Artikel erschienen am 26.01.2016
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Die Unternehmensnachfolge

Gründung im gemachten Nest oder der Wolf im Schafspelz?

Von Jörg Finnern, Hamburg

Glaubt man den Statistiken, steht in den nächsten 10 Jahren bei Hundertausenden Unternehmen in Deutschland die Nachfolgeregelung an. Die Zahlen variieren je nachdem, welche Kriterien zugrunde gelegt werden. Allein in Hamburg sind es 4 500 Betriebe mit mehr als 1 Mio. Euro Jahresumsatz und einem Gesellschafter, der heute schon 55 Jahre oder älter ist. Das sind gut 40 % der Unternehmen dieser Größenordnung mit ca. 70 000 Mitarbeitern. (Quelle IfM Daten und Fakten).

Unterschiedliche Interessen bei der Unternehmensnachfolge

Hinzu kommt noch einmal eine sehr große Anzahl kleinerer Firmen. Gleichzeitig schwin­det die Anzahl der poten­ziellen Interessenten. Grund hierfür sind der demo­grafische Wandel und die ausge­zeichnete Verfassung des Arbeits­marktes. Auch stehen immer weniger Familien­mitglieder für die Fort­führung des Betriebes zur Ver­fügung. Der Prozentsatz der familien­internen Nach­folge­regelungen liegt zwischen­zeitlich nur noch bei rund 50 %. Weitere 20 % werden unter­nehmen­sintern geregelt und für den Rest wird versucht, einen externen Kandidaten zu finden.

Ich beschäftige mich seit vielen Jahren intensiv mit der Finanzierung von Betriebsübernahmen und habe in dieser Zeit viele erfolgreiche Übernahmen gesehen, aber leider auch eine erhebliche Anzahl an gescheiterten Versuchen. Dabei könnte die Interessenslage von Käufer und Verkäufer unterschiedlicher nicht sein. Für die eine Seite geht es darum, einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen. Verständlich, geht es doch darum, das Lebenswerk angemessen bezahlt zu bekommen und den nächsten Lebensabschnitt sorgenfrei gestalten zu können. Auf der anderen Seite steht der Käufer, der aus den erzielten Gewinnen der nächsten Jahre den Kaufpreis amortisieren muss. Hierbei stellt sich die Frage, wie viele Jahre der Erwerber quasi noch für seinen Vorgänger arbeiten möchte. Für diese Jahre gilt es, die bestmögliche Planungssicherheit zu erreichen. In welchem Lebenszyklus befindet sich das Produkt, das der Betrieb herstellt? Ist die Dienstleistung noch aktuell? Wie entwickeln sich gesetzliche Rahmenbedingungen? In welchem Zustand befindet sich das Anlagevermögen und wie fungibel ist das aktuelle Warenlager wirklich? Was passiert mit den Gewinnvorträgen im Unternehmen? Nur einige Fragen, die für die Übernehmer aber von elementarer Bedeutung sind. Am Ende gilt es, sich auf einen Kaufpreis zu verständigen. Dabei darf es gern auf beiden Seiten zu Zugeständnissen kommen. Und bitte vergessen Sie in diesem Prozess die Mitarbeiter nicht. Sie haben zum Wohle der Firma beigetragen und wollen auch in Zukunft einen sicheren Arbeitsplatz haben. Hier besteht durchaus eine gesellschaftspolitische Aufgabe für die Beteiligten und Ihre Sozialkompetenz ist gefragt.

Haben sich die Akteure geeinigt, ist das Besprochene vertraglich festzuhalten. Dabei gilt, nur was schriftlich fixiert ist, kann im Zweifelsfall auch durchgesetzt werden. Ergänzende mündliche Absprachen sind in der Regel wertlos. Das entsprechende Vertragswerk ist dann mit einem Finanzierungsvorbehalt zu versehen oder erst nach Sicherstellung der Finanzierung zu unterzeichnen. Der Entwurf sollte mit den üblichen Unterlagen bei der oder den angefragten Kreditinstituten vorgelegt werden. Er beantwortet eine ganze Reihe der ansonsten nachfolgenden Fragen. Fast alle Banken verfügen heute über Spezialisten bei der Begleitung von Betriebsübernahmen. Diese erstellen Finanzierungsvorschläge unter Ausnutzung zinsgünstiger Darlehen der jeweiligen Landesförderinstitute und der KfW. Nachfolgefinanzierungen haben regelmäßig lange Laufzeiten. Hierbei fehlt es oftmals an den erforderlichen Sicherheiten. Daher werden häufig die regionalen Bürgschaftsbanken einbezogen. Mit ihrer Ausfallbürgschaft ermöglichen sie dann überhaupt erst die Darlehensgewährung der Hausbank. Bei komplexeren Strukturen und höheren Kaufpreisen werden darüber hinaus auch gern die mittelständischen Beteiligungsgesellschaften der einzelnen Bundesländer zur Eigenkapitalstärkung mit eingebunden. Ggf. ist auch der Verkäufer gefragt, den Erwerber mit einem Restkaufgeld zu unterstützen. So entsteht ein Finanzierungskonstrukt, das die Risiken einer solchen Finanzierung auf viele Schultern verteilt. Hinweise und Anregungen der Spezialisten können gerne aufgenommen werden. Auch sie möchten, dass dieses Projekt ein voller Erfolg wird. Und bitte nicht vergessen, neben dem Kaufpreis muss auch die laufende Liquidität des Unternehmens sichergestellt werden. Durch die Entnahme von Gewinnvorträgen, Jahresüberschüssen und Gesellschafterdarlehen wird die Innenfinanzierung der Betriebe oftmals geschwächt. Dann anstehende Nachfinanzierungen sind regelmäßig schwierig. Sollte diese Situation dennoch entstehen, helfen die genaue Analyse und die frühzeitige Ansprache der Hausbank.

Einige Anregungen aus der Praxis: Beide Parteien sollten immer eigene Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Anwälte ihres Vertrauens nutzen. Dabei ist darauf zu achten, dass es sich auch um Experten für den Bereich der Betriebsübergabe handelt. So können auf beiden Seiten unangenehme Überraschungen vermieden werden.

Der Verkäufer ist davon überzeugt, dass sein Betrieb gut aufgestellt ist. Insofern darf er sich auch gern an der Finanzierung beteiligen. Ein angemessenes Restkaufgeld (fest vereinbart und mit einer regelmäßigen Tilgung auf z. B. fünf Jahre versehen oder auch mit erfolgsorientierten Komponenten ausgestattet) schafft Vertrauen beim Erwerber und den Banken.

Eine gemeinsame Übergangszeit zur Einarbeitung, Überleitung der Kontakte zu Lieferanten und Kunden ist zumeist unabdingbar. Dafür steht der Verkäufer regelmäßig gern zur Verfügung. Der Übernehmer darf ihm dies auch mit einer kleinen Anerkennung honorieren. Hier sollte aber kein verdeckter zusätzlicher Kaufpreis fließen. Der Zeitraum ist im Kaufvertrag mit allen Rechten und Pflichten zu dokumentieren. Eine vorzeitige Beendigung durch den Erwerber sollte dabei in jedem Falle ohne Pönale möglich sein.

Für die finanzierenden Institute sind persönliche, fachliche und kaufmännische Qualifikation des Käufers sehr wichtig. Für den Nachweis der Fachkunde gibt es dabei i. d. R. geeignete Dokumente, wie z. B. den Meisterbrief, eine langjährige Tätigkeit in der Branche oder die Stellungnahme des entsprechenden Fachverbandes oder der jeweiligen Kammer. Persönlich kann der Unternehmer im Gespräch überzeugen. Dabei hilft eine gute Vorbereitung auf das Bankgespräch. Oftmals sind es mangelnde kaufmännische Kenntnisse, die in der Folge zu Problemen führen. Hinterfragen Sie sich hier kritisch. Gestalten Sie Ihre Planungsunterlagen selbst. Ihr Zahlenwerk sollten Sie plausibel erklären können. Im Zweifel nutzen Sie entsprechende Seminar- und Weiterbildungsangebote. Der Hinweis auf den begleitenden Steuerberater reicht dabei nicht aus.

Ist der Verkäufer eigentlich noch zu jung für die Abgabe seines Betriebes, hinterfragen Sie seine Motivation. Diese sollte schlüssig und nachvollziehbar sein. Ein Wettbewerbsverbot im Kaufvertrag ist generell und in diesem Falle ganz besonders zu empfehlen.

Für den Verkäufer gibt es eine Reihe an steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Diese verhindern jedoch nicht die anstehende Versteuerung des Veräußerungsgewinnes. Betriebsaufspaltungen, die Veräußerung von Grundvermögen und eine betriebliche Altersversorgung des ehemaligen geschäftsführenden Gesellschafters können dabei zu Stolperfallen werden. Insbesondere Pensionszusagen, die nicht rückgedeckt oder aufgrund des gefallenen Zinsniveaus nur unzureichend gesichert sind, führen immer wieder zu Problemen und ggf. zu einem erheblichen finanziellen Aufwand. Diese Aufzählung ist sicherlich nicht abschließend. Die frühzeitige steuerliche Beratung durch einen entsprechenden Spezialisten schafft zumindest Klarheit und erhöht ggf. den Gestaltungsspielraum.

Ein ungeliebtes Thema ist die Notfallplanung. Eigentlich ein Instrument, das jeder Unternehmer bespielt haben sollte. In der Praxis ist sie jedoch eher die Ausnahme. In jedem Falle geht es darum, die Unternehmen handlungsfähig zu halten, wenn der Unternehmer für längere Zeit oder gänzlich ausfällt. Auch die Familie spielt dabei eine große Rolle und sollte berücksichtigt werden. Muster oder sogar ganze Handbücher gibt es reichlich. Sie müssen nur mit Leben gefüllt werden. Dieser Hinweis gilt nicht nur für den Verkäufer, der oftmals durch den Geldzufluss mit einer ganz neuen Situation konfrontiert wird und seine Vorkehrungen überprüfen und ggf. anpassen sollte. Gerade aber auch der Erwerber steht hier in der Pflicht. Er muss für entsprechende Regelungen innerhalb des Betriebes Sorge tragen und zusätzlich seine Familie für den Notfall absichern. Dabei spielt das Alter nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Fazit

Die Übernahme ist planbarer als jede Neugründung. Es gibt aber genug Gelegenheiten, Stockfehler zu begehen. Das gemachte Nest überwiegt jedoch, wenn Spezialisten rechtzeitig einbezogen werden und die Hinweise der Experten auf offene Ohren treffen. Eine absolute Sicherheit gibt es definitiv nicht.

Foto: Panthermedia/Cynoclub

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