Artikel erschienen am 01.02.2014
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Unternehmenstransaktionen erfolgreich abschließen

Überbrückung der Finanzierungslücke

Von Dr. iur. Bjarne Petersen, Hamburg

Viel zu häufig scheitern Unternehmenstransaktionen daran, dass der Käufer den als angemessen erachteten Kaufpreis nicht vollständig finanzieren kann. Das liegt nicht zuletzt an der noch immer zu beobachtenden Zurückhaltung der kreditgebenden Banken. Was viele Marktteilnehmer aber nicht wissen: Auch mit rechtlichen Instrumenten wie Verkäuferdarlehen (Vendor Loan), Rückbeteiligungsstrukturen (Roll-over) und zukunftsbezogenen variablen Kaufpreisen (Earn-Outs) lässt sich eine bestehende Finanzierungslücke schließen. Die genannten Instrumente können einzeln oder kumulativ eingesetzt werden. Der folgende Beitrag zeigt Vor- und Nachteile dieser rechtlichen Instrumente auf.

I. Verkäuferdarlehen

Der Verkäufer kann dem Käufer als Finanzierungshilfe anbieten, einen Teil des ausverhandelten Kaufpreises verzinslich zu stunden. Der Verkäufer übernimmt damit neben der den Kaufpreis finanzierenden Bank einen Teil des Finanzierungsrisikos. Über den Stundungsbetrag ist ein Darlehensvertrag zu schließen und dem Unternehmenskaufvertrag als Anlage beizufügen. Der Darlehensvertrag sollte explizit regeln, dass der Verkäufer das Darlehen bereits durch die teilweise Stundung des im Unternehmenskaufvertrag bezeichneten Kaufpreises geleistet hat. Zudem sollte der Darlehensvertrag insbesondere Regelungen über Laufzeit, Zinssatz, zu stellende Sicherheiten, Sonderkündigungsrechte und die in Kreditverträgen üblichen Nebenbestimmungen (covenants) enthalten.

1. Sicherheiten

Als Sicherheit für den Rückzahlungsanspruch des Verkäufers bietet sich in erster Linie die Verpfändung der Gesellschaftsanteile an dem verkauften Unternehmen (Zielgesellschaft) an. Es kommen aber auch Sicherungsübertragungen von Vermögenswerten der Zielgesellschaft in Betracht. Bei Letzteren hat der Darlehensvertrag die auf die Zielgesellschaft anwendbaren Kapitalerhaltungsregeln (insbesondere § 30 GmbHG bzw. § 57 AktG) zu berücksichtigen, die die Werthaltigkeit der Sicherheit erheblich einschränken. Wird wie üblich neben dem Verkäuferdarlehen auch eine Bankfinanzierung aufgenommen, so konkurriert das Sicherungsinteresse der finanzierenden Bank mit dem des Verkäufer-Darlehensgebers. Diesen Interessenkonflikt gilt es, im Rahmen der Verhandlungen über den Unternehmenskaufvertrag und dessen Anlagen zu lösen.

2. Gesetzliche Risiken in der Insolvenz

Wird die Gewährung eines Verkäuferdarlehens mit dem Instrument der Rückbeteiligung verbunden und beträgt die Rückbeteiligung an der Erwerbergesellschaft unmittelbar oder mittelbar über 10 %, so wird das Verkäuferdarlehen in der Regel als nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 5 InsO zu qualifizieren sein. Gleiches gilt, wenn die Rückbeteiligung an der Erwerbergesellschaft zwar unter 10 % liegt, der Verkäufer aber (wie häufig beim Verkauf inhabergeführter Gesellschaften) auch nach dem Verkauf noch als Geschäftsführer bzw. Vorstand im Unternehmen verbleibt.

In diesen Konstellationen könnte ein Insolvenzverwalter eine bis zu zehn Jahre vor Insolvenzantragstellung zurückliegende Sicherheitenbestellung nach § 135 Abs. 1
Nr. 1 InsO anfechten. Ebenfalls sind die während des letzten Jahres vor Insolvenzantragstellung erfolgten Befriedigungen, insbesondere Zins- und Tilgungsleistungen, nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Diese Risiken sollten bei den Überlegungen des Verkäufers, ob und in welcher Höhe er zur Gewährung eines Verkäuferdarlehens bereit ist, unbedingt berücksichtigt werden.

3. Weitere „Sicherungsklauseln“
Da sich das Verkäuferdarlehen in den beschriebenen Konstellationen als insolvenzrechtlich nachrangig erweist und auch Sicherheiten entweder wegen des Interessenkonflikts mit der finanzierenden Bank gar nicht existieren oder dem gesetzlichen Nachrang in der Insolvenz unterliegen, ist dem Verkäufer-Darlehensgeber anzuraten, seinen Rückzahlungsanspruch zusätzlich auf andere Weise abzusichern.

Die Vereinbarung einer kurzen Laufzeit des Verkäuferdarlehens ist dabei ein wirkungsvolles Mittel. Denn soweit und solange das Verkäuferdarlehen vor dem Darlehen der finanzierenden Bank fällig wird, ist das Vorliegen von Insolvenzgründen eher unwahrscheinlich. Zudem sollte der Verkäufer-Darlehensgeber versuchen, eine ratierliche Rückführung des Darlehensbetrages statt dessen Rückzahlung in einem Betrag zum Fälligkeitszeitpunkt zu vereinbaren. Auf diese Weise leistet der Verkäufer zwar anfänglich eine Finanzierungshilfe, kann sein Risiko aber sukzessive reduzieren.

Schließlich ist auf eine praktische Risikobeschränkung des Verkäufers hinzuweisen, die sich erst aus dem Umstand ergibt, dass das Verkäuferdarlehen im Rahmen eines Unternehmenskaufs gewährt wird: Der Verkäufer-Darlehensgeber sollte darauf drängen, dass etwaige Garantieansprüche des Käufers aus dem Unternehmenskaufvertrag vorrangig den Rückzahlungsanspruch des Verkäufers aus dem Verkäuferdarlehen reduzieren. Dies ist im Unternehmenskaufvertrag (nicht im Darlehensvertrag) bei den Bestimmungen über die Rechtsfolgen von Garantieverletzungen explizit zu regeln. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass der Käufer das Verkäuferdarlehen nicht als Kaufpreiseinbehalt zweckentfremdet, indem er mit möglichen Garantieansprüchen aus dem Unternehmenskaufvertrag gegen den Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens die Aufrechnung erklärt. Dies kann durch Vereinbarung eines für den Käufer geltenden Aufrechnungsverbotes sichergestellt werden.

II. Rückbeteiligung

Ein weiteres rechtliches Instrument, mit dem eine etwaig bestehende Finanzierungslücke geschlossen werden kann, ist die Rückbeteiligung des Verkäufers an der Erwerbergesellschaft. Der Grundgedanke dieser Finanzierungshilfe besteht darin, dass der Käufer nicht den gesamten Kaufpreis in bar erbringen muss. Vielmehr erhält der Verkäufer als Gegenleistung neben der Barkomponente zusätzlich Gesellschaftsanteile an der Erwerbergesellschaft. Das ermöglicht dem Käufer, die Gesellschaftsanteile an der Erwerbergesellschaft als „Akquisitionswährung“ einzusetzen. Der Verkäufer erwirbt die Beteiligung an der Erwerbergesellschaft im Wege eines Kaufs oder im Rahmen einer Kapitalerhöhung bei der Erwerbergesellschaft.

1. Typische Strukturierung

Die folgende Strukturierung einer Rückbeteiligung kann als Marktstandard bezeichnet werden: Statt eines Kauf- und Abtretungsvertrages über die Gesellschaftsanteile der Zielgesellschaft schließen die Parteien einen Beteiligungsvertrag. Dieser sieht vor, dass die Erwerbergesellschaft ihr Stamm- bzw. Grundkapital erhöht. Im Rahmen des Kapitalerhöhungsbeschlusses wird ausschließlich der Verkäufer zur Übernahme des neuen Gesellschaftsanteils zugelassen. Der Verkäufer bringt mittels eines separaten Einbringungsvertrages seine sämtlichen Anteile an der Zielgesellschaft als Sacheinlage in die Erwerbergesellschaft ein. Die Zielgesellschaft wird so zu einer 100 %igen Tochtergesellschaft der Erwerbergesellschaft. Als Gegenleistung erhält der Verkäufer eine (den Hauptteil der Gegenleistung ausmachende) Barkomponente sowie den durch die Kapitalerhöhung bei der Erwerbergesellschaft neu geschaffenen (Minderheits-)Anteil. Bei der Einbringung der Sacheinlage steht unter den aufschiebenden Bedingungen, dass die Barkomponente dem Konto des Verkäufers gutgeschrieben und die Durchführung der Kapitalerhöhung bei der Erwerbergesellschaft im Handelsregister eingetragen wird.

2. Komplexität

Die geschilderte Strukturierung wird durch das zusätzliche Kapitalerhöhungsverfahren vertraglich komplexer als ein Unternehmenskauf durch einen „schlichten“ Kauf- und Abtretungsvertrag. Zudem sind die strengen Vorschriften für Sacheinlagen zu beachten. Das hat insbesondere zur Folge, dass eine Werthaltigkeitsbescheinigung bzw. ein Bericht über die Prüfung der Sachkapitalerhöhung eines Wirtschaftsprüfers beizubringen ist. Diese zusätzlichen Erfordernisse führen nicht zuletzt zu einer zeitlichen Streckung des Transaktionsprozesses. Schließlich sollte der Verkäufer – bei gleichzeitiger Gewährung eines Verkäuferdarlehens – seinen aus der Rückbeteiligung resultierenden Anteil an der Erwerbergesellschaft auf unter 10 % beschränken, um einen gesetzlichen Nachrang des Verkäuferdarlehens und der gegebenenfalls gestellten Sicherheiten im Falle der Insolvenz zu vermeiden.

III. Earn-Out

Schließlich kann die Vereinbarung eines zukunftsbezogenen variablen Kaufpreises (Earn-Out) im Unternehmenskaufvertrag dazu beitragen, eine etwaige Finanzierungslücke zu schließen. Als Earn-Out bezeichnet man Gestaltungen, bei denen ein Teil des Kaufpreises von der Erreichung künftiger Finanzkennzahlen abhängig gemacht wird. Der betreffende Kaufpreisteil wird somit erst dann fällig, wenn die Zielerreichung feststeht. Der damit verbundene Stundungseffekt erleichtert es dem Käufer, den Unternehmenskauf zu finanzieren. Allerdings wird die finanzierende Bank des Käufers im Zweifel darauf drängen, dass der Unternehmenskauf nebst möglicher zukünftiger Earn-Out-Zahlungen „durchfinanziert“ wird. Der Käufer hat also in aller Regel auch die Finanzierung des Earn-Outs sicherzustellen.

1. Maßgebliche Finanzkennzahl

Häufig sind für Earn-Out-Gestaltungen diejenigen Finanzkennzahlen maßgeblich, die der Käufer auch seiner Unternehmensbewertung zugrunde gelegt hat (z. B. EBITDA oder EBIT). Den Parteien ist allerdings anzuraten, sich auf eine Finanzkennzahl zu verständigen, die in der Gliederungsreihenfolge der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) möglichst weit oben steht (wie z. B. Umsatz oder Rohergebnis). Das hilft, Streit über die korrekte Berechnung und Zuordnung der in der GuV aufzuführenden (Abzugs-)Posten von vornherein zu vermeiden.

2. Betrachtungszeitraum und Zielerreichung

Die Interessenlage der Parteien hinsichtlich des für den Earn-Out maßgeblichen Betrachtungszeitraums ist naturgemäß gegenläufig. Während der Käufer auf einen möglichst langen Zeitraum hinwirken wird, hat der Käufer ein Interesse daran, den Earn-Out-Zeitraum kurz zu halten. Verständigen sich die Parteien auf einen längeren Betrachtungszeitraum, so ist es in der Praxis üblich, dass auf jedes Geschäftsjahr eine gesonderte Earn-Out-Tranche entfällt. Dabei kann aber die Zielverfehlung in einem Geschäftsjahr nachträglich durch eine Zielübererfüllung im Folgejahr ausgeglichen werden. Hinsichtlich der Zielerreichung sind Formeln üblich, bei denen die Höhe des earn-outs innerhalb eines Bandes von z. B. 90 % bis 100 % Zielerreichung von 0 % auf 100 % des Maximalbetrages ansteigt.

3. Interessengerechte Berechnung

Bei der Formulierung von Earn-Out-Klauseln ist die Sicherstellung einer möglichst interessengerechten Berechnung der maßgeblichen Finanzkennzahlen von großer Wichtigkeit. Dieser Punkt ist in der Praxis besonders streitanfällig. In Fällen, in denen der Verkäufer als Geschäftsführer bzw. Vorstand aus der Zielgesellschaft ausscheidet, stehen ihm ab diesem Zeitpunkt die der Earn-Out-Berechnung zugrunde liegenden Informationen nicht mehr ohne Weiteres zur Verfügung. Der Verkäufer wird deshalb auf umfangreiche Informations- und Einsichtsrechte drängen. Diesbezüglich bietet es sich an, dass der Verkäufer das in Qualität, Quantität und Fristigkeit identische Banken-Reporting erhält. Das verschafft dem Verkäufer eine substanzielle Informationsgrundlage, ohne aufseiten der Zielgesellschaft zu einem erhöhten Aufwand zu führen.

4. Normalisierungsregeln

Es ist nicht auszuschließen, dass earn-out-Klauseln einen Anreiz auf den Käufer ausüben, earn-out-Zahlungen durch Kosten-, Ergebnis-, und Periodenverschiebungen möglichst gering ausfallen zu lassen. Die diesbezüglichen Manipulationsmöglichkeiten sind vielfältig. Um solche Verwerfungen zu eliminieren, enthalten gut formulierte earn-out-Klauseln deshalb zahlreiche auf den Einzelfall angepasste Normalisierungsregeln für die maßgebliche Bemessungsgröße. Solche Normalisierungsregeln stoßen allerdings bei grundlegenden Strukturmaßnahmen, wie z. B. durch Zukäufe weiterer Gesellschaften, Verschmelzungen oder der vollständigen Integration der Zielgesellschaft in die Unternehmensgruppe des Käufers, an ihre Grenzen. Für diese Fälle sehen sachgerechte earn-out-Klauseln vor, dass der gesamte (maximale) earn-out-Betrag zur Zahlung an den Verkäufer fällig wird.

5. Beirat

Als vertrauensbildende Maßnahme und zur zeitnahen Ausräumung sich anbahnender Konflikte kann es sich anbieten, ein Gremium (z. B. Beirat) zu installieren, in dem Käufer und Verkäufer vertreten sind und das sich (z. B. einmal im Quartal) mit den aktuellen Finanzkennzahlen befasst und eine vorläufige earn-out-Berechnung vornimmt.

IV. Fazit

Verkäuferdarlehen, Rückbeteiligungsstrukturen und zukunftsbezogene variable Kaufpreise können einzeln oder kumulativ dazu beitragen, eine etwaige Finanzierungslücke bei Unternehmenskäufen zu schließen. Die Vertragsparteien haben so weitere Optionen für einen erfolgreichen Abschluss der Unternehmenstransaktion.

Allerdings sollten die mit diesen Instrumenten verbundenen Vor- und Nachteile sowie deren steuerliche Implikationen (insbesondere im Rahmen von Rückbeteiligungen) im Einzelfall sorgfältig überprüft und abgewogen werden.

Foto: panthermedia/liligraphie

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