Artikel erschienen am 04.09.2020
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Wirtschafts­prüfung und Steuerberatung

Gemeinsam mit den Mandanten im Mittelstand Schritt halten

Von Dr. rer. pol. Lars Niemann, Hamburg | Gerd-Markus Lohmann, Hamburg

Digitalisierung bzw. digitale Transformation sind aktuell die großen Schlagwörter in der Wirtschaft. Die digitale Welt entwickelt sich mit hoher Geschwindigkeit, Rechnerkapazitäten wachsen und die Menge der vorhandenen Daten wächst enorm.

Bild: Unsplash/TimJ

Wichtige Technologien sind Cloud Computing, Big Data und immer schnellere Datennetze. Das Internet der Dinge dominiert das wirtschaftliche Leben ebenso wie die sozialen Netzwerke und künstliche Intelligenz. Auch beim Mittelstand hält diese Entwicklung mehr und mehr Einzug. Durch den Einsatz digitaler Technologien können kleine und mittlere Unternehmen neue Geschäftsmodelle entwickeln, neue Kunden gewinnen oder bestehende Kunden stärker an sich binden. Weiter können sie ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber großen Unternehmen stärken, effizienter arbeiten sowie Zeit und Kosten sparen. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie der KfW ist der Anteil der rund 3,8 Mio. Mittelständler in Deutschland, die in den letzten Jahren erfolgreich Digitalisierungsprojekte abgeschlossen hat, gestiegen. Danach haben rund 30 % der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland in den Einsatz neuer und verbesserter digitaler Technologien für Prozesse, Produkte (inklusive Dienstleistungen) und die Geschäftsabläufe investiert. Dieser Anstieg der „Digitalisierungsquote“ ist nach der Studie bei Mittelständlern aller Größenklassen und nahezu allen Wirtschaftszweigen zu beobachten. Gestützt wird diese Entwicklung auch von der Förderinitiative „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

Mandanten müssen sich aufgrund der digitalen Transformation mit veränderten Kundenbedürfnissen und -wünschen auseinandersetzen und ihre Geschäftsstrategien und -prozesse an­passen. Auch im Finanz- und Rechnungswesen ist bei Mandanten eine sehr starke Automatisierung zu beobachten. Digitale Eingangs- und Ausgangs­rechnungen mit den dafür erforderlichen Prüf­routinen sind keine Seltenheit mehr. Auch digitale Archivierungssysteme kommen vielfach zur Anwendung.

Diese Entwicklung erfordert auch ein strategisches Umdenken bei Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften, um die Anforderungen der Mandanten als Dienstleister zu erfüllen. Die Abläufe müssen fortlaufend an die sich aufgrund der Digitalisierung verändernden Prozesse angepasst werden. Diese Anpassungen haben zum einen tiefgreifende Auswirkungen auf die Kanzleiorganisation und die betrieblichen Prozesse der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften als Unternehmen. Zum anderen befinden sich auch die Prozesse bei der Erbringung von Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsleistungen durch die Digitalisierung in einem dramatischen und sich fortlaufend ändernden Wandel. Um insbesondere für die Mandanten den größten Nutzen erbringen zu können, scheinen dabei die folgenden drei Kernaussagen zu gelten:

  • Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.
  • Was vernetzt werden kann, wird vernetzt.
  • Was automatisiert werden kann, wird automatisiert.

Im Rahmen der Digitalisierung der Kanzleiorganisation erfahren die bestehenden Produkte und Dienstleistungen eine digitale Transformation; teilweise entstehen neue Produkte. Die Kommunikationsmedien mit den Mandanten verändern sich grundlegend; der Datenaustausch erfolgt zunehmend über Datenräume bzw. über Internet-basierte Tools. Als ein Beispiel für eine digitale Anwendung im Mandantenservice ist beispielsweise DATEV Unternehmen Online zu nennen, die es ermöglicht, durchgängig digitale Prozesse bei der Lohn- und Finanzbuchhaltung sowie der Abschlusserstellung in der Mandatsarbeit einzusetzen. Weitere Anwendungen bieten digitale Analysetools, durch die Mandanten bei betriebswirtschaftlichen Fragestellungen oder auch bei Betriebsprüfungen begleitet werden.

Grafik: Fides Treuhand

Auch im Bereich Wirtschaftsprüfung unterliegen die Prozesse aktuell aufgrund der Digitalisierung starken Veränderungen. Diese Entwicklung geht einher mit einer grundsätzlichen Entwicklung der Ausrichtung der Abschlussprüfung in den letzten Jahren von einem Vergangenheitsbezug zu einem Gegenwarts- und in der Folge Zukunftsbezug (siehe Abb. oben).

Als Folge der Digitalisierung ist die Prüfung immer mehr mit sich ebenfalls digitalisierenden Prüfungsgegenständen konfrontiert, z. B. müssen immer größere Datenmengen bei der Prüfung berücksichtigt werden. Die Prüfmethodik muss an die großen vorliegenden, verarbeiteten Datenmengen angepasst werden. Data-Analytics-Verfahren werden eine immer größere Bedeutung in der Jahresabschlussprüfung bekommen. Dementsprechend werden die im Rahmen der Abschlussprüfung eingesetzten IT-Lösungen zunehmend big-data-fähig. Die Analyse großer Datenmengen ergänzt oder ersetzt menschliche Prüfungshandlungen. Durch die steigende Effizienz und Rechnerkapazitäten werden in Teilbereichen Stichprobenprüfungen mehr und mehr durch Vollprüfungen ersetzt. Dies führt zum Vorteil der Mandanten zu einer höheren Prüfungsqualität. Auch entsteht durch tiefgreifende Datenanalysen fast zwangsläufig ein Mehrwert, durch den weiterer Nutzen für den Mandanten generiert werden kann. Weiterhin können Data-Mining-Techniken eingesetzt werden, um nicht finanzielle Informationen, z. B. aus Presseartikeln, auszuwerten und so etwa Risikobeurteilungen mit Blick auf das geprüfte Unternehmen ableiten zu können. Schließlich können elektronische Schnittstellen mit den IT-Systemen der Prüfungsmandanten eingerichtet werden, sodass Wirtschaftsprüfer permanent mit diesen verbunden sind, was Prüfungshandlungen in Echtzeit ermöglicht. Derzeit wird in der Literatur die zukünftige Anwendung der Blockchain-Technologie diskutiert, die das automatisierte Einholen von Drittbestätigungen bei der Jahresabschlussprüfung ermöglichen soll und damit in den sehr aufwendigen Bereich der Einholung externer Saldenbestätigungen und anderer Bestätigungen Vereinfachungen bringen soll. Wohin diese digitale Entwicklung bei der Abschlussprüfung insgesamt führen wird, lässt sich derzeit nicht abschätzen.

Abschließend gilt festzuhalten, dass es falsch wäre, die zunehmende Digitalisierung aufgrund der zwangsläufig großen Veränderungen in den Geschäftsmodellen der Mandanten als Gefahr zu sehen. Die Veränderungen sollten, so weitgehend sie auch sein mögen, als strategische Chancen gesehen werden, auch Geschäfts­modelle und Dienstleistungen weiterzuentwickeln und insoweit ein Umdenken zu bewirken. Nur so wird man auch zukünftig in der Lage sein, Mandanten optimal zu deren Vorteil zu betreuen.

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