Artikel erschienen am 29.12.2016
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Die Erbschaftsteuerreform 2016

Überblick der wichtigsten Änderungen

Von Franz Steuer, Leipzig | Nicolas Gaudefoy, Leipzig

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte die Steuerbegünstigungen für Firmenerben in seinem Urteil vom 17.12.2014 als unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist für eine Neuregelung bis zum 30.06.2016 gesetzt. Nach einem langwierigen Vermittlungsverfahren haben sich Bundesrat und Bundestag auf einen Kompromiss bei der Erbschaftsteuerreform verständigt. Im nachfolgenden Beitrag möchten wir Ihnen einen Überblick darüber verschaffen, wie der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG umgesetzt hat und zu welchen Kriterien eine steuerbegünstigte Übertragung von inländischem Betriebsvermögen nach der Erbschaftsteuerreform möglich ist.

Regel- und Optionsverschonung

Wie bisher haben Firmenerben unter den Voraussetzungen der Fortführungs- und Lohnsummenregelung die Möglichkeit, das begünstigte Vermögen zu 85 % (Regelverschonung) oder zu 100 % (Optionsverschonung) steuerfrei zu erwerben. Allerdings gelten die Verschonungsregelungen nur für Erwerbe, wenn das begünstigte Vermögen insgesamt 26 Mio. Euro (Prüfschwelle) nicht übersteigt. Bei der Regelverschonung ist der Erwerber verpflichtet, den Betrieb mindestens fünf Jahre fortzuführen. Des Weiteren muss er einen Nachweis darüber erbringen, dass die Lohnsumme innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb des begünstigten Ver­mögens insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (Mindestlohnsumme). Entscheidet sich der Erwerber für die Optionsverschonung, muss er eine Behaltensfrist von sieben Jahren einhalten und nachweisen, dass er in diesem Zeitraum die Mindestlohnsumme von 700 % nicht unterschreitet.

Bisher waren Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten von der Lohnsummenregelung befreit. Diese Vereinfachungsregelung gilt nur noch für Betriebe mit bis zu 5 Beschäftigten. Darüber hinaus sind die Anforderungen nach der Mitarbeiterzahl gestaffelt:

  • Betriebe mit 6 bis 10 Beschäftigten dürfen bei der Regelverschonung eine Lohnsumme von 250 % der Ausgangslohnsumme innerhalb des Fünfjahreszeitraums nicht unterschreiten.
  • Bei der Optionsverscho-nung beträgt die Lohnsumme 500 % innerhalb des Siebenjahreszeitraums.
  • Für Betriebe mit 11 bis 15 Beschäftigten gelten entsprechend Mindestlohnsummen von 300 % und 565 %.

Verwaltungsvermögensanteil

Bisher konnten Erwerber die Regelverschonung in Anspruch nehmen, wenn der Anteil des Verwaltungsvermögens am gesamten Betriebsvermögen nicht mehr als 50 % betrug. Für die Optionsverschonung durfte der Verwaltungsvermögensanteil nicht mehr als 10 % betragen. Waren diese Grenzen nicht überschritten, konnte das gesamte Vermögen entsprechend verschont bleiben. Nach der Neuregelung kann nur noch das begünstigte Vermögen von der Steuer verschont werden, nicht aber das Verwaltungsvermögen. Beträgt der Verwaltungsvermögensanteil allerdings weniger als 10%, wird dieses wie begünstigtes Vermögen behandelt. Von der Verschonung ausgenommen ist jedoch junges Verwaltungsvermögen, das dem Betrieb weniger als zwei Jahre zuzurechnen ist.

20 %-Quote für die Optionsverschonung

Nach der Neuregelung ist die 100 %ige Steuerbefreiung nur zu gewähren, wenn das begünstigungsfähige Vermögen nicht zu mehr als 20 % aus Verwaltungsvermögen besteht. Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert des Betriebs. Beträgt der Verwaltungsvermögensanteil mehr als 90 %, gibt es gar keine Verschonung.

In mehrstufigen Unternehmensstrukturen mit Beteiligungsgesellschaften wird das begünstigte Vermögen konsolidiert ermittelt.

Verwaltungsvermögenskatalog

Die bisherige Systematik mit einem Katalog, der schädliches Verwaltungsvermögen auflistet und somit begünstigte und nicht begünstigte Vermögensgegenstände voneinander abgrenzt, bleibt erhalten. Allerdings wurde der Katalog um Freizeit- und Luxusgegenstände erweitert, wie bspw. Oldtimer, Yachten sowie sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände, wenn der Handel mit diesen Gegenständen, deren Herstellung oder Verarbeitung oder entgeltliche Nutzungsüberlassung nicht der Hauptzweck des Betriebs ist.

Erwerbe über 26 Mio. Euro

Bei „Großerwerben“ von mehr als 26 Mio. Euro können Erwerber künftig zwischen den folgenden zwei Verschonungsmodellen wählen.

Verschonungsbedarfsprüfung: Weist der Erwerber nach, dass er nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen, wird der überschießende Teil der Steuer erlassen. Zu dem verfügbaren Vermögen gehören 50 % der Summe der gemeinen Werte des

  • mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenen Vermögens, das nicht zum begünstigten Vermögen gehört, und
  • dem Erwerber im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gehörenden Vermögens, das nicht zum begünstigten Vermögen gehören würde.

Abschmelzender Verschonungsabschlag: Alternativ kann sich der Erwerber für das sogenannte Abschmelzmodell entscheiden. Bei diesem Modell verringert sich der Verschonungsabschlag um einen Prozentpunkt je 750 000 Euro des den Schwellenwerts von 26 Mio. Euro überschreitenden Betrags bis zu einem begünstigten Vermögen von 90 Mio. Euro. Wird dieser Wert überschritten, beträgt der Verschonungsabschlag 0 %.

Wertabschlag für Familienunternehmen

Eine Vielzahl von Familienunternehmern unterliegt typischen gesellschaftsvertraglichen oder satzungsmäßigen Restriktionen, wenn es darum geht, Gewinne zu entnehmen, deren Beteiligung zu übertragen oder aus dem Unternehmen auszuscheiden. Für diese Unternehmer enthält das Gesetz eine Steuerbefreiung als Vorababschlag von bis zu 30 % auf den begünstigten Teil des Betriebsvermögens. Die Höhe des Abschlags entspricht der im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung festgeschriebenen prozentualen Minderung der Abfindung für einen ausscheidenden Gesellschafter gegenüber dem gemeinen Wert. Zusätzlich müssen Beschränkungen der Gewinnausschüttungen oder -entnahmen sowie Verfügungsbeschränkungen für die Unternehmensanteile vereinbart sein. Darüber hinaus darf der Erwerber den Vorababschlag nur in Anspruch nehmen, wenn die o. g. Beschränkungen im Gesellschaftsvertrag mindestens zwei Jahre vor dem Erbfall beziehungsweise der Schenkung und 20 Jahre danach Bestand haben.

Änderung bei der Bewertung

Hinsichtlich der Bestimmung des gemeinen Wertes von Betriebsvermögen enthält die vom Bundestag beschlossene Gesetzesänderung auch eine Änderung beim vereinfachten Ertragswertverfahren. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase beträgt der Kapitalisierungsfaktor für Bewertungsstichtage im Jahre 2016 bisher 17,86 und kann damit zu einer deutlichen Überbewertung von Unternehmen führen.

Mit der Erbschaftsteuerreform wird der Faktor für das laufende Jahr und die folgenden Jahre auf 13,75 festgeschrieben. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) wird überdies ermächtigt, durch Rechtsverordnung den Kapitalisierungsfaktor an die Entwicklungen der Zinsstrukturdaten anzupassen.

Fazit

Der Gesetzgeber hat von einer gänzlichen Reform des Erbschaftsteuerrechts abgesehen und lediglich punktuelle Anpassungen vorgenommen, um den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden. Inwieweit die Neuregelungen alle Maßgaben der ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfüllen, bleibt abzuwarten.

Die Erben kleiner und mittelständischer Unternehmen sollen auch unter der neuen Rechtslage weiterhin verschont werden, um Arbeitsplätze nach Eintritt der Erbfolge zu sichern. In den Zeiten dauerhaft niedriger Zinsen profitieren alle künftigen Firmenerben von der Festschreibung eines Kapitalisierungsfaktors, da die festgestellten Unternehmenswerte unter der alten Rechtslage deutlich über den am Markt erzielbaren Werten lagen.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, das neue Gesetz erst mit Wirkung vom 01.07.2016 in Kraft treten zu lassen, bringt vor allem Erwerbern, die im Übergangszeitraum zwischen Urteilsverkündung am 17.12.2014 und Inkrafttreten des neuen Gesetzes zum 01.07.2016 ihr Vermögen übertragen haben, Rechtssicherheit hinsichtlich der angewandten Begünstigungsregelungen.

Foto: Fotolia/Tanor27

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