Artikel erschienen am 25.05.2018
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Verlagerung der Buchführung ins Ausland und elektronische Rechnungsstellung

Aktuelle Entwicklungen im Spannungsfeld steuerlicher Anforderungen

Von Kerstin Robohm-Scholl, Hannover

Neben international tätigen Unternehmen, die bereits seit Jahren administrative Routineaufgaben in konzerneigenen oder -fremden Dienstleistungszentren im Ausland zentralisieren, kann es auch für mittelständische Unternehmen überlegenswert sein, Buchführungstätigkeiten ins Ausland zu verlagern, um Verwaltungskosten einzusparen und Effizienzgewinne zu realisieren. Dabei geht es neben den Erfassungstätigkeiten vor allem auch um die Datenarchivierung. Diese dürfte in Zukunft im Zusammenhang mit der fortschreitenden und sich immer weiter verbreitenden elektronischen Rechnungsstellung immer mehr in den Vordergrund treten.

Allerdings müssen Unternehmen, die ihre Buchführung verlagern und/oder die elektronische Rechnungsstellung nutzen (wollen), natürlich weiterhin die steuerlichen Mitwirkungspflichten beachten und die Zugriffsmöglichkeiten für die Finanzverwaltung gewährleisten. Regelungen in § 146 Abs. 2a der Abgabenordnung (AO) stellen deshalb sicher, dass die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung vom Inland aus lückenlos überprüft werden kann und dass die vom Bundesministerium der Finanzen aufgestellten Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) in vollem Umfang eingehalten werden.

Grundlagen zur Verlagerung der Buchführung

Unternehmen müssen für eine beabsichtigte Verlagerung der elektronischen Buchführung schriftlich die Bewilligung des zuständigen Veranlagungsfinanzamts beantragen. Dabei sind Art und Umfang der Verlagerung genau zu bezeichnen sowie eine Beschreibung der Bearbeitungs- und Verarbeitungsvorgänge, die künftig im Ausland vorgenommen werden sollen, anzugeben. Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit Berührungspunkte mit dem Zollrecht aufweist, benötigen darüber hinaus für eine geplante Buchführungsverlagerung auch noch eine Billigung der Zollbehörden. Entsprechendes gilt bei Tätigkeiten im Bereich des Einfuhrumsatz- oder des Verbrauchsteuerrechts. Regelmäßig ist dafür das Hauptzollamt am Sitz des Unternehmens zuständig. Beide Zustimmungen sind vor Beginn der Auslagerung einzuholen, wobei im Zusammenhang mit der Antragstellung verschiedene Nachweise zu erbringen und bestimmte materielle Anforderungen einzuhalten sind. Insbesondere sind die Anträge in deutscher Sprache zu stellen; die Beschreibung der maßgeblichen Vorgänge im Ausland muss also ggf. übersetzt werden.

Zulässig ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur die Verlagerung und Aufbewahrung der elektronischen Bücher und der sonstigen erforderlichen elek­tronischen Aufzeichnungen. Unterlagen in Papierform sind daher zwingend im Inland zu führen und aufzubewahren. Der Begriff der elektronischen Buchführung wird überwiegend prozessbezogen in einem weiten Sinne verstanden und umfasst alle Teile des Buchführungsprozesses, die nicht auf der Grundlage von Papierdokumenten, sondern unter Nutzung elektronischer Hilfsmittel ausgeführt werden. In der Praxis besteht häufig ein Abgrenzungsproblem zwischen elektronischer und Papierbuchführung, weil eine klare Trennung zwischen datenverarbeitungsgestützter und physischer Buchführung zum einen nur bedingt möglich, zum anderen in den unternehmerischen Abläufen oftmals noch nicht vollständig vorgenommen ist.

Soweit § 147 Abs. 2 AO vor allem für die Jahresabschlüsse und die Eröffnungsbilanz die physische Aufbewahrung in Papierform vorsieht, sind diese deshalb zwingend im Inland zu führen und aufzubewahren. Alle anderen Unterlagen dürfen in elektronischer Form aufbewahrt werden und sind so einer Verlagerung ins Ausland zugänglich. Allerdings zählen auch die Buchungsbelege zur physischen Buchführung, die in Papierform vorliegen muss. Deshalb dürfen allenfalls Kopien dieser Unterlagen ins Ausland geschickt werden, um dort elektronisch verarbeitet zu werden. Dies gilt für das Kontieren von Belegen entsprechend. Das Erfassen von Original-Eingangsrechnungen im Scanverfahren im Ausland mit anschließender Vernichtung der Papierbelege und Auslandsarchivierung der elektronischen Belege ist danach ebenfalls nicht zulässig.

Zu den Bewilligungsvoraussetzungen gehört auch, dass der Steuerpflichtige dem zuständigen Finanzamt den Standort des Datenverarbeitungssystems und bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt. In der Praxis ergeben sich hierbei Probleme bei sog. Cloud-Server-Lösungen von Drittanbietern, da der genaue Standort des Servers dem Nutzer regelmäßig nicht bekannt ist und auch während der Vertragslaufzeit wechseln kann, ohne dass der Nutzer hierüber informiert wird. Soll dennoch eine Speicherung der aufbewahrungspflichtigen Unterlagen in einer Cloud stattfinden, können Unternehmen zum einen eine eigene Cloud-Umgebung einsetzen (sog. Private Cloud), bei der der Standort der Server bekannt ist und sich auch regelmäßig im Inland befindet. Zum anderen können bei Beauftragung eines Cloud-Anbieters Vereinbarungen hinsichtlich des genauen Standorts des Cloud-Rechenzentrums getroffen werden, um dann zumindest die Antragsvoraussetzung nach § 146 Abs. 2a AO zu erfüllen.

Hinweis: Erfährt das zuständige Finanzamt nach Bewilligung der Verlagerung von Umständen, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, ist die Bewilligung zu widerrufen. Der Steuerpflichtige muss dann die in das Ausland verlagerten Unterlagen unverzüglich nach Deutschland zurückverlagern und fortan im Inland führen und aufbewahren. Eine Änderung der Umstände ist dem Finanzamt deshalb unverzüglich mitzuteilen. Unternehmen sind daher gut beraten, auch nach der Verlagerung der Buchführung ins Ausland die Einhaltung der Voraussetzungen im Blick zu halten.

Elektronische Rechnungsstellung

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft erhalten viele Unternehmen zunehmend elektronische Dokumente (z. B. Handels- oder Geschäftsbriefe, speziell Rechnungen) in Form von E-Mails, E-Mail-Anhängen oder über Downloads. Zudem werden auch Dateien mit Datensätzen übertragen, die z. T. ohne Hilfsmittel nicht lesbar sind. Bereits mittelfristig dürfte die elektronische Rechnung das vorherrschende Format darstellen. Dazu trägt auch das sog. E-Rechnungs-Gesetz vom April 2017 bei: Im B2G-Geschäft (Business-to-Government) müssen oberste Bundesbehörden und Verfassungsorgane ab dem 27.11.2018 E-Rechnungen annehmen, alle anderen Behörden ab dem 27.11.2019 – unabhängig vom Rechnungsbetrag. Darüber hinaus sollen Lieferanten ihre Rechnungen ab dem 27.11.2020 elektronisch stellen müssen – außer bei Direktaufträgen mit einem voraussichtlichen Nettoauftragswert von maximal 1 000 Euro. Dies dürfte auch Auswirkungen auf die Entwicklungen und die weitere Verbreitung der E-Rechnung in der freien Wirtschaft (B2B) haben.

Eine elektronische Rechnung liegt derzeit vor, wenn sie in einem elektronischen Format vom leistenden Unternehmer ausgestellt und vom Leistungsempfänger elektronisch empfangen wird. Hierunter fallen Rechnungen, die insbesondere per E-Mail (ggf. mit PDF- oder Textdateianhang), per Computer-Telefax oder Fax-Server, per Web-Download oder im Wege des elektronischen Datenaustauschs (EDI) übermittelt werden. Eine Signatur ist zwar nicht mehr vorgeschrieben, kann aber gleichwohl verwendet werden. Zukünftig werden Unternehmen jeder Größe aber zum Rechnungsversand keine PDF-Datei mehr per E-Mail versenden, sondern diesen vollständig automatisieren und (über Strukturdaten) vollständig auslesbar für Kunden digitalisieren. Eine Integration aus allen und in alle Rechnungsanwendungen wird möglich sein. Ausgangsrechnungen können dann in jeglichem EDI-Format (EDIFACT, XML, ZUGFeRD 1.0/2.0, XRechnung etc.) erstellt und mit gängigen Plattformen anderer Betreiber und öffentlicher Einrichtungen ausgetauscht werden.

Wie papierhafte werden auch elektronische Rechnungen allerdings nur dann ordnungsgemäß übermittelt und aufbewahrt, wenn die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet sind. Verwenden Unternehmen keine qualifizierte elektronische Signatur oder das EDI-Verfahren, müssen sie durch ein innerbetriebliches Kontrollverfahren mit einem verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung sicherstellen, dass die beiden Voraussetzungen „Echtheit der Herkunft“ und „Unversehrtheit des Inhalts“ gewährleistet sind. Dabei ist sicherzustellen, dass alle elektronisch eingehenden Rechnungen dieses Verfahren gleich wie Papierrechnungen durchlaufen.

Erleichternd wirkt dabei, dass hierfür kein neues spezielles Verfahren innerhalb des Unternehmens geschaffen werden muss, sondern ein entsprechend eingerichtetes Rechnungswesen als geeignetes Kontrollverfahren dienen kann. Zusätzliche Aufzeichnungs- oder Aufbewahrungsverpflichtungen können durch die Nutzung vorhandener Systeme ebenfalls vermieden werden. Unternehmen müssen allerdings (trotzdem) sicherstellen, dass das bei der Aufbewahrung angewendete Verfahren und die relevanten Prozesse den GoBD entsprechen.

Rechnungen sind zwingend im gleichen Format, in dem sie übermittelt wurden, zu archivieren. Für elektronische Rechnungen bedeutet dies, dass das elektronische Format der Ausstellung bzw. des Empfangs (z. B. digital als E-Mail, oder als Anhänge in Bildformaten wie PDF oder TIFF, als Web-Download oder in EDI-Formaten)
erhalten bleiben muss. Wenn Rechnungen lediglich Anhang einer E-Mail sind, muss nur die elektronische Rechnung archiviert werden. Die E-Mail dient hier nur als „Briefumschlag“ und kann gelöscht werden. Rechnungen müssen vor allem so aufbewahrt werden, dass nachträglich keine Änderungen vorgenommen werden können bzw. Änderungen jederzeit nachvollziehbar sind. Das Aufbewahren von Ausdrucken, die Speicherung auf einer einfachen Festplatte oder einem USB-Stick ist unzureichend. Möglich ist aber eine Archivierung auf einmal beschreibbaren CDs. Auch für die Aufbewahrung von Rechnungen gelten die Verwaltungsvorschriften der GoBD.

Hinweis: Eine steuerrechtliche Pflicht zur Digitalisierung aufbewahrungspflichtiger Papierunterlagen gibt es nicht. Hat sich ein Unternehmen jedoch aus innerbetrieblichen Erwägungen für die Aufbewahrung in elektronischer Form entschieden, muss es die entsprechenden rechtlichen Anforderungen beachten.

Bei der Aufbewahrung müssen Unternehmen auch die Lesbarkeit der Rechnung über die gesamte Aufbewahrungszeit von zehn Jahren sicherstellen. Diese ist gegeben, wenn die Rechnung für das menschliche Auge lesbar ist. Rechnungsdaten, die per EDI-, XML- oder anderen strukturierten elektronischen Nachrichten übermittelt werden, sind in ihrem Originalformat nicht lesbar, sondern erst nach einer Konvertierung. Insoweit sind dann zusätzlich die notwendigen Programme zur Konvertierung vorzuhalten.

Ein Verstoß gegen die Archivierungspflicht kann mit einem Bußgeld von bis zu 5 000 Euro geahndet werden. Zu beachten ist außerdem, dass ebenso der Vorsteuerabzug aus einer nicht ordnungsgemäß archivierten Rechnung versagt werden kann. Der Unternehmer muss nachweisen können, dass ihm die Originalrechnung ursprünglich vorgelegen hat. Probleme ergeben sich daher vor allem, wenn der leistende Unternehmer den Umsatz nicht mehr bestätigen kann. Dies kann der Fall sein, weil der Rechnungsaussteller z. B. selbst keine Unterlagen mehr vorweisen kann. Empfängt ein Unternehmen nur vereinzelt elektronische Rechnungen und hält ansonsten an einer Papierbuchführung fest, kann es sich empfehlen, zur Sicherung des Vorsteuerabzugs die elektronische Rechnung zusätzlich ausgedruckt aufzubewahren.

Fazit

Die mit wirtschaftlichen Vorteilen verbundene Verlagerung einer Finanzbuchhaltung ins Ausland und/oder die Umstellung auf eine elektronische Rechnungsstellung, um Verwaltungskosten einzusparen und Effizienzgewinne zu realisieren, befreit nicht von den steuerverwaltungsrechtlichen Anforderungen. Der Fiskus hat auf moderne Entwicklungen im digitalen Umfeld reagiert und sich weitreichende Befugnisse gesichert. Vor einer Umsetzung sind die aufgezeigten Fragestellungen unbedingt zu prüfen und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Einer ausreichenden Dokumentation der zukünftigen Prozesseschritte kommt dabei ebenfalls weitreichende Bedeutung zu. Unternehmen sollten dies nicht auf die leichte Schulter nehmen, da die Finanzverwaltung ihre Betriebsprüfer diesbezüglich zielgerichtet geschult und technisch ausgestattet hat und hierauf zukünftig ein besonderes Augenmerk legen wird. Steuerausfälle infolge moderner Techniken im Rahmen von Finanzbuchhaltung und Rechnungsstellung kann und wird sie nicht hinnehmen.

Bild: Fotolia/Fotomek

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