Artikel erschienen am 28.10.2014
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Das Begünstigungskonzept für Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht

Von Prof. Dr. iur. Gerhard Kraft, Halle (Saale | Elisabeth Schulz B.A., Halle (Saale

I. Ziel des Gesetzgebers

Um die mittelständische Wirtschaft vor kurzfristig hohen Belastungen, insbesondere beim Betriebsübergang, zu schützen, sind stabile steuerliche Rahmenbedingungen erforderlich. Diesem Grundsatz folgend eröffnet das deutsche Erbschaftsteuergesetz Betrieben unter bestimmten Voraussetzungen für den Fall der Betriebsübertragung durch Schenkung oder von Todes wegen eine weitgehende Verschonung ihres in besonderer Weise dem Gemeinwohl dienenden unternehmerischen Vermögens. Hierdurch soll die Erbschaftsteuerbelastung sowohl planbar als auch verkraftbar gehalten werden, was in der Folge den Schutz der Liquidität, aber auch die Sicherung von Investitionen und Arbeitsplätzen in den Betrieben mit sich bringen soll.

II. Überblick

Der folgende Beitrag soll zunächst einen Überblick über das erbschaftsteuerliche Begünstigungskonzept der §§ 13a, 13b ErbStG liefern.

Da die angesprochenen Regelungen derzeit hinsichtlich ihrer Verfassungskonformität einer grundlegenden Prüfung unterliegen, sollen anschließend aktuelle Problemfelder und sich daraus ergebende Handlungsempfehlungen für betroffene Betriebe beleuchtet werden.

III. Wirkungsweise

Das Begünstigungskonzept gilt sowohl für inländisches Betriebsvermögen, als auch für Anteile an Kapitalgesellschaften, an denen der Erblasser oder Schenker zu mehr als 25 % beteiligt ist bzw. war, sowie für land- und forstwirtschaftliches Vermögen.

Im Wesentlichen wird zwischen zwei unterschiedlichen Modellen unterschieden, die im Folgenden grob skizziert werden:

Nach dem Grundmodell (oder auch „Regelverschonung“) wird eine Steuerbefreiung i. H. v. 85 % gewährt, soweit die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • a) Verwaltungsvermögensregelung: Das begünstigte Vermögen darf nicht zu mehr als 50 % aus sog. Verwaltungsvermögen bestehen. Zum Verwaltungsvermögen gehören bspw. Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke oder auch Wertpapiere und Kunstgegenstände mit bestimmten Branchenausnahmen. Der durch den Gesetzgeber verfolgte Zweck dieser Anforderung besteht darin, Vermögen, das der weitgehend risikolosen Renditeerzielung dient und weder zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt noch zusätzliche volkswirtschaftliche Leistungen bewirkt, von der Begünstigung auszunehmen.
  • b) Lohnsummenregelung: Innerhalb von 5 Jahren nach Betriebsübergang dürfen insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme (durchschnittliche Lohnsumme der letzten 5 Jahre vor dem Erwerb) nicht unterschritten werden. Diese Voraussetzung ist nicht zu erfüllen, soweit die Ausgangslohnsumme 0 Euro beträgt oder der jeweilige Betrieb nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt. Der mit diesem Kriterium verfolgte Zweck besteht darin, die bei Vermögensübergang vorhandenen Arbeitsplätze auch in den Folgejahren in bestimmtem Umfang zu erhalten.
  • c) Behaltensfrist: Eine Übertragung des Betriebsvermögens bspw. durch Verkauf des Unternehmens oder durch Betriebsaufgabe innerhalb von 5 Jahren ab dem Erwerbszeitpunkt darf nicht stattfinden. Hiervon ausgeschlossen ist jedoch eine Übertragung von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden.

Sind die Voraussetzungen des Grundmodells erfüllt, kommt es lediglich zur sofortigen Steuerpflicht der verbleibenden 15 % des Betriebsvermögens. Allerdings wird dem Steuerpflichtigen ein zusätzlicher (degressiv ausgestalteter) Abzugsbetrag i. H. v. max. 150 000 Euro gewährt. Soweit das verbleibende Betriebsvermögen die Wertgrenze von 150 000 Euro übersteigt, schmilzt der Abzugsbetrag i. H. v. 50 % des übersteigenden Betrags ab. Beträgt der Wert des Betriebsvermögens also insgesamt 2,5 Mio. Euro (davon also 375 000 Euro nicht begünstigt) reduziert sich der zulässige Abzugsbetrag von ursprünglich 150 000 Euro auf lediglich 37 500 Euro.

Darüber hinaus kann auf Antrag auch das sog. „Op­tionsmodell“ gewählt werden, wonach das begünstigte Betriebsvermögen in vollem Umfang verschont bleibt. Diese vollständige Steuerfreiheit wird ausschließlich dann erreicht, wenn der Anteil des Verwaltungsvermögens 10 % nicht überschreitet, die Lohnsumme innerhalb der folgenden 7 Jahre 700 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet und keine Übertragung des Betriebsvermögens innerhalb der folgenden 7 Jahre stattfindet.

Wird gegen die Lohnsummenregelung oder gegen die Behaltensregelung verstoßen, d. h. werden die Voraussetzungen zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb der 5- bzw. 7-Jahresfrist nicht erfüllt, entfällt der Verscho-nungsabschlag zeitanteilig. In der Folge fällt für den betreffenden Zeitraum im Nachgang anteilig Erbschaftsteuer an.

IV. Aktuelle Entwicklungen

Derzeit liegt das Erbschaftsteuergesetz bereits zum dritten Mal innerhalb von 20 Jahren dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur verfassungsrechtlichen Prüfung vor (Az. 1 BvL 21/12). Auslöser dafür waren erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuerrechts, die insbesondere hinsichtlich des erbschaftsteuerlichen Begünstigungskonzepts bestehen.

Im Fokus der zunächst durch des FG Düsseldorf (Urt. v. 12.01.2011 – Az. 4 K 2574/10; EFG 2011, 1079) und nun auch durch den BFH geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken (Vorlagebeschl. v. 27.09.2012 – Az. II R 9/11) steht die mangelnde Vereinbarkeit des erbschaftsteuerlichen Begünstigungskonzepts mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), nach dem der Gesetzgeber weder wesentlich Gleiches ungleich noch wesentlich Ungleiches gleich behandeln darf. Eine Besserstellung des Betriebsvermögens gegenüber dem Privatvermögen könne ausschließlich dann zulässig sein, wenn ausreichende Sach- und Gemeinwohlgründe vorliegen. Ist dies nicht der Fall, wird jedoch auf das Vorliegen einer verfassungswidrigen Überprivilegierung geschlossen.

Der BFH begründet seine Sichtweise insbesondere damit, dass zum einen nicht unterstellt werden könne, dass die Erbschaftsteuer typischerweise die Betriebsfortführung gefährde. Zum anderen könne eine Freistellung des Betriebsvermögens nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Erwerbs und die Leistungsfähigkeit des Erwerbers gerechtfertigt werden.

Das Begünstigungskonzept weist gemäß der Auffassung des BFH ferner einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang auf, da dem Erblasser bzw. dem Schenker die Möglichkeit eröffnet werde, nach dem Willen des Gesetzgebers nicht begünstigte, private Vermögensgegenstände durch einfache rechtliche Gestaltungen zu steuerbegünstigtem Vermögen umzuwandeln.

Betrachte man also das erbschaftsteuerliche Begünstigungskonzept im Zusammenhang mit den Freibeträgen des § 16 ErbStG und den sich für den Steuerpflichtigen ergebenden zahlreichen anderen Verschonungen, stelle die Steuerbefreiung den Regelfall und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme dar.

Im Ergebnis resultiere aus diesen Verfassungsverstößen – so der BFH – eine durchgehende, das gesamte Gesetz erfassende und verfassungswidrige Fehlbesteuerung. Die Entscheidung des BVerfG bleibt aber abzuwarten.

V. Handlungsempfehlung

Eine Entscheidung über die Verfassungskonformität der erbschaftsteuerlichen Begünstigungsregelungen wird voraussichtlich im Spätherbst erwartet. Derzeit steht der Steuerpflichtige deshalb vor der Fragestellung, ob er Schenkungen von Betriebsvermögen unter dem aktuell geltenden Recht oder erst nach Entscheidung durch das BVerfG durchführen sollte. Geht man davon aus, dass das BVerfG eine Unvereinbarkeit des Erbschaftsteuergesetzes mit dem Grundgesetz feststellt, bleibt das derzeit geltende Recht in der Regel zunächst noch bis zu einer dem Gesetzgeber auferlegten Nachbesserungsfrist anwendbar.

Fazit

Aufgrund möglicher Verschlechterungen, insbesondere hinsichtlich der erbschaft- und schenkungssteuerlichen Begünstigungen für Unternehmensvermögen, sollte bei der Planung anstehender Betriebsübertragungen ein mittel- bis langfristiges Konzept unter Einbeziehung spezialisierter steuerlicher Beratung erarbeitet werden.

Foto: panthermedia/tomwang

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