Artikel erschienen am 26.07.2019
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Krisenprophylaxe leicht gemacht

Möglichkeiten einer rechtzeitigen Standortbestimmung für KMUs

Von Daniel Manegold, Hannover | Andreas Latsch, Hannover | Robert Giebenrath, Hannover

Sowohl die führenden Experten der Wirtschaftsverbände und Forschungsinstitute als auch die Politik gehen davon aus, dass angesichts der globalen Risiken, wie dem unsicheren Ausgang der Brexit-Verhandlungen, den ungelösten Handelskonflikten zwischen den Vereinigten Staaten, Europa und China sowie angesichts des schwelenden Iran-Konflikts die deutsche Wirtschaft in den nächsten Monaten in eine Rezession steuern kann, die in ihrer Intensität und Schnelligkeit sogar die Finanzkrise von 2009 zu übertreffen vermag.

Krisenstadien und -kennzeichen

Das Abgleiten in eine Krise vollzieht sich in einer Rezession nicht innerhalb von 2 bis 3 Jahren, sondern innerhalb weniger Wochen und Monate. Die Dynamik der rezessiven Entwicklung verläuft dabei in der Regel nicht linear, sondern extrem sprunghaft aufgrund von disruptiven Veränderungen. Aus diesem Grund muss das Management extrem schnell reagieren, um sich überraschenden Entwicklungen rechtzeitig zu stellen und notwendige Veränderungen zu bewirken. Die Gegenwart einer Unternehmenskrise wird jedoch in der Realität vielfach dann tatsächlich empfunden, wenn die Gewinne im Unternehmen deutlich sinken oder negativ sind und/oder wenn die Liquidität eng wird. Dabei beginnt sie viel früher. Dieses verdeutlicht die unten stehende Grafik.

Übersicht der Krisenphasen

Der Krisenverlauf beginnt mit der ersten Phase, der Stakeholderkrise. In dieser können i. d. R. Konflikte auf der Gesellschafter- oder Geschäftsführungsebene beobachtet werden, die sich auf die künftige Ausrichtung des Unternehmens, die Gewinnverwendung, eine Unternehmensbewertung im Kontext einer Nachfolgeregelung oder andere Themen beziehen. Hieraus resultierend ergeben sich möglicherweise verzögerte Entscheidungen, welche die tägliche Arbeit behindern und letztlich überleiten zur Strategiekrise.

Die Unternehmensstrategie steuert und lenkt die mittel- und langfristige Ausrichtung eines Betriebes. Vor dem Hintergrund der hohen Dynamik in den Märkten und der Veränderung der technischen Grundlagen sind heutzutage deutlich kürzere Zeitspannen vorhanden, in denen eine einmal getroffene Strategieentscheidung hält. Produktinnovationen, wie z. B. die Entwicklung von Smartphones, veränderten dramatisch die Marktbedingungen sowie -teilnehmer. Auch wenn bereits dieses Krisenstadium vorhanden ist, kann der Betrieb dennoch Gewinne erwirtschaften. Allerdings: Neue Ideen und Konzepte können im Geschäftsmodell nicht erkannt werden, sodass die nächste Krisenphase, die Produkt- und Absatzkrise, Realität wird.

In der dritten Phase erfolgt die Konzentration auf die Produktattraktivität sowie die Verkaufserfolge. Dadurch, dass das Angebot vielfach nicht mehr modern und konkurrenzfähig ist, werden weniger Produkte verkauft, Lagerbestände steigen, Kapazitäten werden deutlich geringer ausgelastet und die Ergebnisse gehen zurück. Hausbanken erkennen die Situation schnell anhand der systematischen Auswertung der Jahresabschlussdaten. Die Luft wird dünner. Was müsste getan werden? Produktinnovationen oder -variationen sind in diesem Stadium der Ansatzpunkt, um sich wieder erfolgreich am Markt zu positionieren. Denn wenn das nicht gelingt, ist die nächste Krisenphase die logische Folge: die Erfolgskrise.

Nun wird offensichtlich, dass sich das Unternehmen in einer anspruchsvollen Situation befindet, da die betriebswirtschaftlichen Zahlen ein unmissverständliches Signal geben. Die üblicherweise vorhandene Reaktion der Unternehmer liegt meistens in der Realisierung von Kostensenkungsmaßnahmen. Der Abbau von Personal ist dabei ein zentraler Faktor. Vielfach hilft dieses zunächst für eine gewisse Zeit, um die Ergebnisse zu verbessern – aber die Wurzeln der kritischen Situation sind nicht bearbeitet worden. Daher ist vielfach ein weiterer Eigenkapitalverzehr durch eintretende Verluste zu beobachten – und die Banken werden in der Vergabe von Krediten deutlich restriktiver oder verlangen Zusatzsicherheiten für bereits ausgegebene Darlehen. Der psychische Druck auf die handelnden Personen steigt immens, da die täglichen Anforderungen extrem wachsen. Oft wird erst in dieser Phase die Hilfe von externen Beratern gesucht. Allerdings ist die Zukunftsfähigkeit immer noch zweifelhaft, da die Konzentration auf das Kosten-Cutting nicht dazu führt, die Attraktivität des Unternehmens zu erhöhen. Vielmehr gehen spätestens in dieser Phase gute Mitarbeiter aufgrund der vorhandenen Situation verloren, und damit verringert sich i. d. R. auch das Innovationspotenzial – und die Kombination all dieser Faktoren führt dann zur nächsten Phase: der Liquiditätskrise.

Fehlendes Geld, um pünktlich seinen Verpflichtungen nachkommen zu können, ist in dieser Phase harte Realität. Die Kreditlinien sind ausgeschöpft, zusätzliche Mittel werden von den Banken nicht mehr bereitgestellt, Mahnungen sind an der Tagesordnung und auch Pfändungen können beobachtet werden. Zahlungsziele bei den Lieferanten werden nicht nur maximal ausgeschöpft, sondern auch überstrapaziert. Wer am lautesten schreit, erhält eine Zahlung. Damit wird die Lieferfähigkeit der Produkte gefährdet – und die Abwärtsspirale dreht sich immer schneller. Ein Ausweg fehlt. Von einem strukturierten Arbeiten ist man meilenweit entfernt und vielfach tritt nun das Schreckgespenst der Insolvenzgefahr auf den Plan. Eingetretene oder drohende Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung sind die insolvenzrechtlichen Kriterien, die letztlich zum Insolvenzantrag führen.

Möglichkeiten einer Standortbestimmung

Ein genaues Kochrezept zur Standortbestimmung im Rahmen einer Krisensituation gibt es nicht. Vielmehr hängt das Vorgehen maßgeblich von der jeweiligen Unternehmensstruktur ab. Je nach Unternehmenstyp und -größe kann sich etwa der alleinige Geschäftsführer (selbst-)kritisch mit einer Checkliste zurückziehen und im Rahmen einer SWOT-Analyse die einzelnen Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken seines Unternehmens versuchen zu beurteilen.

In einem großen Unternehmen mit dezentraler Verantwortungsverteilung ist es dagegen notwendig, einen Projektleiter zu benennen, der zusammen mit den verschiedenen Verantwortungsträgern im Unternehmen die SWOT-Analyse übernimmt und versucht, den Standort des eigenen Betriebes zu bestimmen. In beiden Fällen bleibt es jedoch wichtig, dass die Unternehmensleitung den Prozess eng begleitet und steuert. Die Herausforderung besteht dann vor allem in der Interpretation der Analyse und der Ableitung von notwendigen Gegenmaßnahmen.

Dies gilt auch, wenn eine Unternehmensberatung mit der Durchführung einer SWOT-Analyse zur Feststellung einer Krisensituation beauftragt wird. Gerade bei der Ursachenanalyse kann dies von Vorteil sein, weil externe Berater unvoreingenommener in einen Betrieb schauen und in der Regel damit eine recht treffsichere und kritische Analyse von Krisenursachen vornehmen. Insbesondere jedoch im Hinblick auf die Sicherung der Zahlungsfähigkeit und die Entwicklung eines tragfähigen Restrukturierungs- und Sanierungskonzeptes anhand der Vorgaben des IDW S 6 ist die Hinzuziehung von restrukturierungs- und sanierungserfahrenen Beratern unumgänglich. Nur so gelingt es in der Regel, die notwendigen Weichen richtig zu stellen, um das Unternehmen mittel- und langfristig wieder auf den Weg zum dauerhaften Erfolg zu führen.

Einen weiteren, innovativen Weg zur Beurteilung einer möglichen Krisensituation stellen onlinebasierte Krisen-Checks dar, welche den Unternehmern und Führungskräften ein schnelles und kurzfristig einsetzbares Analysetool bieten. Mit der Fokussierung auf die verschiedenen betriebswirtschaftlichen Teilbereiche eines Unternehmens sowie den Einbezug der Ertrags-, Liquiditäts- und Bilanzsituation, wird eine Analyse des möglichen Krisenstatus vorgenommen und die Ergebnisse häufig in textlicher Form aufbereitet. Anhand der persönlich getätigten Eingaben erfolgt eine erste Entwicklung von Maßnahmen sowie Hilfestellungen, um hierüber erkannte Verbesserungspotentiale aktiv zu nutzen.

Fazit

Bereits in den 1970er-Jahren stellte der damalige US-Außenminister Henry Kissinger fest, dass „ein ignoriertes Problem die Einladung für eine Krise ist“. Auch wenn diese These sicherlich primär auf die politische Arbeit abzielte, so ist es doch eine zentrale Aussage, welche auch unmittelbar im Zusammenhang mit Unternehmenskrisen zu sehen ist. Im Umkehrschluss bedeutet eine zu spät erkannte Krise, dass die Auflösung derselbigen mit immensen Kosten und Herausforderungen verbunden und häufig aufgrund des bereits fortgeschrittenen Krisenstadiums für den Unternehmer nicht mehr zu lösen ist.

Es gilt das Motto: Je früher eine Krise erkannt wird, desto besser für das Unternehmen, seine Inhaber und Mitarbeiter, denn dann ist der mit der Krisenbewältigung anfallende Kosten- und Zeitaufwand noch überschaubar!

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