Artikel erschienen am 02.02.2017
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Neue Chancen der Verlustnutzung für alle Körperschaften

Erleichterung insbesondere für Start-up-Finanzierungen

Von Eva Doyé, Hamburg | Barbara Degen, Hamburg

Der Gesetzgeber hat eine neue, ergänzende Vorschrift (§ 8d KStG) zur Rettung steuerlicher Verluste bei Körperschaften eingefügt. Diese Regelung ermöglicht insbesondere Unternehmen mit hohen Verlusten in der Entwicklungsphase diese auch nach einem Anteilseignerwechsel zu nutzen. Die bisher geltende Regelung des § 8c KStG stellte bei Venture Capital und Business-Angel-Finanzierungen oftmals ein Investitionshindernis dar.

Entsprechend der Vorschrift des § 8c KStG gehen körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge quotal oder vollständig unter, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 % (quotal) bzw. mehr als 50 % (vollständig) der Gesellschaftsanteile auf einen neuen Erwerber übergehen. Die Verluste fallen nicht weg, soweit die Körperschaft über stille Reserven verfügt (sog. Stille-Reserven-Klausel) oder die Voraussetzungen der Konzernklausel erfüllt. Beide Ausnahmen finden regelmäßig auf Unternehmen, die durch Venture Capital oder Business Angels finanziert werden, keine Anwendung. Sie haben aufgrund ihrer jungen Existenz in der Regel noch keine stillen Reserven bzw. sind überwiegend konzernunabhängig.

Die Neuregelung, die erstmals auf schädliche Beteiligungserwerbe nach dem 31.12.2015 anzuwenden ist, ist allerdings nicht nur auf Gesellschaften, die mit Venture Capital oder von Business Angels finanziert werden, beschränkt, sondern gilt für alle Körperschaften.

Die Neuregelung im einzelnen

Kommt es bei einem Beteiligungserwerb zu einem quotalen bzw. vollständigen Untergang der Verlustvorträge, ist auf Antrag der betreffenden Körperschaft § 8c KStG nicht anzuwenden. Mithin können nicht genutzte Verluste trotz eines qualifizierten Anteilseignerwechsels weiterhin genutzt werden (sog. fortführungsgebundener Verlustvortrag).

Der Geschäftsbetrieb als Dreh- & Angelpunkt

Voraussetzung ist, dass die Körperschaft seit ihrer Gründung ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält. Das gilt auch, wenn der fragliche Geschäftsbetrieb zwar nicht seit Unternehmensgründung, aber zumindest seit Beginn des dritten Veranlagungszeitraumes, der dem Veranlagungszeitraum der Antragstellung vorausgeht, fortgeführt wurde. Allerdings können Verluste aus der Zeit vor einer Einstellung oder einer Ruhendstellung des Geschäftsbetriebes nicht gerettet werden. Das Gleiche gilt, wenn die antrag­stellende Körperschaft zu Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum der Antrag­stellung vorausgeht, Organträger in einer Organschaft oder an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist.

Die Definition des Geschäftsbetriebs

Was der Gesetzgeber unter einem Geschäftsbetrieb versteht, wird in der Neuregelung definiert: „Ein Geschäftsbetrieb umfasst die von einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht getragenen, nachhaltigen, sich gegenseitig ergänzenden und fördernden Betätigungen der Körperschaft und bestimmt sich nach qualitativen Merkmalen in einer Gesamtbetrachtung. Qualitative Merkmale sind insbesondere die angebotenen Dienstleistungen oder Produkte, der Kunden- und Lieferantenkreis; die bedienten Märkte und die Qualifikation der Arbeitnehmer.“

Das für den Geschäftsbetrieb schädliche Ereignis

Weiterhin ist Voraussetzung, dass im Zeitraum bis zum schädlichen Beteiligungserwerb sowie in dem Zeitraum vom schädlichen Beteiligungserwerb bis zur endgültigen Nutzung der Verluste kein sog. schädliches Ereignis i. S. d. § 8d Abs. 2 KStG eintritt. Ist dieses bis zum schädlichen Beteiligungserwerb eingetreten, kann ein Antrag nicht gestellt werden. Tritt dieses nach dem schädlichen Beteiligungserwerb ein, geht der zuletzt festgestellte fortführungsgebundene Verlustvortrag verloren, es sei denn, die Körperschaft hat ausreichend stille Reserven. Ein solch schädliches Ereignis liegt vor bei:

  • Ruhendstellung des Geschäftsbetriebs
  • Änderung der Zweckbestimmung des Geschäftsbetriebs
  • zusätzlicher Aufnahme eines Geschäftsbetriebs
  • Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft
  • Erlangung der Stellung als Organträger i. S. d. § 14 KStG
  • Übertragung von Wirtschaftsgütern auf die Körperschaft unter gemeinem Wert.

Kritikpunkte

Die Zielrichtung der Neuregelung des § 8d KStG nimmt den ursprünglichen Gedanken der Missbrauchsverhinderung, nämlich der Identität der wirtschaftlichen Verursachung und der Nutzung von Verlusten der ursprünglichen Mantelkaufregelung wieder auf und ist damit positiv. Wenn Verluste allerdings entstehen, geschieht dieses typischerweise in einem Umfeld, in dem ein Strategiewechsel oder eine Umstrukturierung angezeigt ist. Ab welcher Qualität der Umgestaltung eine schädliche Änderung des Geschäftsbetriebs im Sinne der Neuregelung vorliegt, wird sich erst in der Praxis zeigen. Dies macht die Planung für einen Investor nicht einfacher. Problematisch ist des weiteren, dass die Regelung zum einen beim quotalen Anteilseignerwechsel alle, und nicht nur die quotalen, Verlustvorträge zu fortführungsgebundenen macht und damit die Anwendung in diesen Fällen mehr oder weniger ins Leere laufen sollte und zum anderen, dass die Einhaltung der Negativkriterien zeitlich unbeschränkt, bis zum endgültigen Verbrauch der Verluste, überwacht werden muss.

Info

Die Nutzung von Verlustvorträgen hat folgende Steuer­ersparnis bezogen auf den jährlichen steuerlichen Gewinn:
Bei ≤ 1 000 000 € ca. 30%
Bei > 1 000 000 € ca. 18%

Fazit

Die Neuregelung ist grundsätzlich zu begrüßen, da der Untergang der Verluste nicht mehr allein von einem Anteilseignerwechsel abhängig gemacht wird. Allerdings ist die Regelung im Detail komplex und wird in der Praxis zu erheblichen Diskussionen führen. Gesellschaften, die von Venture Capital und Business Angels finanziert werden, sollten dann von der Regelung profitieren können, wenn sie mehr als 50 % der Anteile an einer Körperschaft erwerben, deren Verlustvortrag sonst vollständig verloren ginge, vorausgesetzt, sie führen den Geschäftsbetrieb im Sinne des Gesetzes fort.

Foto: Fotolia/Womue

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