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Eigenes Landesvergabegesetz in Sachsen-Anhalt

Von Dr. iur. Michael Moeskes, Magdeburg

1. Andere Schwellenwerte

Dieses Gesetz gilt für die Vergabe öffentlicher Aufträge in Sachsen-Anhalt und knüpft dabei an das bisherige Vergaberecht und weiter geltende Gesetze des Bundes an (§ 99 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB). Die Schwellenwerte des Landesvergabegesetzes weichen von den Schwellenwerten des Bundesrechtes ab. Die Schwellenwerte, ab denen Vergabeverfahren von diesem Gesetz erfasst werden, werden durch die Landesregierung festgelegt und durch das für das öffentliche Auftragswesen zuständige Ministerium im Ministerialblatt bekannt gegeben. Ist kein Schwellenwert genannt, beträgt er 25 000 Euro bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, 50 000 Euro bei Bauaufträgen bei einem geschätzten Auftragswert von 50 000 Euro.

Dabei ist es möglich, dass das Ministerium Auftragswerte festlegt, bis zu deren Erreichung eine Auftragsvergabe wegen einer beschränkten Ausschreibung bei einer freihändigen Vergabe zulässig ist.

Das Landesvergabegesetz vom 19.11.2012 wurde auf Beschluss des Landtages durch das Gesetz zur Änderung dieses Landesvergabegesetzes vom 30.07.2013 im Hinblick auf die Schwellenwerte vorübergehend wesentlich geändert: Für die Vergabe öffentlicher Aufträge, deren Gegenstand in räumlichem und sachlichem Zusammenhang mit den Hochwasserereignissen im Mai und Juni 2013 steht, werden die Schwellenwerte bis zum 30.07.2014 ersetzt, sofern dringende und zwingende Gründe bestehen. Bei Bauaufträgen ist dies ein geschätzter Auftragswert von 5 Mio. Euro ohne Umsatzsteuer, bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen ein geschätzter Auftragswert von 200 000 Euro ohne Umsatzsteuer.

2. Anwendungsbereich

Das Landesvergabegesetz gilt wie das Bundes-GWB nicht nur für das Land direkt, sondern auch für sämtliche Kommunen und sämtliche der Aufsicht des Landes unterstehenden anderen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Dies gilt grundsätzlich auch für juristische Personen des Privatrechts, soweit diese auch dem Vergaberecht des Bundes unterfallen würden. Insbesondere sind dies Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. Dabei kann nach der Rechtsprechung, insbesondere der des Europäischen Gerichtshofes, eine Ausschreibungspflicht bereits vorliegen, wenn die Beteiligung der öffentlichen Hand sogar weit unter 50 % liegt.

3. Mittelstandsförderung

Dieses Gesetz bezweckt ausdrücklich eine Mittelstandsförderung. Hiernach sind auch öffentliche Auftraggeber verpflichtet, kleine und mittlere Unternehmen bei beschränkten Ausschreibungen und freihändigen Vergaben „in angemessenem Umfang“ zur Angebotsabgabe aufzufordern. Unabhängig von der Verpflichtung zur Teilung in Fach- oder Teillose ist das Vergabeverfahren so zu wählen und sind die Werbevorlagen so zu gestalten, dass kleine und mittlere Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen und beim Zuschlag berücksichtigt werden können.

Bei der Vergabe gilt der Grundsatz, dass Aufträge nur an fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben werden dürfen. Damit eröffnet und benennt das Gesetz die Berücksichtigung sozialer, umweltbezogener und innovativer Kriterien im Vergabeverfahren sowie technischer Spezifikationen. Soziale Belange sind zu berücksichtigen (Beschäftigung von Auszubildenden, qualitative Maßnahmen zur Familienförderung, Sicherstellung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern). Hierzu gehören auch sozialrechtliche Belange (siehe § 141 S. 1 SGB IX).

Zudem ist auch die Berücksichtigung von Umweltbelangen zulässig, und zwar insbesondere dann, wenn diese zu zusätzlichen Einsparungen führen.

Ferner können bei der technischen Spezifikation eines Auftrages Umwelteigenschaften und -auswirkungen bestimmter Warengruppen oder Dienstleistungen auf die Umwelt festgelegt werden.

4. Berücksichtigung öffentlicher Belange

Vor Erteilung eines Zuschlages hat der öffentliche Auftraggeber sowohl nach Bundes- als auch nach Landesrecht zu prüfen, ob der Bieter die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzt. Das Landesvergabegesetz von Sachsen-Anhalt nimmt nunmehr ausdrücklich auch auf, dass ein Bieter, der gegen eine arbeitnehmerschützende Rechtsvorschrift verstößt, ausgeschlossen werden „kann“. Das Gleiche gilt bei einem Verstoß gegen eine Vorschrift des Umweltrechts oder gegen eine Rechtsvorschrift über unrechtmäßige Absprachen bei öffentlichen Aufträgen. Dies ist dann bedeutsam, wenn der Verstoß mit einem rechtskräftigen Urteil oder einem Beschluss mit gleicher Wirkung geahndet wurde und eine schwere Verfehlung darstellt, durch die die Zuverlässigkeit des Bieters infrage gestellt ist.

Im Rahmen der zu überprüfenden technischen Fachkunde können Umweltbelange Berücksichtigung finden. Der öffentliche Auftraggeber kann mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende und ihm angemessene Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit des Bieters aufstellen, die in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen anzugeben sind. Die weiteren Einzelheiten sind in § 7 Abs. 3 und Abs. 4 des Landesvergabegesetzes geregelt.

Bei gleichwertigen Angeboten werden diese als zusätzliche Belange für die Vergabe herangezogen, sofern in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen angegeben.

5. Berücksichtigung aller Umstände

Wie im Bundesvergaberecht ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung „aller Umstände wirtschaftlichste Angebot“ zu erteilen. Auch hier gilt, wie im Bundesrecht, dass der niedrigste Angebotspreis nicht entscheidend ist. Was dies in der Praxis bedeutet, bleibt abzuwarten.

6. Präventiver Rechtsschutz

Im Wesentlichen neu ist zudem, dass unterhalb der Schwellenwerte des Bundesgesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ein präventiver Rechtsschutz vor der Zuschlagserteilung möglich ist. Dies ist sehr bedeutsam. Hierzu gilt folgende gesetzliche Regelung: Unterhalb der Schwellenwerte informiert der öffentliche Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, und über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebotes. Er gibt die Information schriftlich, spätestens sieben Kalendertage vor dem Vertragsabschluss, ab. Beanstandet ein Bieter vor Ablauf der Frist schriftlich beim öffentlichen Auftraggeber die Nichteinhaltung der Vergabevorschriften und hilft der öffentliche Auftraggeber der Beanstandung nicht ab, ist die Nachprüfungsbehörde durch Übersendung der vollständigen Vergabeakten zu unterrichten. Der Zuschlag darf in dem Fall nur erteilt werden, wenn die Nachprüfungsbehörde nicht innerhalb von vier Wochen nach Unterrichtung das Vergabeverfahren mit Gründen beanstandet. Der Vorsitzende der Vergabekammer kann diese Frist im Einzelfall um zwei Wochen verlängern. Wird das Vergabeverfahren beanstandet, hat der öffentliche Auftraggeber die Entscheidung der Nachprüfungsbehörde umzusetzen. Die Frist beginnt am Tag nach dem Eingang der Unterrichtung.

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