Artikel erschienen am 01.01.2012
E-Paper

Erleichterung oder Vorsteuerfalle für Unternehmen?!

Gleichstellung von Papier- und elektronischer Rechnung ab 01.07.2011

Von Dipl.-Kfm. Dr. rer. Oliver Middendorf, Bielefeld | Detlef Wrede, Bielefeld

Worum geht es? Aus Rationalisierungs- und Kostengründen beabsichtigen immer mehr Unternehmen, anstelle von Papierrechnungen, elektronische Rechnungen zu versenden. Um den Vorsteuerabzug beim Rechnungsempfänger nicht zu gefährden, mussten elektronische Rechnungen bisher vom Rechnungsaussteller entweder mit einer qualifiziert elektronischen Signatur oder mittels EDI-Verfahren (Electronic Data Interchange) übermittelt werden. In der Unternehmenspraxis wurden diese bisher umsatzsteuerlich anerkannten Möglichkeiten jedoch vielfach als zu kompliziert empfunden.

Mit der Verabschiedung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 ist es dem Rechnungsaussteller – sofern der Empfänger zugestimmt hat – rückwirkend zum 01.07.2011 freigestellt, auf welche Art und Weise (z. B. E-Mail, Web-Download, PDF, Textdatei) er eine Rechnung übermittelt. Dies bedeutet, dass elektronische Rechnungen auch ohne Verwendung der bisher geforderten qualifizierten elektronischen Signatur oder des EDI-Verfahrens beim Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug zulassen.

In der ersten Euphorie über die Befreiung von komplexen und mit externen Kosten verbundenen Verfahren wird vielfach übersehen, dass für den Vorsteuerabzug auch nach der neuen Gesetzeslage die Authentizität, Integrität und jederzeitige Lesbarkeit einer Rechnung sichergestellt werden muss. Diese Vorgaben waren immer schon von allen Rechnungen zu erfüllen, auch wenn sie in erster Linie im Zusammenhang mit elektronischen Rechnungen diskutiert wurden. Im Ergebnis ist damit der Nachweis folgender Eigenschaften gemeint:

  • Authentizität – es besteht Sicherheit über die Identität des Ausstellers;
  • Integrität – es besteht Gewissheit darüber, dass die nach dem UStG erforderlichen Rechnungsangaben nicht geändert wurden;
  • Lesbarkeit – über den gesamten Aufbewahrungszeitraum kann die Rechnung für das menschliche Auge sichtbar gemacht werden.

Sofern der Rechnungsempfänger die Vorgaben nicht erfüllt, hat dies die Versagung des Vorsteuerabzugs aus allen nicht im Signatur- / EDI-Verfahren erhaltenen elektronischen Rechnungen zur Folge. Die daraus resultierenden finanziellen Belastungen in Form von Steuernachzahlungen (Vorsteuerrisiko) können für die betroffenen Unternehmen erheblich sein.

Was gilt es, bei elektronischen Rechnungen zu beachten?

Etablierung eines innerbetrieblichen Kontrollverfahrens mit Prüfpfad

Künftig obliegt es dem Rechnungsempfänger – der letztlich auch das Vorsteuerrisiko trägt – zu bestimmen, durch welches Verfahren er diese Voraussetzungen erfüllt. Nach der Neuregelung sollen dazu alle Verfahren geeignet sein, die mittels eines innerbetrieblichen Kontrollverfahrens einen verlässlichen Prüfpfad zwischen der Rechnung und der Lieferung / Leistung schaffen. Fraglich ist, was unter dieser Allgemeindefinition eines innerbetrieblichen Kontrollverfahrens im Kontext der Zulässigkeit des Vorsteuerabzuges zu verstehen ist. Nach einem dazu vom Bundesfinanzministerium herausgegebenen Frage-Antwort-Katalog ist es jedenfalls nicht erforderlich, dass ein solches innerbetriebliches Kontrollverfahren einen zur Signatur bzw. dem EDI-Verfahren vergleichbaren technischen Level erreicht. Vielmehr können auch deutlich einfachere Kontrollverfahren ausreichend sein. Danach kann ein entsprechend eingerichtetes Rechnungswesen bereits als geeignetes Kontrollverfahren dienen. Letztlich muss jedes Unternehmen auf Basis der Allgemeindefinition, der Unternehmensstrukturen und der eigenen Risikoabwägung die Prüfschritte festlegen, die in ihrer Gesamtheit die Einhaltung der Authentizität und Integrität gewährleisten müssen. Der Frage-Antwort-Katalog des Bundesfinanzministeriums kann dabei allenfalls der ersten Orientierung dienen.

Empfehlung: Die Festlegung und tatsächliche Beachtung des innerbetrieblichen Kontrollverfahrens muss mit größter Sorgfalt betrieben werden, da ein systematischer Fehler im Kontrollverfahren womöglich zum Wegfall des Vorsteuerabzugs aus allen nicht im Signatur- / EDI-Verfahren eingegangenen elektronischen Rechnungen führt.

Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten

Nach der Gesetzesbegründung und dem Frage-Antwort-Katalog sollen die gesetzlichen Neuregelungen interessanterweise keine neuen Aufzeichnungspflichten begründen.

Empfehlung: Jedes Unternehmen sollte das innerbetriebliche Kontrollverfahren dennoch hinreichend dokumentieren. Schließlich muss dem Betriebsprüfer später dargelegt werden können, dass man seinen Pflichten zur Rechnungsprüfung jederzeit mit hinreichenden Vorgaben nachgekommen ist.

Ohnehin ist die Dokumentation des Kontrollverfahrens eigentlich nichts Neues, denn seit 1995 (!) steht die Forderung nach Verfahrensdokumentationen in den GoBS (Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme). Bereits heute werden vergleichbare Verfahrensdokumentationen zum internen Kontrollverfahren in Betriebsprüfungen regelmäßig angefordert, wenn einfache Papierrechnungen zur weiteren Verarbeitung gescannt bzw. digitalisiert und anschließend vernichtet werden. Neben der Dokumentation des Kontrollverfahrens an sich sollte für sämtliche Rechnungen der Nachweis geführt werden können, dass das innerbetriebliche Kontrollverfahren auch tatsächlich durchlaufen wurde.

Aufbewahrung

Während der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren hat die Aufbewahrung der elektronischen Rechnungen sowohl durch den Aussteller als auch durch den Empfänger in dem originären Format zu erfolgen, in dem die Rechnung ausgestellt bzw. empfangen wurde. Das bedeutet, dass jede einzelne Originaldatei aufzubewahren ist. Eventuelle Konvertierungen sind zusätzlich aufzubewahren.

Hinweis: Die an dieser Stelle oft erhoffte Archivierung elektronisch übermittelter Rechnungen als Papierausdruck oder als Scan nach dem vorherigen Ausdruck ist nicht zulässig und führt zum Verlust des Vorsteuerabzugs.

Auch die einfache Speicherung der elektronisch übermittelten Rechnung (z. B. E-Mail) ist nicht ausreichend. Die Aufbewahrung muss auf einem unveränderbaren Datenträger (CD / DVD) oder mit einem Archivierungssystem erfolgen, dass keine Änderungen an der Datei zulässt bzw. diese zumindest dokumentiert. Dabei ist die jederzeitige Lesbarkeit der archivierten Rechnungen sicherzustellen. Um den Vorsteuerabzug aus den elektronisch eingegangenen Rechnungen nicht zu gefährden, muss die Unveränderbarkeit der archivierten Daten jederzeit nachgewiesen werden können.

Empfehlung: Da Hardware für sich alleine nie in der Lage ist, die Unveränderbarkeit der Daten zu gewährleisten, empfiehlt es sich, die Verfahrensdokumentation zum Kontrollverfahren um den Archivierungsprozess – also das Zusammenspiel zwischen Vorgehensweise, Software und Hardware – zu erweitern.

Fazit

Die neue Freiheit hat ihren Preis. Unternehmen, die auf die für Papierrechnungen unterstellte Dokumentensicherheit verzichten wollen, müssen für elektronisch übermittelte Rechnungen Prozesssicherheit herstellen. Die Neuregelung lässt dazu neben den bereits bisher zulässigen Signatur- und EDI-Verfahren einen dritten, in seiner Anwendung auslegbaren Weg zu. Welchen Anforderungen das dazu geforderte innerbetriebliche Kontrollverfahren genügen muss, hat der Gesetzgeber weitgehend offen gelassen. Den Unternehmen, die von der Neuregelung Gebrauch machen wollen, kann nur empfohlen werden, sich möglichst rechtzeitig mit den neuen Anforderungen vertraut zu machen.

Ähnliche Artikel

Finanzen Steuern Recht

Umsatzsteuer

Änderungen zum Jahreswechsel

Am 01.01.2013 ist das Jahressteuergesetz 2013 in Kraft getreten. Der Gesetzgeber beschließt damit auch Änderungen im Umsatzsteuergesetz (UStG), die für eine Vielzahl von Unternehmen relevant sind. Einige dieser Änderungen sind im betrieblichen Alltag kurzfristig zu übernehmen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Änderungen.

Ostwestfalen/Lippe 2013 | Arthur Jagiella, Bielefeld | Dipl.-Wirt.-jur. (FH) Christian Westmeier, Bielefeld

Finanzen Steuern Recht

Business Intelligence (BI) Tool im Mittelstand

Informationsflut sinnvoll strukturieren und Kosten-­Nutzen-Verhältnis im Blick behalten

Der Umfang an den in Unternehmen zur Verfügung stehenden Informationen und Daten nimmt stetig weiter zu. Um diese Situation sinnvoll nutzbar und überhaupt beherrschbar zu machen, sind verschiedene Systeme etabliert, die zum Ziel haben, dass die Daten zentral, strukturiert und einheitlich vorliegen und somit effektiver genutzt werden können.

Hannover 2018 | Sven Dierking, Hannover