Artikel erschienen am 01.03.2017
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Umgang mit Geschäftspartnern in wirtschaftlichen Schwierigkeiten

Von Dr. iur. Marc Ludwig, Hamburg

Ihr Unternehmen kann ganz grundsätzlich in zweierlei Hinsicht mit Geschäftspartnern zu tun bekommen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Zum einen kann es sich um einen Kunden handeln. Zum anderen kann Ihr Lieferant betroffen sein. Beide Fälle wirken sich völlig unterschiedlich auf Ihr Unternehmen aus. Entsprechendes gilt für den Umgang mit einem Kunden bzw. einem Lieferanten in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Warum das so ist, zeigt ein Blick auf die jeweiligen Liefer- und Zahlungsströme. Während bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Kunden Lieferungen an den Kunden und Zahlungen des Kunden an Ihr Unternehmen in Rede stehen (dazu 1.), ist es bei den Lieferanten genau umgekehrt: Im Verhältnis zum Lieferanten geht es um Lieferungen an Ihr Unternehmen und Zahlungen durch Ihr Unternehmen an den Lieferanten (dazu 2.).

1. Wirtschaftliche Schwierigkeiten Ihres Kunden

Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten Ihres Kunden sind zwei Ebenen auseinanderzuhalten. Regelmäßig wird es Ihr Ziel sein, dass der Kunde Ihnen gegenüber überhaupt seine Verbindlichkeiten erfüllt (dazu a.) und diese Zahlungen später nicht durch einen Insolvenzverwalter angefochten und zurückgefordert werden können (dazu b.).

a. Auf der ersten Ebene geht es darum, dass Sie vom Kunden die für Ihre Lieferungen geschuldete Vergütung erhalten und sich für den Fall der Nichtzahlung möglichst weitgehend absichern. Stets sollte vorbeugend auf eine sorgfältige Auswahl des Kunden geachtet werden. So kann man sich beispielsweise an Wirtschaftsauskunfteien wenden und sich näher über den Kunden informieren. Unter dem Schlagwort „Risikoallokation“ sollte vermieden werden, dass der Umsatzanteil eines einzelnen Kunden mehr als 10 % des Gesamtumsatzes ausmacht. Unmittelbar zur Sicherung der Vergütung bieten sich Vorauszahlungen an. Die Vergütungsansprüche können auch über Bürgschaften, insbesondere Bankbürgschaften, und Warenkreditversicherungen geschützt werden. Davon zu unterscheiden sind die dinglichen Sicherheiten im weitesten Sinne. Bei der Lieferung von Waren sollte die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts eine Selbstverständlichkeit sein. Der Eigentumsvorbehalt ermöglicht den Zugriff auf die gelieferten Waren, falls die Ware nicht bezahlt werden sollte. Im Falle der In­solvenz Ihres Kunden können Sie gegenüber dem Insolvenzverwalter wegen des vereinbarten Eigentumsvorbehaltsrechts die sog. Aussonderung geltend machen und die Herausgabe der gelieferten Waren verlangen. Sie vermeiden also, dass die gelieferten Waren als Bestandteile der Insolvenzmasse angesehen werden. Sind die unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren nicht mehr beim Kunden vorhanden, hilft der einfache Eigentumsvorbehalt nicht weiter. Der skizzierte einfache Eigentumsvorbehalt kann insbesondere für diese Fälle ausgedehnt werden und beinhaltet als verlängerter Eigentumsvorbehalt darüber hinaus auch eine Vorausabtretung der Forderungen des Kunden gegenüber seinen (End-)Kunden. Zahlt also Ihr Kunde die geschuldete Vergütung nicht, können Sie sich mithilfe des verlängerten Eigentumsvorbehalts an die Kunden Ihres Kunden wenden und Bezahlung direkt an Sie verlangen. Der verlängerte Eigentumsvorbehalt greift mit Einschränkungen auch in der Insolvenz Ihres Kunden. Die verschiedenen Arten des Eigentumsvorbehaltsrechts werden typischerweise in den Allgemeinen Liefer- und Verkaufsbedingungen geregelt. Schließlich bietet sich in Ausnahmefällen auch die Vereinbarung einer Sicherungsübereignung an. Die Sicherungsübereignung hat den großen Vorteil, dass der Kunde die an Ihr Unternehmen zur Sicherheit übereigneten Gegenständen behalten und damit wirtschaften darf. Stets ist darauf zu achten, dass die Sicherungsübereignung rechtlich wirksam umgesetzt wird. Insbesondere ist im Sinne des Bestimmtheitsgrundsatzes auf eine konkrete Bezeichnung der zur Sicherheit übereigneten Gegenstände zu achten. Ist die Sicherungsübereignung wirksam vereinbart worden, ist sie grundsätzlich insolvenzfest.

Ihr Unternehmen kann auch ohne Weiteres Geschäfte mit Kunden eingehen, die bereits einen Insolvenzantrag gestellt haben. In die Bestellung des Kunden sollte dann jedoch zwingend der sog. vorläufige Insolvenzverwalter bzw. der (endgültige) Insolvenzverwalter eingebunden werden. Entsprechendes gilt, wenn sich Ihr Kunde in einem sog. Eigenverwaltungsverfahren (mit oder ohne Schutzschirm) befindet und vom zuständigen Insolvenzgericht ein vorläufiger oder (endgültiger) Sachwalter eingesetzt worden ist. Gerade unter Insolvenz­anfechtungsgesichtspunkten (dazu später) sollte hier jedoch im Zweifel rechtlicher Rat eingeholt werden.

b. Während sich die vorstehenden Ausführungen („erste Ebene“) in erster Linie mit dem Schicksal Ihrer Vergütung im Falle von Zahlungsschwierigkeiten Ihres Kunden beschäftigen, stehen auf der zweiten Ebene Probleme an, die nur zu oft – meist aus Unkenntnis – übersehen werden. Denn sollte Ihr Kunde wegen Zahlungsschwierigkeiten beispielsweise verspätete und/oder unregelmäßige Zahlungen an Sie geleistet haben und wird er dann insolvent, droht Ihnen das Risiko der sog. Insolvenzanfechtung. Über das Rechtsinstitut der Insolvenzanfechtung können die an Sie vom Kunden geleisteten Zahlungen angefochten und zurückgefordert werden, die bis zu 10 Jahre rückwirkend ab Insolvenzantragstellung zurückliegen. Berücksichtigt man dann noch, dass Anfechtungsansprüche bis zu drei Jahre nach Insolvenzeröffnung verfolgt werden können, muss man sich als Empfänger der Zahlungen möglicherweise mit Vorgängen beschäftigen, bis zu 13 Jahre zurückliegen! Zwar wurde diskutiert, das Insolvenzanfechtungs-recht zu reformieren und zu Gunsten der Wirtschaft zu entschärfen. Diese Reformbemühungen muss man nach derzeitigem Stand wohl aber vorerst als gescheitert ansehen.

In der Praxis kommt die Insolvenzanfechtung in der Regel als sog. Kongruenz, Inkongruenz- oder Vorsatzanfechtung vor. Das Risiko einer Kongruenz- oder Inkongruenzanfechtung besteht, wenn Sie Zahlungen im Zeitraum von drei Monaten vor Insolvenzantragstellung (nicht: Insolvenzeröffnung) erhalten haben. Haben Sie beispielsweise zehn Tage vor Insolvenzantragstellung noch eine Zahlung vom Kunden vereinnahmt, besteht ganz grundsätzlich die Gefahr der Kongruenz- oder Inkongruenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter des Kunden. Liegt die Zahlung mehr als drei Monate vor der Insolvenzantragstellung, besteht diese Gefahr nicht mehr. Allerdings sind bei der sog. Vorsatzanfechtung jedenfalls theoretisch sogar Zahlungen anfechtbar, die bis zu 10 Jahre vor Insolvenzantragstellung liegen. Die Einzelheiten der jeweiligen Anfechtungsvorschriften sind leider sehr kompliziert. Ganz grundsätzlich lässt sich jedoch sagen: Anfechtungsansprüche sind umso gefährlicher, je mehr man die wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Kunden kennt und der Insolvenzverwalter Ihnen diese Kenntnis nachweisen kann. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung eine überwiegend anfechtungsfreundliche Auffassung vertritt.

Das Anfechtungsrisiko sollte man stets im Blick behalten und sich nicht erst mit diesem uner-freulichen Thema beschäftigen, wenn der Insolvenzverwalter auf einen zukommt. Einen guten Schutz gegen das Anfechtungsrisiko bietet das sog. Bargeschäft, wobei es dabei nicht etwa um Barzahlungen geht. Ein Bargeschäft liegt grundsätzlich vor, wenn für die Vergütungszahlung an Sie unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung, z. B. in Form von gelieferten Waren, in das Vermögen des Kunden gelangt ist. Ganz grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, dass ein sofortiger Leistungsaustausch (z. B. Ware gegen Vergütung innerhalb einer Frist von ca. zwei Wochen) stattfindet. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass sich Anfechtungsrisiken mittlerweile über sog. Insolvenz­anfechtungsversicherungen versichern lassen.

2. Wirtschaftliche Schwierigkeiten Ihres Lieferanten

Schwieriger ist die Situation, wenn Ihr Lieferant in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Ist Ihr Unternehmen bspw. auf betriebsnotwendige Lieferungen angewiesen, bedarf es keiner weiteren Erwähnung, dass als Folge auch Ihr Unternehmen in Schwierigkeiten geraten kann. Insbesondere bei verzögerten Lieferungen sollte möglichst rasch in einem Gespräch mit dem Lieferanten geklärt werden, warum es zu Lieferverzögerungen gekommen ist. Im Zweifel sollte man sich frühzeitig nach Alternativen umsehen. Gerade in langfristigen Lieferbeziehungen sollten die Verträge mit dem Lieferanten deswegen so ausgestaltet sein, dass die Verträge mit dem Lieferanten – sei es durch Kündigung oder Rücktritt – beendet werden können. Keinesfalls sollte man sich zu spät mit möglichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Lieferanten beschäftigen. Denn ist der Lieferant erst einmal in eine Insolvenzsituation geraten und musste gar ein Insolvenzantrag gestellt werden, besteht ein hohes Risiko, dass der Geschäftsbetrieb des Lieferanten eingestellt wird und zukünftige Lieferungen nicht mehr möglich sind. Wenn Sie in diesem Fall Ihren Verpflichtungen gegenüber Ihren Kunden nicht nachkommen können, sehen Sie sich möglicherweise sogar Schadenersatzansprüchen ausgesetzt. Denn stets ist zu berücksichtigen, dass zwei Vertragsverhältnisse auseinanderzuhalten sind. So gibt es auf der einen Seite das gestörte Vertragsverhältnis zwischen Ihnen und Ihrem insolventen Lieferanten. Auf der anderen Seite gibt es das Vertragsverhältnis zwischen Ihrem Unternehmen und dem Kunden. Wenn Sie die Verträge mit Ihren Kunden nicht erfüllen können, können Sie sich nicht damit entschuldigen, Ihr Lieferant habe die möglicherweise aufgetretenen Schäden zu verantworten. Schließlich muss sich Ihr Kunde nicht Probleme entgegenhalten lassen, die nicht sein Vertragsverhältnis, sondern Ihr Vertragsverhältnis mit Ihrem Kunden betreffen. Ihr etwaiger Regressanspruch gegen Ihren Lieferanten wird wegen dessen Insolvenz regelmäßig nicht werthaltig sein.

Ist erst einmal die Insolvenz des Lieferanten eingetreten, muss unter Einbeziehung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bzw. (vorläufigen) Sachwalters geklärt werden, ob eine Weiterbelieferung möglich ist und wie die Zahlungsmodalitäten aussehen sollen. Entsprechend den Ausführungen zur Insolvenz Ihres Kunden sind die rechtlichen Einzelheiten jedoch kompliziert und können meist ohne versierte rechtliche Berater nicht angemessen beurteilt werden. Keinesfalls bedeutet jedoch die Insolvenz Ihres Lieferanten, dass Sie sich rechtlos stellen oder dass die Insolvenz das Ende der Geschäftsbeziehung bedeuten muss. Das moderne Insolvenzrecht bietet ausreichend Möglichkeiten, den Geschäftsbetrieb auch langfristig fortzuführen.

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