Artikel erschienen am 25.10.2015
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Fehler in der Umsatzsteuerdeklaration

Gratwanderung zwischen Legalität und Kriminalität?

Von Catleen Plischke, Leipzig | Heiko Richter, Leipzig

Vor Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes im Jahr 2011 war die Einleitung von Steuerstrafverfahren wegen der verspäteten Abgabe oder der Korrektur von Umsatzsteuervoranmeldungen eher selten. Da in der Unternehmenspraxis häufiger Korrekturbedarf bei Umsatzsteuervoranmeldungen oder Umsatzsteuer-jahreserklärungen besteht, war diese Vorgehensweise der Finanzämter praxisgerecht.

Kriminalisierung von Unternehmen durch Ab­­schaffung der Teilselbst­anzeige

Dies hatte sich mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz und der Abschaffung der sog. „Teilselbstanzeige“ dramatisch geändert. Danach waren Korrekturen von Umsatzsteuer-Voranmeldungen mitunter als Selbstanzeige zu werten. Als solche mussten die in der Korrektur gemachten Angaben vollständig und richtig sein. Zudem mussten in dieser Erklärung die Umsatzsteuer und die Vorsteuer aller strafrechtlich noch nicht verjährten Besteuerungszeiträume deklariert werden, um die strafbefreiende Wirkung herbeizuführen, (sog. Vollständigkeitsgebot). Weitere strafbefreiende Korrekturen von Fehlern waren nach der ersten Korrektur nicht mehr möglich. Diese Vorgaben stellten ein nahezu unmögliches Unterfangen für die unternehmerische Praxis dar, weswegen die Wirtschaftsverbände Sturm gegen diese Neuregelung liefen.

Wiedereinführung der Teilselbst­anzeige bei Voranmeldungen

Der Gesetzgeber hatte zwischenzeitlich ein Einsehen. Aus diesem Grund sind seit dem 01.01.2015 Teilselbstanzeigen bei Umsatzsteuervoranmeldungen und mehrfache Korrekturen von Voranmeldungen wieder möglich.

Keine Teilselbstanzeige bei Umsatzsteuerjahreserklärungen

Für Umsatzsteuerjahreserklärungen bleibt es dagegen bei der bisherigen Rechtslage nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz. Hier besteht das Vollständigkeitsgebot fort und strafbefreiende Teilselbstanzeigen sind hier auch weiterhin nicht möglich.

Abgrenzung zwischen Berichtigung und Selbstanzeige schwierig

Trotz dieser Entschärfungen bei den Umsatzsteuervoranmeldungen bereitet die rechtssichere Abgrenzung zwischen der bloßen Berichtigung einer fehlerhaften Steuererklärung und der Selbstanzeige große Schwierigkeiten.

Die Berichtigung einer Steuererklärung hat u. a. zu erfolgen, wenn ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist. Der Steuerpflichtige hat dies dem Finanzamt unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.

Anders bei einer strafbefreienden Selbstanzeige. Diese ist abzugeben, wenn eine Steuerstraftat vorliegt. Sie unterliegt strengen Anforderungen: So hat der Steuerpflichtige zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben zu berichtigen, die unvollständigen Angaben zu ergänzen oder die unterlassenen Angaben nachzuholen, um Straffreiheit zu erlangen. Dabei müssen die Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre gemacht werden.

Wann kann berichtigt werden und wann ist eine Selbstanzeige abzugeben?

Während die strafbefreiende Selbstanzeige eine zuvor vorsätzlich oder zumindest leichtfertig begangene Steuerhinterziehung bzw. Steuerverkürzung voraussetzt, können bloß fehlerhaft erstellte Steuererklärungen, d. h. aufgrund einfacher Fahrlässigkeit unterlaufene Fehler, keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begründen und dementsprechend leichter korrigiert werden. Sind bei der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung bzw. einer Umsatzsteuererklärung Fehler unterlaufen, ist deshalb in einem ersten Schritt zu prüfen, wie der Fehler zustande gekommen ist. Dabei sind drei Fallgruppen zu unterscheiden.

Wird etwa die bisherige umsatzsteuerliche Abrechnungspraxis wohlwissend deren Unrichtigkeit fortgeführt, war sich der Erklärende seiner falschen Angaben bewusst und wollte diese, liegt eine (vorsätzliche) Steuerhinterziehung vor (Fallgruppe 1).

Legt dagegen der Erklärende der Steuerdeklaration eine unsorgfältige bzw. lückenhafte Buchhaltung zugrunde oder holt er bei Zweifeln an der korrekten steuerlichen Handhabung keinen Rechtsrat ein und vertraut dabei auf den Nichteintritt der drohenden Steuerverkürzung, so handelt er leichtfertig und führt eine Ordnungswidrigkeit in der Form einer Steuerverkürzung herbei (Fallgruppe 2).

Arbeitet der Erklärende hingegen schlichtweg schlampig, ohne dass sich eine Steuerverkürzung aufdrängt, indem bspw. ein Geschäftsführer eine Umsatzsteuerjahreserklärung in der Annahme unterschreibt, dass alle Angaben aufgrund der sorgfältig strukturierten innerbetrieblichen Prozesse korrekt sind und ihm der später hervorgetretene Fehler nicht erkennbar war, ist dies für ihn straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlich irrelevant (Fallgruppe 3).

Anforderungen an die Selbstanzeige bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung

Liegt eine vorsätzliche Steuerhinterziehung vor (Fallgruppe 1), ist eine Selbstanzeige erforderlich. Dabei ist in Bezug auf die Fehlerbehebung danach zu differenzieren, wann der Fehler entdeckt wurde. Tritt dieser vor Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung zutage, kann die Fehlerberichtigung in der Umsatzsteuervoranmeldung erfolgen, in welcher der Fehler unterlaufen ist. Wird der vermeintliche Fehler hingegen erst nach Einreichung der Jahreserklärung entdeckt, muss diese berichtigt werden. Hierbei sind die Anforderungen an die strafbefreiende Selbstanzeige strenger als bei der Berichtigung von Voranmeldungen. Deshalb sind nach dem Vollständigkeitsgebot alle Fehler der letzten zehn Jahre aufzugreifen und auszuräumen. Zudem ist keine weitere strafbefreiende Korrektur mehr möglich, wenn später noch weitere Fehler entdeckt werden. Die hinterzogenen Steuern sind unverzüglich nachzuentrichten. Zudem ist ab einer hinterzogenen Steuer von 25 000 Euro pro Kalenderjahr ein Strafzuschlag zu bezahlen.

Korrektur bei leichtfertiger Steuerverkürzung

Leichtfertig begangene Steuerverkürzungen (Fallgruppe 2) können mit bußgeldbefreiender Wirkung berichtigt werden. Dazu sind gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben zu korrigieren, die unvollständigen Angaben zu ergänzen oder die unterlassenen Angaben nachzuholen, bevor dem Erklärenden die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, wird eine Geldbuße nicht festgesetzt, wenn die aus der Tat verkürzten Steuern innerhalb einer bestimmten angemessenen Frist entrichtet werden.

Hier gilt das Vollständigkeitsgebot nicht, sodass Teilselbstanzeigen und auch Mehrfachberichtigungen möglich sind.

Berichtigung bei „Schlampigkeit“

Bei aufgrund einfacher Fahrlässigkeit fehlerhaften Erklärungen (Fallgruppe 3) sind nachträglich bekannt gewordene Fehler unverzüglich zu berichtigen. Die besonderen Anforderungen an Selbstanzeigen greifen nicht. Kommt der Erklärende dieser Berichtigungspflicht allerdings nicht unverzüglich nach, kann daraus eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen werden, die wiederum nur durch eine strafbefreiende Selbstanzeige aus dem Weg geräumt werden kann.

Fazit

Fehler und Korrekturen bei der Umsatzsteuererklärung bzw. der Umsatzsteuervoranmeldung sind im Unternehmen aufgrund der Masse der Geschäftsvorfälle an der Tagesordnung. Hierbei droht die Gefahr, mit dem Strafrecht in Konflikt zu kommen. Während die strengen Anforderungen an die Korrektur von Umsatzsteuervoranmeldungen wieder gelockert wurden, droht bei den Umsatzsteuererklärungen weiterhin Ungemach. Um auf der sicheren Seite zu stehen und im Falle auftretender Fehler dann wenigstens die richtige Korrektur zu wählen, sollte angesichts des Dickichts der Korrekturvorschriften stets professioneller Rat eingeholt werden.

Bild: Panthermedia/Sira Anamwong

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