Wegfall des „Schriftform-Jokers“ im gewerblichen Mietrecht
Änderung der Kündigungsvorschrift tritt am 01.01.2025 in Kraft
Von Dr. iur. Josef Fullenkamp, Hannover
Foto: Adobe Stock/ vegefox
Die Vorschrift gilt aufgrund der Verweisung in § 578 Abs. 2 BGB auch für Gewerberaummietverhältnisse. Das Schriftformerfordernis erstreckt sich nicht nur auf die wesentlichen Elemente eines Vertrages, also Vertragsparteien, Mietobjekt, Miete und Laufzeit des Vertrages, sondern auch auf erhebliche Nebenabreden und spätere Änderungen des Vertrages. Normzweck ist der Schutz eines etwaigen Grundstückserwerbers, der gemäß § 566 BGB an den Mietvertrag gebunden ist (Kauf bricht nicht Miete) und anhand der schriftlichen und von beiden Seiten unterzeichneten Vertragsunterlagen die Möglichkeit haben soll, sich über den Inhalt des Mietvertrages zu informieren.
Diese Vorschrift hat in der Vergangenheit immer wieder die Rechtsprechung beschäftigt, weil Parteien von langfristig geschlossenen Mietverträgen den „Schriftform-Joker“ genutzt haben, um sich aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen aus einem Vertrag mit langer Laufzeit zu lösen. Die Trageweite des Schriftformerfordernisses für langfristig geschlossene Mietverträge ist den Vertragsparteien häufig nicht bewusst, was dazu führt, dass beispielsweise einzelne Nebenabreden, während der Mietzeit vereinbarte vertragliche Änderungen oder auch nur geringfügige Mietzinserhöhungen nicht in Schriftform gefasst werden. In derartigen Fällen haben die Parteien bei einer vereinbarten Laufzeit von zum Beispiel zehn Jahren oder länger bereits nach Ablauf des ersten Vertragsjahres die Möglichkeit, den Mietvertrag innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen und sich somit von dem Vertrag zu lösen, weil das Vertragswerk nicht dem strengen Schriftformerfordernis entspricht. Die Kündigung ist dann gemäß § 580a Abs. 2 BGB spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig. Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 27.09.2017 – Az. XII ZR 114/16) nur, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten hat oder eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Abrede, die für sie lediglich vorteilhaft ist, allein deshalb, weil sie nicht die schriftliche Form wahrt, zum Anlass nimmt, sich von einem inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen. In derartigen Fällen kann es rechtsmissbräuchlich sein, sich auf das Erfordernis der Schriftform zu berufen.
In der Rechtsliteratur wird schon seit längerem eine Reform des strengen Schriftformerfordernisses diskutiert und gefordert, weil dadurch im Hinblick auf den Schutz eines etwaigen Grundstückserwerbers das Vertrauen in den Bestand der vereinbarten Vertragslaufzeit gestört wird. Ein Vertragspartner, der sich auf die vereinbarte langfristige Vertragsdauer eingerichtet hat, wird plötzlich mit der Kündigung des Vertrages konfrontiert und auf der anderen Seite erhält derjenige, der etwa aufgrund veränderter Verhältnisse das Vertragsobjekt nicht mehr halten kann, die Möglichkeit, den langfristigen Vertag aus formalen Gründen zu beenden. Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz vom 23.10.2024 (veröffentlicht im Bundesgesetzblatt vom 29.10.2024 Nr. 323) enthält in Artikel 14 nunmehr eine Änderung des § 550 BGB, die die bisherige Regelung entschärft, aber nicht beseitigt. Danach bedarf der für länger als ein Jahr geschlossene Mietvertrag nicht mehr der Schriftform, sondern der Textform. Wird diese Form nicht eingehalten, gilt der Vertrag für unbestimmte Zeit geschlossen. Die Textform setzt gemäß § 126b BGB voraus, dass die Erklärungen der Vertragsparteien auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben und damit dokumentiert werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, dass dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich und gleichzeitig auch geeignet ist, diese unverändert wiederzugeben. Zu den elektronischen Medien, die als Speicherplatz in Betracht kommen, gehören neben einer E-Mail oder eines Computerfaxes beispielsweise auch ein USB-Stick, eine CD-ROM, Speicherkarten oder Festplatten. Die Vertragserklärungen müssen dauerhaft in Textform dokumentiert werden.
Die Gesetzesänderung tritt am 01.01.2025 in Kraft. Sämtliche Gewerbemietverträge, die danach mit einer Vertragsdauer von mehr als einem Jahr geschlossen werden, müssen in Textform dokumentiert werden. Wird diese Form nicht eingehalten, sind die Verträge nach Ablauf eines Jahres innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfrist kündbar. Für die vor dem 01.01.2025 geschlossenen Mietverträge gilt eine Übergangsregelung. Die bisherige Gesetzeslage gilt bis einschließlich zum 01.01.2026 fort. Gewerbemietverträge, die nicht in vollem Umfang dem gesetzlichen Schriftformerfordernis genügen, gelten während dieses Zeitraums noch als auf unbestimmte Zeit geschlossen und können innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden. Nach dem 01.01.2026 sind etwaige Schriftformmängel für Altverträge geheilt. Es gilt dann die neue Gesetzeslage mit der Folge, dass die Befristung nur dann nicht eingreift, wenn die vertraglichen Vereinbarungen nicht in Textform gespeichert sind.
Eine Sonderregelung gilt für die im Laufe des Jahres 2025 vereinbarten Änderungen von Altverträgen. Auf diese Vereinbarungen ist nach der Übergangsregelung die neue Gesetzeslage bereits anzuwenden. Folglich bedürfen die in diesem Zusammenhang abgegeben Erklärungen lediglich der Textform. Wird diese Form eingehalten, dürfte das dazu führen, dass etwaige vorherigen Schriftformmängel geheilt werden. Ausreichend ist dann, dass der Altvertrag in Textform gespeichert ist.
Als Fazit ist festzuhalten, dass die neue Regelung nicht nur zukünftige Gewerbemietverträge betrifft, sondern auch Auswirkungen auf Altverträge hat, sodass es ratsam sein dürfte, den Vertragsstatus vor dem 01.01.2026 zu überprüfen.
- Schlagwörter
- Mietrecht|
- Gewerbemietverträge|
- Schriftformerfordernis|
- Mindmap
- Finanzen Steuern Recht
- Hannover 2024