete Nachfolgeregelung geht ins Leere!

Auch kann die Vererblichkeit eines Anteils zwar im Gesellschaftsvertrag grundsätzlich zugelassen, jedoch an bestimmte Vorgaben gebunden sein, da sich die Gesellschafter nicht jeden möglichen Erben als Nachfolger „aufdrängen lassen“ müssen.

Die gesellschaftsvertraglichen Vorgaben sind regelmäßig vorrangig und bei der Abfassung des Testaments von entscheidender Bedeutung.

Die Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sind grundsätzlich vererblich und fallen in den Nachlass des Unternehmers. Auch bei einer Beteiligung des Unternehmers an einer Kapitalgesellschaft ist es jedoch unerlässlich, die letztwillige Verfügung mit den gesellschaftsvertraglichen Vorgaben abzugleichen. So kann der Gesellschaftsvertrag die „zwangsweise Einziehung“ des Geschäftsanteils bzw. der Aktien im Todesfall zulassen.

5.

Bei der Gestaltung des Testaments immer zu beachten sind Pflichtteilsrechte von Abkömmlingen, des Ehegatten oder der Eltern des Unternehmers, da diese – neben der steuerrechtlichen Komponente – erhebliche Auswirkungen auf die Liquidität des Unternehmens haben können. Sie können insbesondere auch dann eine Rolle spielen, wenn die pflichtteilsberechtigten Erben im Testament mit weniger als der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils bedacht oder mit Beschränkungen wie beispielsweise einer Testamentsvollstreckung oder mit Vermächtnissen beschwert wurden. Das effektivste Mittel zur Pflichtteilsvermeidung ist der Pflichtteilsverzicht, der als zwingend notariell zu beurkundender Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Pflichtteilsberechtigten vereinbart werden kann. Dieser Pflichtteilsverzicht kann auch dahin eingeschränkt werden, dass er sich allein auf den Wert des Unternehmens bzw. die unternehmerische Beteiligung bezieht. Falls ein Pflichtteilsverzicht nicht möglich ist, ist vor dem Hintergrund des individuellen Sachverhalts zu klären, ob andere probate Möglichkeiten der Pflichtteilsreduzierung zur Verfügung stehen, wie beispielsweise durch vorweggenommene Erbfolge oder gesellschaftliche Regelungen.

Fazit

Das Unternehmertestament ist wichtiger Bestandteil einer Reihe von Maßnahmen der Unternehmensnachfolge, zu denen insbesondere und flankierend Pflichtteilsverzichte und Abfindungen durch vorweggenommene Erbfolge, ehevertragliche und gesellschaftsvertragliche Regelungen und die Erteilung von Vollmachten gehören. Die Einbeziehung von Angehörigen der steuer- und rechtsberatenden Berufe bei der Gestaltung des Unternehmertestaments sowie der Unternehmensnachfolge im Allgemeinen ist dringend angeraten. Die Regelungen sollten einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen und insbesondere bei Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst werden.

Foto: panthermedia/Ingeborg Knol

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