Artikel erschienen am 01.03.2015
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Betriebsvermögen und Erbschaftsteuer

Handlungsempfehlungen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Von Dr. iur. Otto Lüders, Hannover | Dipl.-oec. Oliver Warneboldt, Hannover

Selten hat eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Steuerrecht eine solche Aufmerksamkeit gefunden wie das Urteil vom 17.12.2014 zum Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz. Jeder Unternehmer wird sich jetzt mit der Frage beschäftigen müssen, wann der richtige Zeitpunkt ist, sein betriebliches Vermögen auf Nachfolger zu übertragen.

Die Verschonung betrieblichen Vermögens von der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist, so das Bundesverfassungsgericht, teilweise unwirksam, weil auch große betriebliche Vermögen hiervon umfasst sind und das Gesetz keine Bedürftigkeitsprüfung vorschreibt. Dieses sei ein Verstoß gegen den verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz.

Weiter beanstandet das Gericht, dass Betriebe mit weniger als 20 Arbeitnehmern von der Lohnsummenregelung ausgenommen sind. Zur Erinnerung: Nur wenn die jährliche Lohnsumme in den ersten fünf Jahren (bei einer 85-%igen Verschonung) bzw. in den ersten sieben Jahren (bei einer 100-%igen Verschonung) 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet, wird die Verschonung gewährt.

Das Bundesverfassungsgericht gibt dem Gesetzgeber eine Frist zur Änderung der als verfassungswidrig eingestuften Regelungen bis zum 30.06.2016; so lange gelten die beanstandeten Regelungen fort, d. h., betriebliches Vermögen ist, bei richtiger Gestaltung, weiter begünstigt. Leider hat es das Gericht dabei aber nicht bewenden lassen. In der Begründung des Urteils legen die Verfassungsrichter dem Gesetzgeber nahe, eine neue gesetzliche Regelung so auszugestalten, dass rückwirkend ab dem 18.12.2014 jedenfalls das „exzessive Gebrauch machen“ von der Verschonungsregelung verhindert wird. „Exzessiv“, das meint übermäßig, maßlos, hemmungslos oder unersättlich, wie ein Blick in den Duden zeigt. Es handelt sich also um einen unbestimmten, einer subjektiven Wertung unterworfenen Begriff, welcher eine Rechtsunsicherheit geradezu provoziert.

In Zukunft Verschonung nur noch für das Vermögen kleiner und mittelständischer Unternehmen?

Der Gesetzgeber wird die neue gesetzliche Regelung mit Sicherheit so ausgestalten, dass die Gewährung des Verschonungsabschlages nur noch für kleine und mittelständische Unternehmen gilt. Auch hierzu gibt das Bundesverfassungsgericht einen Hinweis, wenn es Bezug nimmt auf die Empfehlung der EU-Kommission zur Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen. Hierzu werden solche gezählt, die weniger als 250 Arbeitnehmer beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro erzielen oder deren Bilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. Euro beläuft.

Was bedeutet das für die Praxis?

Wenn ein Unternehmer sein Unternehmen oder seine Unternehmensbeteiligung, welche derzeit steuerlich verschont wird, bis zum 30.06.2016 überträgt, ist dieses mit Sicherheit die richtige Entscheidung – besser wird es definitiv nicht.

Stellt diese Übertragung keine exzessive Ausnutzung der geltenden Situation dar, können alle derzeitigen steuerlichen Vorteile für eine solche Übertragung in Anspruch genommen werden. Besteht die Gefahr der exzessiven Ausnutzung, ist die Übertragung bis zum 30.06.2016 ebenfalls der richtige Weg, denn so bleibt zumindest die Möglichkeit, sich mit der Finanzverwaltung über die Frage des Vorliegens einer exzessiven Ausnutzung – erfolgreich – zu streiten.

Übertragung bis zum 30.06.2016 ist mit Sicherheit der richtige Weg

Ein Unternehmer, der sich mit dem Gedanken der Übertragung seines Unternehmens oder seiner Unternehmensbeteiligung auf die nächste Generation beschäftigt, sollte jetzt handeln.

Fazit

Wer sich mit dem Gedanken trägt, ein Testament zu errichten, sollte sich nicht daran gehindert sehen. Verstirbt der Testierende vor dem 30.06.2016, spricht alles dafür, dass die Regelungen über die steuerlichen Vergünstigungen greifen, allerdings auch hier wohl mit der Einschränkung der „exzessiven Ausnutzung“, wobei die Kriterien hier die gleichen sein werden wie für die Übertragung zu Lebzeiten.

Foto: Panthermedia/Kurhan

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