Eigenverwaltung als Handlungsoption
Insolvenz als Chance für eine durchgreifende Unternehmensrestrukturierung
Von Hans G. Fritsche, HannoverGeschäftsführungen sind sich durchaus bewusst, welche Maßnahmen erforderlich sind, um eine Unternehmenskrise abzuwenden und die Gewinnzone wieder zu erreichen. Wenn sich das Betriebsergebnis über Jahre nahe der Nulllinie oder darunter bewegt, fehlen aber häufig die Mittel, um die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen umzusetzen. Die Beendigung unrentabler Verträge und die Schließung von Standorten sind oft mit hohen Kosten verbunden. Ein vorzeitiger Ausstieg kostet viel Liquidität oder ist gar nicht darstellbar. Ein überfälliger Personalabbau wird vor dem Hintergrund des umfangreichen Kündigungsschutzes, von Abfindungen und kostspieligen Sozialplänen nicht angegangen.
Hier bietet die Insolvenz in Eigenverwaltung deutliche Erleichterungen:
- Die maximale Kündigungsfrist beträgt drei Monate, unabhängig davon, wie lange ein Mitarbeiter bereits im Unternehmen beschäftigt ist.
- Sozialplanabfindungen sind unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit auf zweieinhalb Monatsgehälter begrenzt.
- Dauerschuldverhältnisse, wie lang laufende Miet- oder Leasingverträge, können mit einer Frist von maximal drei Monaten vom eigenverwaltenden Schuldner gekündigt werden.
- Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt für drei Monate rückwirkend von der Eröffnung des Verfahrens die Zahlung der Löhne und Gehälter.
- Während des vorläufigen Verfahrens abzuführende Krankenkassenbeiträge und Steuern können nach Verfahrenseröffnung angefochten und die Mittel für die Insolvenzmasse zurückgewonnen werden.
Nicht selten sind Unternehmen – auch im Mittelstand – Pensionsverpflichtungen ausgesetzt, die in Anbetracht der aktuellen Niedrigzinsphase sowohl das Eigenkapital als auch das Ergebnis zunehmend belasten. Durch die Insolvenz wird die Passivseite von Pensionsrückstellungen weitgehend befreit. Die versicherten Arbeitnehmer erleiden dadurch keine Nachteile, da der Pensionssicherungsverein die gesicherten Renten künftig bezahlt.
Durch die beschriebenen Effekte wird das Eigenkapital deutlich gestärkt. Bedingt durch die eingesparten Auszahlungen bei gleichbleibenden Umsatzerlösen baut sich erhebliche Liquidität auf. Daraus ergeben sich finanzielle Spielräume für die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen.
Auch bei einer Sanierung unter Insolvenzschutz handelt es sich um ein Insolvenzverfahren, an dessen Beginn ein Insolvenzantrag steht. Je frühzeitiger ein Insolvenzantrag gestellt wird und je mehr Liquidität bei Antragstellung im Unternehmen vorhanden ist, umso größer sind die Erfolgsaussichten.
Die bilanzielle und operative Sanierung sind wesentliche Bestandteile des Insolvenzplans, über den die Gläubiger am Ende des Verfahrens abstimmen. Stimmen sie dem Plan mehrheitlich zu, wird der Insolvenzplan vom Gericht bestätigt und das Verfahren nach zwei bis vier Wochen endgültig aufgehoben. Die Insolvenz kann dann nach fünf bis sieben Monaten bereits vollständig beendet sein.
Die Insolvenz bedeutet somit nicht mehr zwangsläufig das Aus für ein Unternehmen und seine Inhaber. Das Instrument der Eigenverwaltung bietet vielmehr die Chance und die finanziellen Möglichkeiten, das Unternehmen im Interesse aller Beteiligten von Grund auf zu sanieren und neu aufzustellen. Das sanierte Unternehmen ist wieder ein verlässlicher Partner für seine Kunden und Lieferanten, der durch die Wiederherstellung seiner Ertragskraft die im Insolvenzplan geregelte Quote für die Gläubiger bedienen und damit gleichzeitig das Ziel der Insolvenzordnung, die bestmögliche Gläubigerbefriedigung, erreichen kann.
Foto: Panthermedia/Josef Müllek
- Schlagwörter
- Insolvenz|
- Restrukturierung|
- Unternehmenssanierung|
- ESUG|
- Mindmap
- Finanzen Steuern Recht
- Hannover 2016/2017