Artikel erschienen am 03.08.2023
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Das Steueroasen-Abwehrgesetz

Ein weiterer Baustein für eine fairen Besteuerung?

Von Prof. Dr. Claus Herfort, Hamburg | Alke Fiebig, Hamburg

Das Gesetz richtet sich gegen Steuerhoheitsgebiete, die international anerkannte Standards zur Vermeidung aggressiver Steuerpraktiken sowie zur Gewährleistung von Transparenz und Informationsaustausch nicht umsetzen.

Konzertierte Gesetzgebungsmaßnahmen gegen Steuervermeidung

Das Steueroasen-Abwehrgesetz ist Baustein einer umfassenden, grenzüberschreitenden und konzertierten Gesetzesinitiative. Ausgangspunkt ist der Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) der OECD, der in insgesamt 15 Punkten Einzelmaßnahmen zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanung und Gewährleistung einer international fairen Aufteilung des Besteuerungsaufkommen auflistet. Für den EU-Raum wurden zahlreiche dieser Maßnahmen in der Anti-Tax-Avoidance-Directive I und II umgesetzt. Die Mindereinnahmen aus Steuervermeidungspraktiken für den Bund schätzte das IFO-Institut für 2021 auf 5,7 Mrd. Euro.

Daneben beobachtet die internationale Staatengemeinschaft jedoch eine – wenn auch nicht zu große – Zahl von Jurisdiktionen, die sich diesen Initiativen verweigern und somit weiterhin Spielraum für unerwünschte Steuergestaltung bieten. Vor diesem Hintergrund ist die Gesetzesinitiative der Bundesrepublik zu einem Steueroasen-Abwehrgesetz zu verstehen.

Das Steueroasen-Abwehrgesetz setzt bei den inländischen Steuerpflichtigen an

Das Steueroasen-Abwehrgesetz basiert im Grundsatz auf dem Annex I der „EU List of non-cooperative jurisdictions for tax purposes“ („EU-Blacklist“). Diese listet nach bestimmten Kriterien Länder oder Gebiete auf, die als Steueroasen zu qualifizieren sind. Da sich die betreffenden Staaten – wie einleitend erwähnt – nicht dem internationalen Maßnahmenkatalog anschließen und weder OECD noch EU naturgemäß Einfluss auf die Steuergesetzgebung dieser Länder nehmen können, richten sich die Maßnahmen nicht gegen die betreffenden Länder, sondern gegen Steuerpflichtige, die Geschäftsbeziehungen mit den betreffenden Ländern unterhalten.

Als nicht kooperativ werden nach der EU-Blacklist Staaten angesehen, wenn sie:

  • keine hinreichende Transparenz in Steuersachen gewährleisten oder
  • unfairen Steuerwettbewerb betreiben oder
  • sich nicht zur Umsetzung der Mindeststandards des BEPS-Projektes bekennen.


Ist nur eines der o.g. Kriterien erfüllt, wird der betreffende Staat in die EU-Blacklist aufgenommen. Eine entsprechende Überprüfung der Kriterien durch die einzelnen Steuerpflichten entfällt mithin. Im Überblick stellen sich die gesetzgeberischen Abwehrmaßnahmen wie folgt dar:

  1.  Betriebsausgaben und Werbungskosten aus Geschäftsbeziehungen mit in den betreffenden Gebieten ansässigen Partnern sind vom Abzug ausgeschlossen.
  2. Der Anwendungsbereich der sogenannten „Hinzurechnungsbesteuerung“ nach der niedrig besteuerte passive Einkünfte ausländischer Tochtergesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen der inländischen Besteuerung unterworfen werden, wird auf aktive Einkünfte – und damit auf sämtliche Einkünfte der in einer Steueroase ansässigen Tochtergesellschaft – ausgedehnt.
  3. Der Anwendungsbereich der Quellensteuer wird über den bisherigen Bereich der beschränkten Steuerpflicht hinaus erweitert.
  4. Zusätzliche Privilegien – namentlich die Steuerfreiheit – für Dividendenausschüttungen und Veräußerungsgewinnen werden versagt.
  5. Alle oben genannten Maßnahmen kommen ungeachtet eines existierenden Doppelbesteuerungsabkommens zur Anwendung (Treaty Override).

Zudem werden den inländischen Steuerpflichtigen erhöhte Dokumentations- und Mitwirkungspflichten für die betreffenden Geschäftsbeziehungen auferlegt.

Als Rechtsfolge droht eine pauschale Einkommenserhöhung

Die Rechtsfolgen bei Verletzung der o.g. Mitwirkungspflichten können empfindlich sein. Es wird widerlegbar vermutet, dass die in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte aus Transaktionen mit den nicht kooperativen Staaten entweder bisher gar nicht erklärt wurden aber tatsächlich angefallen sind oder aber – soweit sie erklärt wurden – tatsächlich höher sind. Bei in der deutschen Steuererklärung erfassten Einkünften aus Geschäftsbeziehungen mit diesen Ländern wird unterstellt, dass diese grundsätzlich zu niedrig erklärt wurden. Bei Verletzung der Mitteilungspflichten drohen Zuschläge.

Costa Rica, Panama und Russland auf der Blacklist

Zusätzlich zu den bisherigen Staaten: Amerikanisch-Samoa, Amerikanische Jungferninseln, Anguilla, Bahamas, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Samoa, Trinidad und Tobago, Turks and Caicosinseln sowie Vanuatu wurden im Februar 2023 die Britischen Jungferninseln, Costa Rica, die Marshallinseln und Russland in die Blacklist aufgenommen.

Möglicher Handlungsbedarf für die internationale Schiff- und Luftfahrt sowie Versicherungen. Auch Touristik und (Rohstoff-) Handel können betroffen sein!

Mit Blick auf die EU-Blacklist mag dem Steueroasen-Abwehrgesetz zunächst ein nur eingeschränkter Anwendungsbereich zugeschrieben werden. Spätestens jedoch nach Aufnahme von Ländern wie Russland, aber auch Costa Rica, Panama oder den Britischen Jungferninseln – mit Blick auf Betätigung international operierender Unternehmen durchaus relevante Staaten – wird die Bedeutung zunehmen und sich der Anwendungsbereich nicht nur auf bestimmte Branchen reduzieren, zumal das Gesetz nicht nur Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen, sondern auch mit fremden Dritten erfasst.

Es fehlt die „Unschuldsvermutung“

Das Ziel des Gesetzgebers ist grundsätzlich zu begrüßen. Es sollen Steuerhoheitsgebiete erfasst werden, die sich den internationalen Bestrebungen gegen aggressive Steuervermeidung und Gewinnverlagerung sowie für eine – auch im grenzüberschreitenden Bereich – faire Aufteilung des Besteuerungsaufkommens verweigern. Andernfalls blieben unilaterale Bestrebungen zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltung Stückwerk. Gleichwohl krankt das Gesetz an einer generellen Missbrauchsannahme, da dem inländischen Steuerpflichtigen keine Möglichkeit eines Gegenbeweises gegeben wird. Ein aus anderen Rechtskreisen bekannter „Motivtest“ sollte hier Abhilfe schaffen. Auch die anderen, einleitend genannten multilateralen Gesetzgebungsinitiativen fragen regelmäßig nach dem „Warum“ der jeweiligen Gesellschaftsstruktur oder Geschäftsbeziehung. Nicht umsonst führte die ATAD-Richtlinie den sogenannten „Principle Purpose Test“ ein, wonach steuerliche Gestaltungen nur dann als rechtsmissbräuchlich erachtet werden, wenn die steuerlichen Gründe für ihre Errichtung überwiegen und es an tatsächlichen wirtschaftlichen oder operativen Erwägungen fehlt. Gleiches muss auch für Unternehmen der Luft- bzw. Schifffahrt oder Rohstoffhändler gelten, die in den genannten Staaten Tochterunternehmen oder Geschäftsbeziehungen unterhalten, ohne dass dies zwingend steuerlich motiviert sein muss.

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