Artikel erschienen am 01.02.2014
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Erfolgreicher Betriebserwerb aus der Krise und Insolvenz

Arbeitsrechtliche Besonderheiten und Gestaltungsoptionen

Von Dr. iur. Daniela Rossa-Heise, Hamburg | Alexander Oberreit, Hamburg

Das Arbeitsrecht gilt nicht selten als „Deal-Breaker“ bei dem Erwerb von Betrieben oder Betriebsteilen. Denn in derartigen Erwerbssituationen stoßen nicht selten die Interessen des Erwerbers an der Übernahme einer möglichst bereits vor Erwerb durchgeführten, an seinen Interessen und Bedürfnissen ausgerichteten Restrukturierung und die Vorgaben des individuellen und kollektiven Arbeitsrechtes aufeinander. Bestenfalls finden sich juristische Lösungen oder Lösungen im Verhandlungswege – im schlechtesten Fall scheitert die Übernahme vollständig.

Der vorliegende Beitrag zeigt auf, welche besonderen juristischen Lösungsmöglichkeiten dem Erwerber eines Betriebes zur Verfügung stehen, wenn sich dieser in einer Insolvenzsituation befindet.

I. Übertragende Sanierung

Der Erwerb von Betrieben in der Insolvenz wird auch als „übertragende Sanierung“ bezeichnet. Der Erwerber eines Unternehmens aus der Insolvenz wird aufgrund der Haftungskonsequenzen zumeist Vermögenswerte übernehmen wollen. Ein derartiger „Asset Deal“ stellt in der Regel einen Betriebsübergang nach § 613a BGB dar.

Mit einer übertragenden Sanierung werden im Regelfall erhebliche Personalanpassungsmaßnahmen verbunden sein, um den zu veräußernden Betrieb für einen Investor attraktiv zu machen und ihn dann schnell zu veräußern.

II. Rechtsfolgen des § 613a BGB und Strategien zur Vermeidung

Auf einen Betriebserwerb, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verkäufers durchgeführt wird, findet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) § 613a BGB zwar hinsichtlich seiner Bestandsschutzfunktionen Anwendung, d. h., die Arbeitnehmer gehen mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über, jedoch haftet der Erwerber nicht für solche Verbindlichkeiten, die vor der Verfahrenseröffnung entstanden sind. Dieses ermöglicht insbesondere, die oft erheblichen Versorgungsanwartschaften „abzuhängen“ und beim insolventen Unternehmensträger zu belassen. Der Erwerber haftet lediglich für den Teil der Betriebsrentenansprüche, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdient wird. Auch rückständige Gehaltszahlungen fallen damit nicht dem Erwerber zur Last.

Neben der Bereinigung von Altersansprüchen und sonstigen vorinsolvenzlichen Forderungen wird der Erwerber eines Betriebes gerade in der Insolvenz das Erfordernis einer Personalreduzierung erkennen – sei es, weil er aufgrund einer Integration des Betriebes in sein Unternehmen Synergieeffekte erzielt oder Doppelbesetzungen vermeiden möchte oder weil die bisherige Personalkapazität unangemessen hoch ist. In diesen Fällen hat der Erwerber – anders als bei dem Erwerb außerhalb der Insolvenz – die Möglichkeit, die Restrukturierung bereits vor der Übernahme durch den Insolvenzverwalter durchführen zu lassen. Außerhalb der Krise kann der Erwerber eines Betriebes eine Restrukturierung erst nach der Übernahme durchführen. Damit entsteht häufig das Problem, dass bei einem Personalabbau auch die bereits vorher beim Erwerber vorhandene „Stammbelegschaft“ aufgrund der Vorgaben zur Sozialauswahl von Kündigungen betroffen ist. In diesen Fällen noch eine gelungene Integration der Stammbelegschaft und der neuen Belegschaft zu realisieren, dürfte entsprechend selten gelingen. Für den Fall der Insolvenz hat die Rechtsprechung dieses gravierende Problem gesehen und erkannt, dass bei einer Geltung dieser Regeln auch in der Insolvenz nur noch wenige Erwerber derartige Risiken eingehen würden. Zum Personalabbau vor Übernahme sind danach folgende Gestaltungen von der Rechtsprechung akzeptiert:

1. Kündigung nach Erwerberkonzept

Eine Gestaltungsmöglichkeit ist die „Kündigung des Betriebsveräußerers aufgrund eines Erwerberkonzepts“. Der Insolvenzverwalter kann auf Basis eines vom Erwerber entwickelten Personalkonzepts vor der Übertragung einen Personalabbau umsetzen. Dabei kann der Insolvenzverwalter die kurze Kündigungsfrist (§ 113 InsO) und die weiteren besonderen arbeitsrechtlichen Instrumente (§§ 120 ff. InsO) nutzen (s. hierzu unter II. 3.). Nach der Rechtsprechung des BAG steht die Kündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts nicht im Widerspruch zum Kündigungsverbot des
§ 613a Abs. 4 BGB.

Das Erwerberkonzept muss nachvollziehbar darlegen, welche betrieblichen Veränderungen zu einem Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führen. Zudem muss das Erwerberkonzept verbindlich sein und seine Durchführung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits greifbare Formen angenommen haben.

Der Erfolg eines Personalabbaus aufgrund eines Erwerberkonzepts kann darüber hi-naus abgesichert werden, wenn der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich vereinbart, in dem die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnet sind – „Interessenausgleich mit Namensliste“, § 125 InsO.

2. Transfergesellschaft

Zur Bewältigung eines umfangreichen Personalabbaus in einer Unternehmenskrise hat sich auch der Einsatz einer „Transfergesellschaft“ in der Praxis als geeignetes und zulässiges Mittel etabliert. Grundgedanke der Transfergesellschaft ist der zügige Personalabbau beim insolventen Arbeitgeber bei gleichzeitiger Rechtssicherheit durch einvernehmliche Überleitung der Arbeitnehmer in die Transfergesellschaft. Rechtlich wird dies durch einen Aufhebungsvertrag zwischen dem jeweiligen Arbeitnehmer und dem Insolvenzverwalter sowie einen neuen Arbeitsvertrag zwischen jeweiligem Arbeitnehmer und Transfergesellschaft (auch als sog. „dreiseitiger Vertrag“) umgesetzt. Zeitlich nachgeschaltet ist die Übernahme eines Teils der Arbeitnehmer durch den Erwerber durch Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses. Auf diese neu begründeten Arbeitsverhältnisse findet
§ 613a BGB keine Anwendung, da die Arbeitsverhältnisse durch den zwischengeschalteten Wechsel in die Transfergesellschaft ihre Kontinuität verlieren.

In der Transfergesellschaft werden die Arbeitnehmer qualifiziert, fortgebildet, auf eine Anschlussbeschäftigung vorbereitet und vermittelt. Finanziert wird die Transfergesellschaft in der Hauptsache durch das von der Bundesagentur für Arbeit bereitgestellte sogenannte Transferkurzarbeitergeld (§ 111 SGB III) und durch Zuschüsse zu Transfermaßnahmen (§ 110 SGB III). Der Arbeitgeber hat aber die sog. Remanenzkosten (Sozialversicherungsbeiträge, Urlaubstage etc.) und Verwaltungskosten der Transfergesellschaft ebenso zu tragen wie etwa zum Kurzarbeitergeld gezahlte Aufstockungsbeiträge. Als Faustformel gilt: Ein Bruttomonatsgehalt finanziert zwei Monate Transfergesellschaft.

Soweit der Personalabbau eine Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG darstellt, muss ggf. ein Interessenausgleich und ein (Transfer-) Sozialplan mit dem Betriebsrat verhandelt werden. Da der Wechsel in eine Transfergesellschaft regelmäßig eine sozialverträgliche Lösung darstellt, wird zumeist ein Interessenausgleich und (Transfer-)Sozialplan mit dem Betriebsrat erfolgreich abgeschlossen.

Diese Gestaltung wird zudem in Bezug auf den Erwerber des mitarbeiterlosen Betriebs nicht als Umgehung des § 613a BGB angesehen, wenn es für den Arbeitnehmer ein „Risikogeschäft“ ist, er also insbesondere keine feste Übernahmezusage erhalten hat.

3. Wichtige arbeitsrechtliche Sonderregelungen in der Insolvenz

Grundsätzlich kann der Insolvenzverwalter nach Eröffnung der Insolvenz von Sonderregelungen Gebrauch machen, die sich auch zugunsten eines Erwerbers auswirken können:

Die Insolvenzordnung beinhaltet in den §§ 113, 120 ff. InsO spezialgesetzliche Regelungen, die denen des allgemeinen Arbeitsrechtes vorgehen und die sich erheblich vorteilhaft für die Arbeitgeberseite auswirken können.

So beträgt z. B. gemäß § 113 InsO die Frist bei der Kündigung durch den Insolvenzverwalter für alle Arbeitsverhältnisse maximal drei Monate zum Monatsende, soweit nicht eine kürzere Kündigungsfrist maßgeblich ist. Da-rüber hinaus ermöglicht § 113 InsO die Kündigung befristeter und „unkündbarer“ Arbeitsverhältnisse, die eine ordentliche Kündigung vertraglich nicht vorsehen bzw. ausschließen. Damit können u. a. auch Arbeitsverhältnisse, die tarifvertraglich eigentlich unkündbar sind (z. B. bei Mitarbeitern über 50 Jahren) beendet werden.

Als lex specialis zu § 1 KSchG bietet zudem beispielsweise § 125 InsO weitere Erleichterungen für die Durchführung betriebsbedingter Kündigungen für den Fall, dass der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich abgeschlossen hat, in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet sind. Nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO wird zum einen vermutet, dass die Kündigung der in der Namensliste enthaltenen Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt ist. Zum anderen ist gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Sozialauswahl nur hinsichtlich der Auswahlkriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten gerichtlich überprüfbar. Zudem wird die gerichtliche Überprüfung der Sozialauswahl auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt. Schließlich sind die Erhaltung und Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur als betriebliche Belange anerkannt.

Die vorstehend aufgeführten arbeitsrechtlichen Instrumentarien kann sich auch ein Erwerber nutzbar machen, wenn er das Unternehmen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirbt und mit dem Insolvenzverwalter entsprechende Planungen erarbeitet und diese dann umsetzen lässt. Denn: Eine Kündigung wegen Betriebsübergangs ist auch dann nicht gemäß § 613a Abs. 4 BGB unzulässig, wenn sie der Rationalisierung zur Verbesserung der Verkaufschancen dient.

III. Fazit

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass es zwar kein umfassendes „Arbeitssonderrecht“ für den Betriebserwerb aus Krise und Insolvenz gibt. Jedoch gibt es zahlreiche insolvenzarbeitsrechtliche Besonderheiten, um insbesondere die zur Herstellung der Verkaufsfähigkeit eines insolventen Unternehmens gebotene Personalrestrukturierung zu ermöglichen. Gerade darin liegen die nicht zu unterschätzenden Chancen dieser Transaktionsform. Die sichere Beherrschung des arbeitsrechtlichen Umfelds einer „Distressed M&A-Transaktion“ und deren fachkundige arbeitsrechtliche Begleitung ist daher in der Regel eine unerlässliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Betriebserwerb aus Krise und Insolvenz.

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