Artikel erschienen am 14.05.2013
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Der Notfall-Koffer

Luxus oder Pflicht des Unternehmers?

Von Thomas Heidemann, Isernhagen | Dr. iur. Nicolas W. Garstka, Isernhagen

Welche grundlegenden Maßnahmen sollte ein Unternehmer ergreifen, um im Falle seiner akuten Handlungsunfähigkeit die Leitung der Geschäfte und den Fortbestand seines Unternehmens zu sichern? Unternehmensführung ist Verantwortung. Für sich und für andere. Damit ein Unglück nicht für das Unternehmen und die Familie zur Katastrophe wird, sollte der Unternehmer seinen „Notfall-Koffer“ gepackt haben.

Denn es kann jeden jederzeit und völlig unverhofft treffen. Eine Vielzahl von Unternehmen wäre bei einem plötzlichen Ausfall des Inhabers/Gesellschafter-Geschäftsführers führungslos.

Wer wird Ihre Interessen wahrnehmen?

Plötzlich ist sie da, die Situation, in welcher der Unternehmer als Inhaber und/oder Geschäftsführer für mehrere Wochen, Monate oder gar dauerhaft ausfällt, z. B. aufgrund eines Unfalls oder einer schweren Krankheit. In vielen Fällen wissen der Unternehmer und sein Umfeld gar nicht, was dann passieren soll. Wer wird die Geschäfte weiterführen? Wer kennt die laufenden Projekte, die Auftragslage, die Produktions­abläufe, Rezepturen etc.? Gibt es überhaupt Bevollmächtigte?

Denn auf die wichtige Frage, wer im Falle der eigenen Handlungsunfähigkeit die Geschäfte und Geschicke des Unternehmens zumindest vorübergehend wahrnehmen und leiten soll, wird häufig geantwortet: „Das werden meine Angehörigen schon machen.“ Das ist aber ein weit verbreiteter Irrglaube. Selbst nahe Angehörige – etwa eigene Kinder oder der Ehepartner – können für einen Unternehmer im Rahmen dessen Handlungsunfähigkeit nicht wirksam handeln – und fremde Dritte schon gar nicht.

Ausnahme: Diese Personen sind z. B. durch General- bzw. Vorsorgevollmacht hierzu ausdrücklich ermächtigt. In Ermangelung solcher durch Vollmacht begründeten Handlungsfähigkeit wird durch das zuständige Amtsgericht (Betreuungsgericht) für alle notwendigen Maßnahmen – wie etwa Vermögensangelegenheiten, höchstpersönliche Angelegenheiten, Gesundheitsangelegenheiten etc. – ein Betreuer bestellt.

Ein gerichtlich bestellter Betreuer ist häufig eine „wildfremde“ Person, die im Zweifelsfall den Unternehmer selbst bzw. das Unternehmen erst nach der Bestellung „kennen“ lernt – zuvor gab es nie Kontakt. Dieser „unbekannte“ Betreuer nimmt dann aufgrund seiner Bestellung die ihm obliegenden Aufgaben und nach bestem Wissen und Gewissen die Interessen des Betreuten wahr.

Um zu vermeiden, dass ein fremder Dritter über die Angelegenheiten des Betroffenen entscheidet – und um die Handlungsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu sichern – sollte der Unternehmer zum einen rechtzeitig in seinem Unternehmen eine zweite Leitungsebene einziehen, welche in seiner Abwesenheit in der Lage ist, die ureigensten Geschäfte des Unternehmens weiterzuführen. Hierzu gehört etwa die Bestellung eines Prokuristen, welcher alle ihm kraft Gesetzes bzw. im Rahmen der Prokuraerteilung im Innenverhältnis übertragenen Aufgaben wahrnehmen kann. Möglich wären auch weiterere Vollmachten, die einzelnen Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern im Unternehmen erteilt werden können, etwa für die Bereiche Produktion, Einkauf, Verkauf und interne Verwaltung.

Zumindest aus dem Bereich der internen Verwaltung sollte auch einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter umfassende Bankvollmacht erteilt werden, damit sämtliche finanziellen Transaktionen weiter vorgenommen werden können. Kaum auszudenken, dass z. B. die Produktion eines Unternehmens zum Erliegen käme, weil der Einkauf zwar Waren bestellt hat, diese aber mangels Bezahlung von den Lieferanten nicht mehr geliefert werden würden.

Wichtig ist zudem, dass zumindest einer Person Handlungsbefugnis im arbeitsrechtlichen Bereich übertragen wird, damit im Fall des Falles auch rechtswirksam Kündigungen oder Einstellungen ausgesprochen werden können.

Zusätzlich zu den vorgenannten Maßnahmen sollte der Unternehmer im Rahmen einer sogenannten Vorsorge- bzw. Generalvollmacht zudem dafür Sorge tragen, dass er auch in allen Fragestellungen, welche über den gewöhnlichen Gang seines Unternehmens hinausgehen, wirksam vertreten werden kann. Dies kann z. B. die Wahrnehmung der Rechte des Unternehmers als Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung – etwa Stimmrechte – betreffen oder auch außergewöhnliche Belange, wie etwa die Einstellung betriebener Geschäftszweige und Aufnahme neuer Geschäftszweige, gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen etc.

Kontrollorgan Beirat

Um den Bevollmächtigten Unterstützung bei der Wahrnehmung der vielfältigen Aufgaben zukommen zu lassen oder aber deren Handeln zu überwachen, ist auch die Einsetzung eines Beirates denkbar. Hierbei sind die möglichen Aufgaben des Beirates vielfältig. Der Beirat kann den Bevollmächtigten z. B. als beratender Beirat mit Rat und Tat zur Seite stehen, möglich wäre aber auch, dass z. B. die schriftliche Zustimmung des Beirates zum wirksamen Handeln der Bevollmächtigten notwendig ist.

Die Besetzung des Beirates könnte wie folgt ausgestaltet sein: Als ein Beiratsmitglied käme z. B. der langjährige Steuerberater des Unternehmers in Betracht, ein weiteres Beiratsmitglied könnte der Leitungsebene der Hausbank des Unternehmers angehören und ein drittes Beiratsmitglied könnte aus der Familie oder dem Kreis der befreundeten Unternehmer des Betroffenen stammen.

Vollmacht für privates Vermögen und persönliche Angelegenheiten

Neben den betrieblichen und unternehmerischen Belangen im Rahmen der Generalvollmacht sollte zudem auch der private Bereich – etwa private Vermögensangelegenheiten wie Wertpapierdepots, privates Immobilienvermögen etc. – mit einer Vollmacht für den höchstpersönlichen Bereich geregelt werden. Letzterer umfasst z. B. Maßnahmen der Pflege, der Unterbringung in einer geeigneten Pflegeeinrichtung und Maßnahmen der Gesundheitssorge, etwa auch Zustimmung zu lebensbedrohlichen Operationen etc.

Auch eine Betreuungsverfügung schützt

Denkbar wäre auch eine sogenannte Betreuungsverfügung, mit welcher der Verfügende dem Betreuungsgericht vorgibt, wer im Fall des Falles als Betreuer bestellt werden soll, um einen „wildfremden“ Betreuer zu vermeiden.

Handschriftlich oder notariell beurkundet?

Auch wenn das Gesetz nicht zwingend die notarielle Beurkundung derartiger Vorsorgevollmachten vorsieht, ist die notarielle Beurkundung jedoch dringend anzuraten. Nicht nur, um dem Einzelfall geschuldete Formvorschriften zu genügen, die notarielle Beurkundung der Urkunde bestätigt auch, dass sich der Vollmachtgeber mit dem Inhalt der Vollmachterteilung voll­umfänglich auseinandergesetzt hat und die Vollmacht – so wie sie beurkundet wurde – auch tatsächlich erteilen wollte und bestätigt ganz nebenbei die Echtheit der Unterschrift des Vollmachtgebers. Denn was nutzt die beste Vollmacht, wenn ein durch Vorsorgevollmacht Bevollmächtigter im Interesse des Vollmachtgebers handeln will, die „Gegenseite“ jedoch die Echtheit der Unterschrift anzweifelt und somit nicht mit dem Bevollmächtigten in Verhandlungen tritt.

Welche Unterlagen sollte ein Notfall-Koffer noch enthalten?

In einen gut gefüllten Notfall-Koffer gehören aber auch noch eine Vielzahl weiterer wichtiger Urkunden und Unterlagen (siehe nebenstehender Kasten), etwa ein maßgeschneidertes Testament, um die Unternehmensnachfolge zu regeln, etwa ein Ehevertrag zum Schutz vor Zugewinnausgleichsansprüchen, welche den Fortbestand des Unternehmens und damit die wirtschaftliche Absicherung der ganzen Familie gefährden können – kurzum alles, was im Fall des Falles dazu dient, eine reibungslose Interessenwahrnehmung im Sinne des Unternehmers und der Unternehmerfamilie für den Fortbestand des Unternehmens sicherzustellen.

Zukunftsorientierte Unternehmensführung am Beispiel eines Notfall-Koffers

Grundsätzlich beginnt alles in dem Bewusstsein des Unternehmers, Prozesse zu planen und sich aktiv mit verschiedenen wesentlichen Szenarien auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich permanent mit den Unternehmenszielen und Wegen zu derer Erreichung (inkl. Dokumentation), Planungen über die Geschäftsentwicklung der kommenden 3–5 Jahre sowie dem Umfang wesentlicher Projekte zu beschäftigen und diese ausführlich zu dokumentieren. Wir empfehlen, sich mindestens einmal jährlich für diese Themen Zeit zu nehmen, in der Führungsrunde zu diskutieren und entsprechende Maßnahmen zu definieren. Die Ergebnisse können in einer konkreten Planung mit Zahlen hinterlegt und entsprechende Aktivitäten erfasst bzw. dokumentiert werden. Im Prozess der Unternehmensnachfolge werden häufig Nachlässigkeiten bzw. Engpassfaktoren vonseiten der Unternehmer offensichtlich und die Bereitschaft ist hoch, die Prozesse strukturiert anzugehen. In der Praxis hat sich eine mit dem Unternehmer definierte „Meilensteinplanung“ bewährt, in der alle relevanten Prozesse über einen Zeitraum von 5 Jahren erfasst und kontinuierlich angepasst bzw. nachgehalten werden. Das damit verbundene Controlling macht die Prozesse anfassbar und gibt den Beteiligten mehr Transparenz und Sicherheit bei der zukünftigen Unternehmensführung. Der NotfallKoffer beinhaltet alle relevanten Werkzeuge, um sicher in die Zukunft eintreten zu können.

Foto: panthermedia/Hannu Viitanen

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