Artikel erschienen am 23.01.2016
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Zur Organhaftung von GmbH-Geschäftsführern

Von Dr. iur. Edzard A. Schmidt-Jortzig, Hamburg

Die jüngsten Wirtschaftsskandale – Stichworte Deutsche Bank/Kirch, Arcandor und nicht zuletzt die in ihrem Ausmaß noch gar nicht absehbare Dieselgate-Affäre bei VW – haben auch ein deutliches Schlaglicht auf die Geschäftsleiterhaftung bei Kapitalgesellschaften geworfen. Bis auf das als KGaA organisierte Bankhaus Sal. Oppenheim, bei dem die Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter im Vordergrund stand, handelte es sich bei den betroffenen Unternehmen um Aktiengesellschaften. Für die Geschäftsführer der im Mittelstand dominierenden GmbHs stellt sich die Frage nach der Übertragbarkeit. Im Anschluss an den Beweisfragen in den Fokus nehmenden Beitrag von Oliver Förster (Service-Seiten FSR, Ausgabe HH 2015, S. 20) sollen im Folgenden wesentliche praxisrelevante Konstellationen des materiellen Haftungsrechts überblickartig dargestellt werden, wobei strafrechtliche Konsequenzen außer Acht bleiben.

Interne und externe Haftungen

Gesellschafter in der GmbH

Pflichten von GmbH-Geschäftsführern bestehen vom Vorgründungs­stadium bis zur Liquidation oder Insolvenz der Gesellschaft. Bei den damit verbundenen Haftungsrisiken ist zwischen Haftungen der Geschäfts­führer gegenüber ihrer Gesell­schaft (Innen­ver­hältnis) und gesellschaftsfremden Dritten (Außen­verhältnis) zu unterscheiden. Erstere sind grundsätzlich eine interne Angelegenheit der Gesell­schaft, Letztere stellen oftmals die Ausnahme dar, weil der Geschäftsführer regel­mäßig als Organ der Gesellschaft handelt, können aber gleichwohl im Einzelfall erhebliche, teilweise existenzbedrohende Bedeutung erlangen.

Haftung gegenüber der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern

Zentrale Norm ist § 43 GmbHG. Dessen Abs. 1 verpflichtet die Geschäftsführer zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes und erweitert den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB um ein von persönlichen Fähigkeiten unabhängiges Kriterium objektiver Mindesterfordernisse. Bei Verletzung ihrer Obliegenheiten haften die Geschäftsführer ihrer Gesellschaft gegenüber für den entstandenen Schaden (§ 43 Abs. 2 GmbHG). In § 43 Abs. 3 GmbHG wird dies für das Kapitalerhaltungsgebot (§ 30 GmbHG) verletzende Zahlungen nochmals ausdrücklich normiert. Das komplettierende Kreditverbot nach § 43a GmbHG sanktioniert das Stammkapital beeinträchtigende Darlehen an Geschäftsführer und andere Vertreter der Gesellschaft.

In der Krise ist der Sorgfaltsmaßstab des Geschäftsführers verschärft: Nun muss er die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft besonders sorgfältig überwachen, ggf. in kurzen Abständen Vermögensstatus und Bilanzen erstellen und bei Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach § 15a InsO einen Insolvenzantrag stellen. Zahlungen, die eine Zahlungsunfähigkeit hervorrufen (§ 64 S. 3 GmbHG) oder nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erfolgen (§ 64 S. 1 GmbHG), muss er der Gesellschaft ersetzen.

Im Gründungsstadium der GmbH haftet der Geschäftsführer nach § 9a GmbHG (der nach § 57 Abs. 4 GmbHG auch auf Kapitalerhöhungen anwendbar ist), wenn bei Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht wurden; erfasst sind die Übernahme der Geschäftsanteile, die tatsächliche Leistung der Einlagen und auch Angaben über die Gründungskosten und zu Sacheinlagen.

Diese Haftungen ergeben sich aus der Organstellung des Geschäftsführers und bestehen unabhängig vom Anstellungsvertrag.

Haftung gegenüber Dritten

Bei gesetzlichen Haftungen gegenüber gesellschaftsfremden Dritten überwiegen in der Praxis deliktsrechtliche Konstellationen, die sich vornehmlich entweder aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz oder aus einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) ergeben können. Als relevante Schutzgesetze kommen neben spezifischen gesellschaftsrechtlichen Normen (z. B. Sorgfaltsmaßstab bei Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gem. § 64 S. 2 GmbHG) vor allem Strafgesetze, z. B. Betrug (§ 263 StGB), Untreue (§ 266 StGB) und auch die nicht rechtzeitige Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a Abs. 1 StGB) in Betracht. Ausnahmsweise finden sich externe Haftungen begründende Normen auch im GmbHG (so die persönliche „Handelndenhaftung“ nach § 11 Abs. 2 und die Erstattungspflicht der Geschäftsführer nach § 31 Abs. 6 GmbHG).

Denkbar sind des Weiteren eine Haftung des Geschäftsführers nach § 311 Abs. 3 BGB (frühere Culpa in Contrahendo) sowie aus Rechtsscheintatbeständen nach § 179 BGB analog. Bei der Haftung für steuerliche Versäumnisse fällt v. a. § 69 AO, nach dem der Geschäftsführer de facto dafür einzustehen hat, dass sämtliche Steuern der Gesellschaft rechtzeitig gezahlt wurden, ins Gewicht.

Vergleich zur AG

Trotz struktureller Gemeinsamkeiten bei den Haftungsregimen der Kapitalgesellschaften GmbH und AG lässt sich – vereinfachend – sagen, dass die Regelungen im Aktiengesetz ausdifferenzierter (z. B. die in § 93 Abs. 3 AktG genannten Einzeltatbestände), regel­mäßig auch schärfer (z. B. § 57 i. V. m. § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG i. Verh. zu § 30 Abs. 1 i. V. m. § 31 GmbHG bei der Kapitalerhaltung) und weniger disponibel sind. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften ergeben sich zudem erhebliche zusätzliche Pflichten, z. B. in Publizitätsfragen und bei der Veräußerung von Aktien des Managements.

Zudem lassen sich Verantwortlichkeiten des GmbH-Geschäftsführers durch Weisungen der Gesellschafterversammlung modifizieren; so ist der Geschäftsführer bei einer für die Gesellschaft nachteiligen Weisung zwar grundsätzlich an diese gebunden, dann aber auch von der Haftung befreit. Dies eröffnet die Möglichkeit, riskantes Handeln der Geschäftsführung im Vorhinein durch die Gesellschafterversammlung „absegnen“ zu lassen. Bei der AG ist dies wegen der nicht delegierbaren Pflicht zur eigenverantwortlichen Geschäftsführung und Vertretung (§§ 76 ff. AktG) nicht möglich.

Aus dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung der GmbH wird überwiegend deren Fähigkeit abgeleitet, dem Geschäftsführer zumindest bei nicht gläubigerschützenden Vorschriften Schadenersatzansprüche zu erlassen oder diese nicht zu verfolgen. Diese Möglichkeiten finden eher bei kleineren Gesellschafterkreisen Anwendung, sofern entsprechende Ansprüche nicht durch Dritte gepfändet oder im Insolvenzfall durch den Insolvenzverwalter verfolgt werden.

Auch dies ist in der AG nur in sehr engen Grenzen (§ 93 Abs. 4 und 5 AktG) möglich. Denn die Überwachung des AG-Vorstandes ist weitgehend dem Aufsichtsrat übertragen, der selbst einem sich immer mehr verschärfenden Haftungsregime unterworfen ist. Dieses Gremium gibt es bei der GmbH grundsätzlich nicht, jedoch kann es nach Maßgabe von § 52 GmbHG fakultativ eingerichtet werden. Um die damit verbundenen Risiken zu minimieren, begnügt sich die Praxis aber im Bedarfsfalle oft mit der Einsetzung von Beiräten, denen neben einer Beratungsfunktion einzelne Überwachungskompetenzen zugemessen werden können.

Ähnlicher verlaufen indes deliktische Inanspruchnahmen. Dies gilt auch für § 823 Abs. 2 BGB, wobei sich aber Unterschiede hinsichtlich unterschiedlich anwendbarer spezieller Schutzgesetze ergeben können (z. B. § 64 S. 2 GmbHG und § 92 Abs. 2 AktG). Bedeutsam ist hier die Untreue (§ 266 StGB), die teils auch in den genannten prominenten Haftungsfällen eine Rolle spielte.

Fazit

Zwar sind die Haftungen des GmbH-Geschäftsführers im Zweifel weniger aus­diffe­renziert und leichter abbedingbar als die des AG-Vorstandes. Die bestehenden Gemein­sam­keiten legen jedoch den Schluss nahe, dass in den eingangs genannten Fällen auch ver­gleich­bare Haftungen im Raum gestanden hätten, wenn die Unter­nehmen in der Rechtsform einer GmbH organisiert gewesen wären. Daher sollte sich jeder Geschäfts­führer rechtzeitig über seine konkreten Pflichten informieren und riskante Ent­scheidungen ggf. rechtzeitig von der Gesell­schafter­ver­sammlung „absegnen“ lassen. Zusätzlichen Schutz bietet eine D&O-Versicherungspolice. Doch auch diese greift längst nicht immer, wie mancher ehemalige Geschäftsleiter schon schmerzlich erfahren musste.

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