Artikel erschienen am 07.11.2012
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Wahrnehmung der Einkommensteuerbelastung

Wird die Einkommensteuerbelastung überschätzt und welche Rolle spielen die Beiträge zur Sozialversicherung bei der Wahrnehmung der Steuerbelastung?

Von Prof. Dr. rer. soc. oec. Sebastian Schanz, Magdeburg

Aus dem Sommerloch in diesem Jahr wurde ein „Sommertheater“, das als Bühne für den Wahlkampfauftakt für die Bundestagswahlen im Herbst 2013 benutzt wurde. Es verwundert kaum, dass in diesem „Theater“ steuerliche Themen an vorderster Stelle diskutiert wurden. Die Diskussion über die Einführung des Ehegattensplittings auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften und die Erhöhung sämtlicher bestehender Steuern sowie die Wiedereinführung der Vermögensteuer führten dabei die Schlagzeilen an. Insbesondere die Forderung nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer schien dabei eine sichere Kandidatin für eine hitzige Debatte zu sein. Wie aber wird die Belastung durch die Einkommensteuer in der Bevölkerung wahrgenommen? Der nachstehende Beitrag soll dafür den Ansatz für eine Antwort liefern.

Die Belastung mit Abgaben und Steuern in Deutschland ist ausgesprochen vielfältig und wird durch kreative Neuschöpfungen der Legislative ständig ergänzt. Bei der Vielzahl an Steuern – wie z. B. Einkommen-, Lohn-, Körperschaft-, Abgeltung-, Mehrwert-, Gewerbe-, Kfz-, Hunde-, Bier-, Zweitwohnungs-, Tabak-, Energie-, Kapitalertrag-, Kaffee-, Grund-, Schaumwein-, Branntwein-, Grunderwerbsteuer und nicht zu vergessen dem Solidaritätszuschlag – ist nur schwer ermittelbar, wie hoch die tatsächliche Gesamtsteuerbelastung ausfällt, da sehr detaillierte Kenntnisse des individuellen Arbeits-, Spar- und Konsumverhaltens erforderlich sind. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Beiträge zur Sozialversicherung, die insbesondere bei Geringverdienern im Vergleich zur Einkommensbesteuerung relativ hoch ausfallen.

Um die Wahrnehmung der Einkommensteuerbelastung in Deutschland festzustellen, wurden an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Studierende im 1. und 3. Semester befragt, wie hoch sie die durchschnittliche Belastung durch die Einkommensteuer in Deutschland in 2012 ausgehend von Bruttoarbeitslöhnen i. H. v. 10 000 Euro, 20 000 Euro, 30 000 Euro, 50 000 Euro, 80 000 Euro, 500 000 Euro und 1 000 000 Euro einschätzen. Konkret lautete die Frage: „Was glauben Sie, wie hoch die prozentuale durchschnittliche Einkommensteuerbelastung im Jahr 2012 in Deutschland für einen ledigen Steuerpflichtigen ausfällt, wenn sein Bruttojahresarbeitslohn die folgenden Werte (jeweils in Euro) annimmt?“ Insgesamt nahmen 607 Studierende an der Umfrage teil. Die Studierenden hatten keine steuerlichen Vorkenntnisse und in dem Fragebogen war kein Hinweis auf Beiträge zur Sozialversicherung enthalten. Wählen konnten die Studierenden jeweils aus 20 vorgegebenen Prozentsätzen, die sich, beginnend mit 0 %, in Schritten von fünf Prozentpunkten auf 100 % addierten.

Abb. 1 Ergebnisse der Befragung Studierender zur durchschnittlichen Steuerbelastung in Deutschland

Die Ergebnisse der Befragung sind in Abb. 1 abgetragen. Die rote/braune durchgezogene Linie bildet den Durchschnitt der von den Studierenden gemachten Angaben ab. Beispielsweise schätzten die Studierenden, dass die durchschnittliche einkommensteuerliche Belastung bei einem Bruttolohn von 10 000 Euro etwa 20 % beträgt. Die Werte, aus denen Abb. 1 resultiert, sind in Tab. 1 abgetragen.

Tab. 1 Ergebnisse der Befragung und tatsächliche Belastung

Die schwarz gestrichelte Linie gibt die tatsächliche durchschnittliche Belastung mit Einkommensteuer wieder. Bei der Ermittlung der tatsächlichen Durchschnittssteuerbelastung wurde die Rechtslage 2012 berücksichtigt. Es zeigt sich, dass insbesondere für niedrige Einkommen die Belastung durch die Einkommensteuer weit überschätzt wird. Erst bei sehr hohen Einkommen nimmt die Differenz zwischen tatsächlicher und geschätzter steuerlicher Belastung deutlich ab.

Interessant wird es, wenn zusätzlich zur Einkommensteuer die Beiträge zur Sozialversicherung Berücksichtigung finden. Die Gesamtbelastung mit Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträgen wird durch die graue gepunktete Linie abgebildet. Es zeigt sich, dass bei einem Einkommen von 10 000 Euro die Studierenden fast exakt die korrekte Gesamtbelastung geschätzt haben. Insgesamt ist der Schätzfehler nicht so gravierend wie im Fall der Vernachlässigung der Sozialversicherungsbeiträge. Das legt den Schluss nahe, dass bei der Wahrnehmung der einkommensteuerlichen Belastung die Beiträge zur Sozialversicherung implizit mitberücksichtigt werden und es deshalb zu einer erheblichen Überschätzung der einkommensteuerlichen Belastung kommt.

In einer zweiten Befragung wurden 203 Studierende ohne steuerlichen Vorkenntnisse im 4. Semester im Bachelor-Studiengang Wirtschaftswissenschaften der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg nach ihrer Einschätzung befragt. Allerdings wurden die Studierenden in diesem Fall nach ihrer Einschätzung der Gesamtbelastung mit Einkommensteuer und Sozialversicherungsabgaben befragt. Die konkrete Frage lautete: „Was glauben Sie, wie hoch die prozentuale durchschnittliche Belastung mit Einkommensteuer und Sozialversicherungsabgaben im Jahr 2012 in Deutschland für einen ledigen Steuerpflichtigen ausfällt, wenn sein Bruttojahresarbeitslohn die folgenden Werte (jeweils in EUR) annimmt?“ Die Ergebnisse sind in Abb. 2 abgetragen. Die graue gestrichelte Linie bildet wie in Abb. 1 die tatsächliche Gesamtbelastung mit Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträgen ab. Die rote durchgezogene Linie enthält die durchschnittlichen Angaben der Befragten. Interessant ist, dass sich die rote durchgezogene Linie in Abb. 2 kaum von derjenigen in Abb. 1 abhebt. Die Differenz zwischen der geschätzten Gesamtbelastung und der tatsächlichen Gesamtbelastung in Abb. 2 ist dabei fast identisch mit der Differenz der geschätzten Einkommensteuerbelastung und der tatsächlichen Gesamtbelastung in Abb. 1.

Abb. 2 Ergebnisse der Befragung Studierender zur Belastung mit Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträgen in Deutschland

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der beiden Befragungen, dass zunächst die Sozialversicherungsbeiträge implizit den Steuern zugeschlagen werden und es dadurch zu einer starken Überschätzung der einkommensteuerlichen Belastung kommt. Interessant ist das Ergebnis, dass bei den Befragungen nach der gesamten Belastung durch Einkommensteuer und Sozialversicherungsabgaben einerseits sowie der ausschließlichen Frage nach der einkommensteuerlichen Belastung andererseits das gleiche Ergebnis der durchschnittsteuerlichen Belastung erzielt wurde.

Sicherlich ist die Gesamtheit der Befragten sehr homogen. Insbesondere bezüglich des Alters, des Einkommensniveaus sowie des Bildungsniveaus (Abitur)unterscheiden sich die Befragten vergleichsweise wenig oder gar nicht. In anderen Studien wurden die Befragten z. B. nach ihrem persönlichen Durchschnittssteuersatz befragt. Das Ergebnis dabei zeigt, dass die Differenz des geschätzten Durchschnittssteuersatzes zum tatsächlichen Durchschnittssteuersatz mit dem Bildungsniveau abnimmt.

Bild: Panthermedia/Jacek Fulawka

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