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„Fremdes“ Eigentum in der Insolvenz

Von Udo Müller, Hannover | Dipl.-Betriebswirt Heiko Rautmann, Hannover

Der Rang des Eigentums wird in unserer freien Gesellschaft besonders hoch eingeschätzt. Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland schützt das Eigentum durch Art. 14 Grundgesetz. Jedoch kann selbst das Eigentum keinen absoluten Schutz für sich in Anspruch nehmen. Dies ergibt sich schon vor dem Hintergrund der Insolvenz des Eigentümers, denn in diesem Fall muss gerade das Vermögen des Insolvenzschuldners verwertet werden, um die Gläubiger des Schuldners zu befriedigen. Der Insolvenzverwalter ist daher nach den Maßgaben der Insolvenzordnung (InsO) aufgerufen, die Gegenstände, die im Eigentum des Insolvenzschuldners stehen, in Besitz zu nehmen und zugunsten der Insolvenzmasse zu verwerten.

Was ist aber im umgedrehten Fall? Was ist, wenn der Verwalter Gegenstände in Besitz nimmt, die gar nicht dem Insolvenzschuldner gehören? Dies ist durchaus häufig der Fall, denn der Insolvenzverwalter ist gemäß § 148 InsO grundsätzlich verpflichtet, die gesamte „Ist-Insolvenzmasse“ in Besitz zu nehmen. Dazu gehören aber auch fremde Gegenstände, die der Insolvenzschuldner in Besitz hatte – z. B., weil der Insolvenzschuldner an ihnen Reparaturen vornehmen sollte, weil sie bei dem Insolvenzschuldner untergestellt waren oder der Insolvenzschuldner sich den Gegenstand als Pfand hat übergeben lassen.

Auf den ersten Blick erscheint diese Frage einfach zu beantworten zu sein: Was nicht zum Vermögen des Insolvenzschuldners gehört, hat zumindest auf den ersten Blick im Insolvenzverfahren des Insolvenzschuldners nichts zu suchen und ist vom Insolvenzverwalter herauszugeben. Dass dies nicht so einfach ist, zeigt aber schon der letzte Beispielsfall, denn der verpfändete Gegenstand sichert ein Recht, das wiederum zur Insolvenzmasse gehört.

Hier wird auch schon ein grundsätzliches Problem deutlich, denn die (Geld-)Kreditgeber versuchen sich im Hinblick auf eine mögliche Insolvenz des Kreditnehmers möglichst umfassend zu sichern. Da das vom Gesetzgeber vorgesehene Pfandrecht im Regelfall wenig praktikabel ist, lassen sie sich daher gerne Eigentumsrechte des Schuldners übertragen, um ihre Forderung abzusichern (Übertragung von Sicherungseigentum oder von Eigentumsvorbehalten usw.).

An dieser Stelle wird deutlich, dass die Frage, welches Eigentum zur Aussonderung berechtigt, nicht nur für den Insolvenzverwalter und den Insolvenzschuldner, sondern auch für die beteiligten Banken und die Vertragspartner des Insolvenzschuldners von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Die Frage, ob das fremde Eigentum schlicht herauszugeben (also in der Sprache der Insolvenzrechtler auszusondern) ist, wird dementsprechend insbesondere anhand der Frage, ob ein vereinbarter Eigentumsvorbehalt zur Aussonderung berechtigt, erörtert – und dies seit über 100 Jahren. Der BGH hat dazu gerade wieder ein grundsätzliches Urteil (siehe dazu unten) gefällt.

Als gefestigt kann die Aussage gelten, dass dem Eigentümer, der seinen Gegenstand an einen Dritten unter Eigentumsvorbehalt veräußert und übergibt, in der Insolvenz des Vertragspartners ein Aussonderungsrecht am veräußerten Gegenstand zusteht. In diesem Fall ist der Eigentumsübergang regelmäßig unter die Voraussetzung gestellt worden, dass der vereinbarte Kaufpreis vollständig gezahlt wurde. Ist diese Tatsache noch nicht eingetreten, der Kaufpreis mithin noch nicht vollständig bezahlt, kann der Eigentümer seinen Gegenstand wieder herausverlangen (es sei denn, der Insolvenzverwalter zahlt den noch ausstehenden Kaufpreis).

Klar ist auf der anderen Seite auch, dass erweiterte und verlängerte Eigentumsvorbehalte nicht zu einem Aussonderungsrecht führen. In diesen Fallgestaltungen hat der Sicherungsnehmer nicht nur den Kaufpreis selbst, sondern darüber hinaus weitere Forderungen unter die Sicherung „Eigentumsvorbehalt“ gezogen. Diese überschießenden Sicherungen werden insolvenzrechtlich nicht mehr als „Eigentumsrecht“, sondern nur noch als „Pfandrecht“ anerkannt. Sie führen damit nicht mehr zu einem Aussonderungsrecht, sondern nur noch zu einem Absonderungsrecht. Mit einem Absonderungsrecht kommt dem Sicherungsnehmer aber ein deutlich geringerer Schutz zu. Dies wird schon dadurch deutlich, dass er den Gegenstand in der Insolvenz seines Vertragspartners vom Insolvenzschuldner nicht einfach herausverlangen kann – und natürlich dadurch, dass er nach der Verwertung des Gegenstands vom Verwertungserlös nur höchstens einen Anteil verlangen kann, der dem Wert der durch den erweiterten/verlängerten Eigentumsvorbehalt abgesicherten Forderung entspricht. Zudem werden vom Erlös vor der Berücksichtigung des Sicherungsnehmers bestimmte Kostenerstattungen zugunsten der Masse vorgenommen (siehe dazu §§ 166 ff. InsO), sodass der Sicherungsnehmer ggfs. auch (teilweise) Forderungsausfälle hinnehmen muss.

Zwischen diesen beiden Eckpunkten ergeben sich immer wieder Fallkonstellationen, die umstritten sind. Für Diskussion hat dabei ein Urteil des BGH gesorgt, das im Jahr 2008 zur Entscheidung anstand (Urt. v. 27.03.2008 –
Az. IX ZR 220/05, veröffentlicht z. B. in NZI 2008, S. 357 f.). In dem zu entscheidenden Fall hatte sich eine Bank, die den Käufer finanzierte, vom Vorbehaltsverkäufer den einfachen Eigentumsvorbehalt übertragen lassen und verlangte später in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers die Aussonderung des Kaufgegenstands. Der BGH trat diesem Begehren entgegen. Der Bank sei nur ein Absonderungsrecht zuzugestehen. Zur Begründung verwies der BGH darauf, dass ein Warenkreditgeber schutzwürdiger sei als ein Geldkreditgeber. Als Warenkreditgeber sei zwar der Verkäufer, der seine Ware unter einfachem Eigentumsvorbehalt veräußert, anzuerkennen, nicht jedoch eine Bank, die sich den einfachen Eigentumsvorbehalt nur zu Sicherungszwecken übertragen ließ. Durch die Übertragung des Eigentumsvorbehalts sichere dieser letztlich einen Geldkredit und könne daher in der Insolvenz nur zu einer Absonderung berechtigen.

Anlass, diese Rechtsprechung zu überprüfen, erhielt der BGH kürzlich. In dem im Mai 2014 entschiedenden Fall (Urt. v. 08.05.2014 – Az. IX ZR 128/12, veröffentlicht z. B. in NZI 2014, S. 696 ff.) lag die Konstellation eines „echten“ Factoring-Vertrages vor. Der Lieferant des späteren Insolvenzschuldners hatte mit einem Factor einen „Vertrag über den Ankauf von Forderungen“ geschlossen und dabei auch das „Delkredere-Risiko“ (also das Ausfallrisiko) übernommen. Zudem hatte der Lieferant den Herausgabeanspruch und damit das Eigentum an den gelieferten Gegenständen auf den Factor übertragen und ihn berechtigt, vom Liefervertrag zurückzutreten, wenn die dazu vorgesehenen Voraussetzungen gegeben waren. In dem zu entscheidenden Fall hatte der Factor dementsprechend nicht nur bei Bekanntwerden der Krise den Vertrag gekündigt, sondern den Gegenstand im eröffneten Insolvenzverfahren aufgrund der nicht vollständigen Kaufpreiszahlung vom Insolvenzverwalter herausverlangt. Problematisch war hier, dass der Factor sich letztlich ebenfalls auf einen „abgeleiteten Eigentumsvorbehalt“ berief. Damit war offen, ob der Factor vom BGH in dieser Fallgestaltung eher als Warenkreditgeber oder als Geldkreditgeber angesehen wird. Die neue Entscheidung zeigt, dass der BGH den abgeleiteten Eigentumsvorbehalt nicht generell dem Absonderungsrecht unterwirft, sondern fordert, dass mit der Übertragung des (einfachen) Eigentumsvorbehalts die Sicherung einen Bedeutungswandel erfahren haben muss, sodass die Sicherung jetzt eher mit dem Sicherungseigentum vergleichbar ist. Dies sei im Fall des echten Factorings nicht gegeben, da der Eigentumsvorbehalt nach wie vor den Rückgewähranspruch an der Kaufsache absichere. Mithin sei dem echten Factor ein Aussonderungsrecht zuzugestehen.

Gerade die neueste Entscheidung des BGH zeigt einmal mehr, dass der „Kampf um die Sicherheiten“ für den Fall der Insolvenz des Vertragspartners nach wie vor geführt wird. Dies nicht ohne Grund. Es macht sehr viel Sinn, sich im Vorhinein auf den Fall der Insolvenz des Vertragspartners einzustellen und sich durch eine entsprechende Vertragsgestaltung abzusichern. Allerdings zieht die Rechtsprechung diesen Sicherungen immer engere, detailliertere Grenzen.

Foto: Panthermedia/Kirsty Pargeter

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