Artikel erschienen am 06.12.2018
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Corporate Governance & Corporate Compliance

Relevanz nicht nur für börsennotierte Unternehmen

Von Dr. Tobias Möhrle, Hamburg | Dr. iur. Frauke Schmidt, Hamburg

Strukturen für eine ordnungsgemäße, nachhaltige und zukunftsfähige Unternehmensführung

Ordnungsgemäße, nachhaltige und zukunftsfähige Unternehmensführung

Das Erfordernis ordnungsgemäßer Corporate Governance und Corporate Compliance richtet sich nicht nur an börsennotierte Unternehmen. Vielmehr spielen sie auch eine maßgebliche Rolle für die gelungene Gestaltung von Unternehmensnachfolgen und die Einrichtung von Tax Compliance kann im Einzelfall strafbefreiend wirken. In den letzten fünfzehn Jahren hat sich aus einem anglo-amerikanischen Impuls ein eigener Diskussionstand im deutschen Rechts- und Wirtschaftsraum entwickelt. Deshalb sollten auch Familienunternehmen und der Mittelstand die Themen kennen, die hinter den oftmals als Schlagwörter verwendeten Begriffen Governance und Compliance stehen.

Familienunternehmen haben Gesellschafter, die aktiv am Geschäft beteiligt sind oder solche, die sich auf ihre Eigentümerstellung zurückziehen, beschäftigen in ihrem Unternehmen Dritte als Geschäftsführer, sind in ihrer Organisation hierarchisch gegliedert und unterliegen zudem einer zunehmenden Regulierungsdichte. Diese Heterogenität innerhalb eines Familienunternehmens führt zu Interessenkonflikten, die wirtschaftliche Risiken und Haftungsrisiken mit sich bringen können. Hier setzen Corporate-Governance- und Corporate-Compliance-Strukturen an. Zur Erreichung des Ziels einer ordnungsgemäßen und verantwortungsvollen Unternehmensführung können auf der ersten Ebene funktionierende Corporate-Governance-Mechanismen, wie die Einrichtung eines Aufsichts- oder Beirates, dazu beitragen, die Interessen der Gesellschafter im Verhältnis zum Management zu schützen und durchzusetzen. Auf einer zweiten Ebene schützt Corporate Compliance das Management vor Haftungsrisiken, die sich aus der unzureichenden Überwachung der nachgeordneten Mitarbeiterebenen ergeben können. Berichts- und Überwachungspflichten können einem Auswahl- und Überwachungsverschulden des Managements entgegenwirken. Mittelbar werden zugleich die Interessen der Gesellschafter an einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung geschützt.

Geschäftsordnung und Beirat für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge

Im Mittelpunkt von Corporate Governance stehen Mechanismen, die eine gute und verantwortungsvolle Leitung und Kontrolle des Unternehmens sicherstellen. Ausgehend vom Grundgedanken eines Spannungsverhältnisses zwischen den Interessen der Eigentümer des Unternehmens und denen der Fremdgeschäftsführung sollen über tatsächliche und rechtliche Strukturen Anreize geschaffen werden, um einen Interessengleichlauf der Akteure zu schaffen.

In familiengeführten Unternehmen stellen sich diese Fragen zunächst nicht, da Inhaber und Eigentümer identisch sind. Insbesondere im Rahmen einer Unternehmensnachfolge kann dies jedoch relevant werden. In Übergangsphasen übernehmen vielfach Fremdgeschäftsführer die Unternehmensleitung; für diese sollten ermessenleitende Geschäftsordnungen entwickelt werden. In einer Geschäftsordnung kann unter anderem festgelegt werden, welche Geschäftsvorgänge einzelne Geschäftsführer in alleiniger Verantwortung übernehmen, für welche Geschäfte es eines Zusammenwirkens mehrerer oder sämtlicher Geschäftsführer (Vier-Augen-Prinzip) bedarf und welche Geschäfte nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Gesellschafter vorgenommen werden dürfen. Ergänzend werden oftmals Informations- und Berichtspflichten an die Gesellschafter geregelt. Zugleich zwingt eine Reportingpflicht die Geschäftsführung anstehende Aufgaben zu priorisieren und zu strukturieren und hat damit selbstdisziplinierende Wirkung. Freilich können einzelne Aspekte des Verhältnisses zwischen Geschäftsführern und der Gesellschaft auch in den Gesellschaftsverträgen abgebildet werden. Eine Geschäftsordnung unterliegt oftmals aber formell weniger Anforderungen als die Änderung des Gesellschaftsvertrages und ist kann damit flexibler an die Bedürfnisse im Unternehmen angepasst werden. Ferner umfasst die für Kapitalgesellschaften geltende Offenlegungspflicht im Handelsregister nur die Satzung, nicht jedoch die Geschäftsordnung.

Als weitere Maßnahme kann über die Einrichtung eines die Geschäftsführung beratenden oder überwachenden Beirats nachgedacht werden, der allerdings im Gesellschaftsvertrag anzulegen ist. Die Einrichtung eines weiteren Organs ist eine strukturelle Maßnahmen und daher in der Organisationsverfassung, dem Gesellschaftsvertrag, zu verankern. Ein beratender Beirat unterstützt die Geschäftsführung u. a. bei der Festlegung von strategischer Ausrichtung des Unternehmens und der Entwicklung von Zukunftsstrategien. Ein überwachender Beirat kann daneben einzelne Aufgaben der Gesellschafterversammlung übernehmen. Die dargestellten Zustimmungserfordernisse zu außergewöhnlichen Geschäftsmaßnahmen können beispielsweise auf den Beirat übertragen werden. Dies bietet sich an, wenn die Beiratsmitglieder näher am Unternehmensgeschehen sind als Gesellschafter die branchenfremd tätig sind. Den Beiratsvorsitz können scheidende Gesellschafter-Geschäftsführer übernehmen, die sich allmählich aus dem tagtäglichen Geschäft zurückziehen möchten, aber über ausgezeichnete Branchenkenntnisse und Erfahrung verfügen. Insgesamt sollte der Beirat eine effiziente Überwachungstätigkeit mit unabhängigen, aber auch sachnahen Personen, möglichst in ungerader Anzahl, besetzt werden.

Auch die Entwicklung der Struktur von angemessenen Vergütungsmodellen wird guter Corporate Governance zugeordnet. Für Unternehmensstiftungen, die auch gemeinnützige Ziele verwirklichen, kann ferner die Transparenz der Fördertätigkeit Anlass sein, die Verteilung der Kompetenzen von Vorstand und Kuratorium oder Aufsichtsrat zu überdenken (Foundation Governance).

Strukturen zur Überwachung der Einhaltung von Gesetzen

Corporate Compliance knüpft an die Legalitätspflicht der Organe an, die zur Einhaltung der Gesetze verpflichtet. In arbeitsteiligen Organisation kann die Geschäftsführung oftmals jedoch nicht mehr alle Tätigkeiten selbst übernehmen, sondern delegiert Aufgaben an untergeordnete Organisationsebenen. Damit wandelt sich die Legalitätspflicht der Geschäftsführung in eine Legalitätsüberwachungspflicht. Diese Überwachungspflicht lässt sich über Compliance Bausteine, zu denen u. a. Organisationshandbücher, Vier-Augen-Prinzip und Reporting-Pflichten gehören, erfüllen und schafft transparente, personenunabhängige Strukturen und Funktionen.

Insbesondere für Sachverhalte, die einer engmaschigen Regulierung unterliegen und in denen bei Gesetzesverstößen empfindliche Rechtsfolgen, wie strafrechtliche oder aufsichtsrechtliche Konsequenzen drohen, sollten die Unternehmen entsprechende Compliance-Management-Systeme (CMS) einrichten. Hierzu zählen insbesondere das Steuerrecht, Kartell- und Wettbewerbsrecht, Produkthaftungsrecht, Datenschutzrecht, Bankenaufsichtsrecht und das Wertpapierhandelsrecht. Darüber hinaus wird zunehmend von Geschäftspartnern, die ihrerseits Compliance-Anforderungen unterliegen, gefordert, dass ein CMS auch bei ihren Kunden und Lieferanten besteht. Die Einrichtung eines CMS kann mithin auch für das Geschäft an sich erheblich sein.

Tax-Compliance-Management-System

Die Diskussion um Compliance-Management-Systeme erreichte jüngst einen erneuten Höhepunkt. Denn die Einrichtung eines Compliance-Management-Systems soll sich nach Auffassung der Exekutive und Judikative bei strafrechtliche Beurteilungen positiv auswirken. Zunächst hatte die Exekutive, das Bundesministerium für Finanzen (BMF) im Frühsommer 2016 einen Anwendungserlass zu § 153 AO veröffentlicht (BMF Schreiben vom 23.05.2016, IV A § – S 0324/15/10001, BStBl. I 2016, S. 490), nach dem das Vorhalten eines innerbetrieblichen Kontrollsystems für steuerliche Zwecke (ein sog. Tax CMS) bei der steuerstrafrechtlichen Würdigung einer unrichtigen Steuererklärung Indiz dafür sei, dass weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit des Steuerpflichtigen vorläge.

Entscheidend für die Strafbewährheit ist, ob der Steuerpflichtige die fehlerhafte Steuererklärung vorsätzlich oder zumindest fahrlässig eingereicht hat. Für eine vorsätzliche Steuerhinterziehung reicht es aus, wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit der Steuererklärung für möglich hält und es dabei billigend in Kauf nimmt, dass es durch die Einreichung der fehlerhaften Steuererklärung zu einer Hinterziehung von Steuern kommt. Ferner dient ein Tax CMS der Schaffung von transparenten und personenunabhängigen Steuerfunktionen und -planungen.

Ferner urteilte der Bundesgerichtshof im Mai 2017, dass die Höhe einer Geldbuße für Unternehmen nach § 30 OwiG auch daran zu messen sei, inwieweit das Unternehmen seiner Pflicht nachgekommen sei, „Rechtsverletzungen aus der Sphäre des Unternehmens zu unterbinden (…) und ein effizientes Compliance-Management installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss“ (BGH, Urt. v. 09.05.2017, Az 1 StR 265/16).

Die Ausgestaltung der „innerbetrieblichen Kontrollsystems“ ist gesetzlich nicht vorgegeben und hat sich an den unternehmensindividuellen Begebenheiten zu orientieren. Allgemeine Anerkennung haben jedoch die Standards des Instituts der Wirtschaftsprüfer IDW PS 980 (Grundsätze ordnungsgemäßer Prüfung von Compliance-Management-Systemen) sowie der ergänzende IDW Praxishinweis für das Tax CMS gefunden.

Damit können angemessene Corporate-Governance und Corporate-Compliance-Strukturen dazu beitragen, die Leitung und Überwachung im Unternehmen trotz zunehmender Regulierungsdichte und arbeitsteiliger Organisation im Interesse der Gesellschafter effizient zu gestalten und das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen.

Bild: Fotolia/powell83

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