Artikel erschienen am 28.06.2021
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Online-Tool zur Krisenfrüherkennung

Neue Pflichten des StaRUG mit dem Stabilitätscheck erfüllen!

Von Daniel Manegold, Hannover | Andreas Latsch, Hannover | Karina Schwarz, Hannover | Lars Rühmland, Hannover

In diesem Zusammenhang sind viele Unternehmen mit ursprünglich sehr gutem Geschäftsmodell – zum Teil völlig unverschuldet – in eine schwere, existenzgefährdende Krise geraten.

Bereits seit Jahresbeginn gibt es in diesem Kontext mit dem am 01.01.2021 in Kraft getretenen Sanierungsfortentwicklungsgesetz (im Folgenden: SanInsFoG) ein ganz neues Instrument zur vorinsolvenzlichen Sanierung: den präventiven Restrukturierungsrahmen. Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (im Folgenden: StaRUG) ermöglicht von einer Krise betroffenen Unternehmen eine Neuaufstellung des Betriebes OHNE Insolvenzverfahren durchzuführen und bietet damit ganz neue, vielversprechende Perspektiven.

Das StaRUG bringt jedoch auch für die Geschäftsleiter von GmbH und GmbH & Co. KG sowie deren Steuerberater verschiedene Pflichten – und im Falle von Pflichtverletzungen entsprechende Haftungsrisiken – mit sich. Hierbei ist insbesondere die Pflicht zur Implementierung eines Systems zur Krisenfrüherkennung und des Krisenmanagements zu benennen.

Frau Schwarz, fassen wir doch zunächst noch einmal aus juristischer Sicht zusammen: Worum genau handelt es sich bei diesem neuen Sanierungsinstrument und was genau ermöglicht es?

Karina Schwarz: Der präventive Restrukturierungsrahmen ermöglicht es einem Unternehmer auf der Grundlage eines von ihm selbst erstellten Restrukturierungsplanes, welcher von seinen Gläubigern angenommen wurde, sein Unternehmen zu sanieren. Dieses ist dann möglich, wenn noch keine Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung besteht und das jeweilige Unternehmen für die Dauer der Verhandlungen fortgeführt werden kann. Die Entscheidung, welche Gläubiger bzw. Betroffenen in den zu erstellenden Plan einbezogen werden, obliegt der Entscheidung des zu sanierenden Unternehmens. Grundsätzlich gilt: es sind lediglich die Gläubiger in den Restrukturierungsplan einzubeziehen, von denen Sanierungsbeiträge erforderlich sind. Dazu werden sie in Abstimmungsgruppen eingeteilt. Innerhalb einer Gruppe ist dann eine ¾-Mehrheit erforderlich. Damit ist im präventiven Restrukturierungsrahmen kein Einstimmigkeitsprinzip notwendig und Akkordstörer können gezielt überstimmt und deren Blockaden vermieden werden.

Für wen ist dieses Instrument der vorinsolvenzlichen Sanierung besonders interessant, Herr Rühmland?

Lars Rühmland: Von diesem Sanierungsinstrument profitieren insbesondere diejenigen Unternehmen, welche ein grundsätzlich tragfähiges Geschäftsmodell aufweisen, aber vielleicht pandemiebedingt eine hohe Verschuldung in ihrer Bilanz ausweisen. Sie wären damit einfach in der Lage, sich von diesen Krediten im Verhandlungswege zu befreien. Zunächst angedachte Möglichkeiten zur Sonderkündigung von Verträgen sind in die Gesetzesvorlage nicht übernommen worden. Daher handelt es sich bei diesem Rahmen nicht um ein Instrument zur leistungswirtschaftlichen Sanierung. Hier wäre dann eher ein Insolvenzverfahren im Rahmen der Eigenverwaltung als alternative Option heranzuziehen.

Herr Wedemeier, bereits in § 1 des StaRUG wird ein Frühwarnsystem im Unternehmen gefordert, damit Fehlentwicklungen schnellstmöglich erkannt werden. Was genau bedeutet das eigentlich für die mittelständischen Unternehmer? Und was bringt eine Nichtbeachtung dieser Pflicht mit sich?

Johann Wedemeier: Bereits vor dieser Reform waren haftungsbeschränkte Unternehmen zur stetigen Überwachung der Lage des Unternehmens verpflichtet, um rechtzeitig entweder erforderliche Sanierungsschritte oder aber, im schlimmsten Falle, ein Insolvenzverfahren einzuleiten.

Im Zuge des Inkrafttretens des StaRUG wird nun in § 1 eine allgemeine Regelung zu Krisenfrüherkennungs- und -reaktionspflichten für Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmen geschaffen. Die Vorschrift verpflichtet die Geschäftsleiter zur Einführung eines sogenannten Risikofrüherkennungssystems zur Überwachung von Entwicklungen, die zur Bestandsgefährdung des Unternehmens führen können. Erkennt der Geschäftsleiter also nun eine Bestandgefährdung, wird er sein Handeln fortan primär an den Gläubigerinteressen ausrichten müssen.

In der Einleitung zu diesem Interview ist bereits angedeutet worden, dass auch die Berufsgruppe der Steuerberater sich veränderten Hinweis- und Warnpflichten ausgesetzt sieht. Herr Wedemeier, können Sie diesen Aspekt noch einmal im Detail erläutern?

Johann Wedemeier: Das ist vollkommen richtig! In § 102 StaRUG wird geregelt, dass Steuerberater bei der Erstellung von Jahresabschlüssen für ihre Mandanten auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes hinzuweisen haben. Diese Verpflichtung bestand allerdings aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits vorher.

Darüber hinaus gibt es aber in unserer Branche vermehrt Stimmen, die den Berufsstand eindringlich darauf hinweisen, dass mit dem StaRUG auch unterjährige Hinweis- und Warnpflichten für die Steuerberater einhergehen.

Insbesondere bei Mandaten, bei denen die Finanzbuchhaltung an den jeweiligen Steuerberater ausgelagert ist, entstehen mit den Anforderungen des StaRUG erhöhte Haftungsrisiken für den Steuerberater, weil dieser seine Mandante rechtzeitig und umfassend auf gesellschafts- und insolvenz­rechtliche Pflichten hinweisen muss, und zwar völlig losgelöst von der Erstellung des Jahresabschlusses.

Das heißt im Umkehrschluss, dass der Steuerberater auch unterjährig jederzeit, ganz unabhängig von der einmal jährlich stattfindenden Jahresabschluss-Erstellung, möglicherweise eintretende Risiken bei seinen Mandanten im Blick haben muss und in Ergänzung zu der von ihm zu bearbeitenden Finanzbuchhaltung eigentlich auch eine rollierende Liquiditätsvorschau vorhalten sollte.

Schlussendlich mündet das dann in einem kanzleiinternen Risikofrüherkennungssystem, in welchem jedes FiBu-Mandant noch einmal separat überwacht werden muss. Und hier stellt sich dann die Frage, wie ein Steuerbüro so etwas zu angemessenen Konditionen leisten kann – und der Unternehmer hierzu auch eine entsprechende Beauftragung gibt.

Herr Latsch und Herr Manegold, welche Möglichkeiten haben denn die Unternehmen – aber auch die Steuerberater –, ein Risikofrüherkennungssystem zu implementieren und so mögliche Risiken rechtzeitig zu erkennen und vor allem die benannten Anforderungen des StaRUG zu erfüllen?

Daniel Manegold: In einem Risikofrüherkennungssystem geht es vom Grundsatz her darum, dass zunächst mögliche Risikofelder identifiziert, Tools zum rechtzeitigen Erkennen von (eingetretenen) Risiken eingeführt und für die identifizierten Risiken Grenz- und Schwellenwerte definiert werden. Hieran anschließend sind im Unternehmen Verantwortlichkeiten und Aufgaben zu definieren, eine fortlaufende Überwachung der Risikopositionen sicherzustellen und das ganze System ist schließlich, auch vor dem Hintergrund der Haftungsfragen, zu dokumentieren.

Der Einstieg in ein Risikofrüherkennungssystem mit der Identifikation von Risiken ist dabei zwingend mit der Aufstellung einer integrierten Finanzplanung zu ergänzen, um eine Einschätzung zur Liquiditätssituation sowie deren mittelfristige Entwicklung im jeweiligen Unternehmen zu bekommen.

Andreas Latsch: Nun muss in diesem Kontext aber berücksichtigt werden, dass bei mittelständischen Unternehmen dieses in einem angemessenen Rahmen erfolgt und der Betrieb in seinen Strukturen der Risikofrüherkennung nicht überfordert wird. Hierzu sollten kleine und mittlere Unternehmen im ersten Schritt auf bereits am Markt vorhandene, größengerechte Systeme wie den Stabilitätscheck (www.stabilitaetscheck.de) zurückgreifen. Dieses von uns entwickelte, web-basierte Tool bietet eine erste Analyse zu den vorhandenen Stärken und Schwächen des Unternehmens und verschafft schnell Klarheit zu einzelnen Unternehmensbereichen. Daneben wird ggf. auch darauf hingewiesen, ob sich das Unternehmen in einer Krise befindet und wenn ja, in welcher Phase.

Reden wir an dieser Stelle noch einmal über dieses web-basierte System zur Risikofrüherkennung. Herr Latsch und Herr Manegold, was genau ist der Stabilitätscheck und wie ist dieser durchzuführen?

Daniel Manegold: Bei dem Stabilitätscheck handelt es sich um ein speziell entwickeltes Online-Befragungstool für kleine und mittelständische Unternehmen, um schnell und direkt ein klares Feedback über die Stärken und Schwächen im Betrieb zu erhalten.

Es gibt im Internet mehrere Online-Fragebögen, welche mit einer Einschätzung der betrieblichen Stabilität und einer schnellen Ermittlung von Risiken werben. Wie hebt sich das von Ihnen entwickelte System von den anderen ab und welche Geschäftsbereiche eines Unternehmens werden hier beleuchtet?

Andreas Latsch: Der Vorzug des IMB Stabilitätschecks liegt in erster Linie in seiner Detailtiefe. So führt der Fragebogen mit etwa 250 Fragen strukturiert durch 22 Kapitel, welche von der Unternehmensstruktur und der -strategie über die persönliche Situation des Geschäftsführers bis hin zur Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage sowie der erwarteten zukünftigen Entwicklung des Unternehmens reichen.

Die Dauer zur Beantwortung des Fragenkatalogs liegt zwischen einer bis zwei Stunden. Nach Beantwortung aller Fragen wird dem Unternehmer sofort das Ergebnisprotokoll in Form einer schriftlichen Dokumentation mit Handlungsvorschlägen sowie einer Risikobewertung zugemailt.

Welchen Mehrwert bietet der Stabilitätscheck denn den mittelständischen Unternehmern nun genau – und wo sind dessen Grenzen?

Daniel Manegold: Zunächst einmal hat der Unternehmer mit dem Stabilitätscheck die Chance, auf ein erprobtes System zurückzugreifen, ohne selber gleich viel Zeit und Geld in die Risiko-Identifikation zu investieren.

Als Unternehmer erhalte ich über den Stabilitätscheck schnell einen direkten Überblick über funktionierende und nicht funktionierende Bereiche in meinem Unternehmen und die vorhandenen Risiken.

Gleichzeitig bekomme ich mit der schriftlichen Dokumentation auch einen umfangreichen Katalog an Handlungsvorschlägen zugesendet, welcher mir die Möglichkeit gibt, sofort aktiv in die Veränderungsarbeit einzusteigen, um mögliche Risiken zu reduzieren und die Leistungsfähigkeit einzelner Unternehmensbereiche und des Betriebes in Gänze wieder zu erhöhen.

Die anfallenden Kosten von 99 Euro sind dabei letztlich wie eine Versicherungsprämie zu sehen, mit welcher ich im Gegenzug die Krisenfestigkeit meines Unternehmens verbessere und zum Schutz des Betriebes und der Arbeitsplätze beitrage.

Andreas Latsch: Sollte sich ein Unternehmen bereits in einer ernsthaften Krise befinden und die Einleitung von komplexen Sanierungsmaßnahmen notwendig werden, kommt der Stabilitätscheck sicherlich an seine Grenzen. In diesen hochkomplexen und dynamischen Krisensituationen ist die Hinzuziehung von erfahrenen Sanierungsexperten erforderlich, die gemeinsam mit dem Unternehmer vor Ort Maßnahmen einleiten und die Sanierung begleiten.

Fazit

Der Stabilitätscheck bietet mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit, schnell und unkompliziert bestandsgefährdende Entwicklungen und Risiken zu erkennen und Ihnen erste Ansätze und Handlungsempfehlungen zur Sicherung des Unternehmens und zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit einzelner Unternehmensbereiche zu liefern.

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