Das neue Geheimnisschutzgesetz
Handlungsbedarf (nicht nur) für Arbeitgeber
Von Dr. iur. Martin Sievers, Hannover | Dipl.-Volkswirt, Rechtsanwalt, Joachim Rudo, HannoverNachdem die EU schon 2016 entschieden hat, einen einheitlichen europäischen Mindeststandard beim Schutz von Know-how zu schaffen, hat Deutschland diese Richtlinie mit dem am 24.04.2019 in Kraft getretenen Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen mit deutlicher Verzögerung umgesetzt. Dieses führt in § 2 erstmals eine gesetzliche Definition von Geschäftsgeheimnissen im deutschen Recht ein. Demnach ist eine Information ein Geschäftsgeheimnis, wenn sie (1) geheim ist, (2) einen kommerziellen Wert hat, weil sie geheim ist, (3) Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen ist und (4) ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der Information besteht.
Im Verhältnis zur bisherigen Rechtlage bedeutet dies eine wesentliche Verschärfung der Anforderungen des Schutzes, da nicht mehr ein subjektives Kriterium – der Geheimhaltungswille – maßgeblich ist, sondern vielmehr das objektive Kriterium, ob angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen worden sind, damit die Information auch geheim bleibt.
Handlungsbedarf: Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen
Welche Geheimhaltungsmaßnahmen denn nun für eine konkrete Information angemessen sind, hängt vom Einzelfall ab. Dabei geht es u.a. um technische und organisatorische Maßnahmen wie z. B.
- die Einführung von Zugriffsbeschränkungen auf Daten z. B. durch Passwörter und Zugangscodes;
- Zugangsbeschränkungen für bestimmte Räume bzw. Unternehmensbereiche;
- die Einordnung von Arbeitnehmern nach bestimmten „Geheimhaltungsstufen“
- sowie vertragliche Schutzmechanismen.
Die Anforderungen hängen von der Wichtigkeit der Information, ihrer Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und dem Kreis der informierten Personen ab: Je brisanter eine Information und je kleiner der Kreis der Personen ist, der bestimmungsgemäß Zugriff auf die Information hat, desto höher sind die Anforderungen an ausreichende Geheimhaltungsmaßnahmen.
Anpassung und Ergänzung von Verträgen
Auf der vertraglichen Ebene ist der Schutz von Geschäftsgeheimnissen immer dann, wenn Geschäftspartner bzw. deren Mitarbeiter Zugang zu Geschäftsgeheimnissen erlangen können, durch geeignete hinreichend konkrete Regelungen sicherzustellen. Dies gilt z. B. für Kooperationsverträge, Lohnfertigungsverträge und viele Arten von Dienstleistungsverträgen. Für einen nachhaltigen Schutz der Geschäftsgeheimnisse genügt es nicht, dies lediglich beim Neuabschluss von Verträgen zu beachten, auch bestehende Vertragsverhältnisse sollten auf den Prüfstand und ggfs. angepasst werden.
Besonderes Augenmerk gilt den Geschäftsführeranstellungsverträgen und Arbeitsverträgen. Wenn Geschäftsführer oder Mitarbeiter selbst zu Unternehmern im Geschäftsfeld ihres Dienstherrn bzw. Arbeitgebers werden oder als Kompetenz- und Wissensträger zur Konkurrenz wechseln, ist die Versuchung groß, Firmeninterna „mitzunehmen“, um diese für eigene Zwecke oder für den neuen Arbeitgeber zu nutzen. Für diese denkbaren Fälle sollten aus Unternehmenssicht schon frühzeitig Vorkehrungen getroffen werden.
Verschwiegenheitserklärung und Wettbewerbsverbot
Weder die EU-Richtlinie noch das Geschäftsgeheimnisgesetz enthalten Regelungen zur Vertragsgestaltung. Wirksame Vereinbarungen werden vielmehr vorausgesetzt. Es gelten damit die bisherigen Grundsätze, nun allerdings mit noch größerer Bedeutung. Bei der Gestaltung ist nach wie vor strikt zu unterscheiden zwischen
- dem Geheimnisschutz während des Arbeitsverhältnisses,
- dem Geheimnisschutz nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses,
- dem Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses,
- und nachvertraglichen Wettbewerbsverboten.
Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer bereits kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet. Soweit nicht anders vereinbart, darf der Arbeitnehmer nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden (§ 60 HGB), für GmbH-Geschäftsführer gelten ähnliche Maßstäbe. In der Praxis bewähren sich dennoch klarstellende und präzisierende Regelungen im Anstellungsvertrag, ausdrückliche Hinweise auf die Strafbarkeit des Geheimnisverrats und ggfs. Vertragsstrafenregelungen.
Konkretisierung des Geheimnisschutzes im Anstellungsvertrag
Verschwiegenheitsvereinbarungen sollten das Arbeitsverhältnis auch überdauern. Allerdings ist hier bei der Vertragsgestaltung Fingerspitzengefühl gefragt. Vom Grundsatz her ist jeder Arbeitnehmer berechtigt, im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses erworbene Kenntnisse und Beziehungen auch nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis für sich und Dritte zu nutzen. Weil die regelmäßig als arbeitsvertragliche Nebenpflicht bestehende Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet, empfiehlt sich eine vertragliche Verschwiegenheitsvereinbarung für den Zeitraum nach Ende des Arbeitsverhältnisses.
Umfang und Grenzen derartiger vorformulierter Klauseln richteten sich schon immer nach § 307 Abs. 1 BGB, d. h. sie mussten schon vor Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes hinreichend transparent sowie von einem berechtigten betrieblichen Interesse an der Geheimhaltung gedeckt sein. Die pauschale Verpflichtung zur Verschwiegenheit während und nach dem Arbeitsverhältnis genügt oft nicht den Anforderungen des Transparenzgebotes. Die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht kann sich daher nur auf einzelne, konkret bezeichnete Geheimnisse beziehen.
Die zu schützende Information ist einzuschränken und möglichst klar und genau zu definieren (z. B. die Rezeptur eines bestimmten Produkts). Eine „All-in-Klausel“ ist im Zweifel unwirksam. Die Grenze zu einem faktischen Wettbewerbsverbot darf dabei nicht überschritten werden (vgl. BAG, Urt. v. 15.12.1987 – Az. 3 AZR 474/86). Wenn die Verschwiegenheitsvereinbarung zu weit geht, ist sie unwirksam, sofern nicht eine entsprechende Entschädigung vereinbart ist.
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