Artikel erschienen am 01.01.2012
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Unternehmensorganisation unter Publizitätsgesichtspunkten

Gesetzlicher Rahmen und Gestaltungsspielräume bei der Offenlegungspflicht

Von Dr. iur. Stefan Hoischen, Herford | Dr. iur. Rolf Weber, Herford

Bedeutung der Offenlegungspflicht: Durch die Verpflichtung zur Einreichung von Jahres­abschlüssen beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers sind Informationen über Unternehmen für breite Kreise zugänglich geworden. Somit kann sich heute jeder über die Bilanzstrukturen und andere relevante Kennzahlen von Unternehmen in haftungsbeschränkter Rechtsform informieren. Die Einhaltung der entsprechenden Offenlegungsvorschriften nach §§ 325 ff. HGB wird durch das Bundesministerium der Justiz konsequent überwacht. Unternehmen, die bestimmte aus ihren Jahresabschlüssen ableitbare Informationen und Kennzahlen nicht publizieren wollen, müssen daher ihre Organisationsstruktur so ausrichten, dass sie ihr Geheimhaltungsinteresse mit den bestehenden Publikationsverpflichtungen nach den gesetzlichen Vorschriften in Einklang bringen.

Betroffene Unternehmensformen

Publizitäts­pflichtig nach den §§ 325 ff. HGB sind Kapital­gesell­schaften sowie Personen­handels­gesellschaften, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person oder eine andere Personenhandelsgesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter ist. Bei Kapitalgesellschaften und Personen­handels­gesellschaften ohne eine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter besteht immer eine Publizitätspflicht. Lediglich der Umfang hängt von den in § 267 HGB genannten Größenkriterien (Höhe der Umsatzerlöse, Bilanzsumme, Zahl der Mitarbeiter) ab.

Dagegen sind Unternehmen in Form des Einzel­unternehmens oder von Personen­handels­gesellschaften mit zumindest einer natürlichen Person als Vollhafter nur nach dem Publizitäts­gesetz veröffentlichungspflichtig. Sie müssen damit Unter­nehmens­daten erst dann offenlegen, wenn von den folgenden drei Merkmalen zwei Merkmale in drei aufeinander­folgenden Abschluss­stichtagen überschritten werden:

  • Bilanzsumme 65 Mio. Euro
  • Umsatzerlöse 130 Mio. Euro
  • durchschnittlich während des Geschäftsjahres mehr als 5 000 Arbeitnehmer.

Zu veröffentlichende Unternehmens­informationen

Bei Kapital­gesellschaften und Personen­handels­gesellschaften ohne persönlich haftenden Gesellschafter (typischerweise eine GmbH & Co. KG) sind die Bilanz und der Anhang offenzulegen, sofern die jeweilige Gesellschaft als „kleine“ Gesellschaft im Sinne des § 267 HGB einzustufen ist, d. h. nicht zwei der nachfolgend drei genannten Kriterien überschreitet:

  • 4,84 Mio. Euro Bilanzsumme
  • 9,68 Mio. Euro Umsatzerlöse
  • 50 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt

Da bei der Veröffentlichung des Anhangs die Gewinn- und Verlustrechnung betreffenden Angaben nicht veröffentlicht werden müssen, ist der Informationsgehalt aus derartigen Abschlüssen begrenzt.

„Mittelgroße“ und „große“ Gesellschaften im Sinne des § 267 HGB müssen neben der Bilanz und dem Anhang auch die Gewinn- und Verlustrechnung und den Lagebericht veröffentlichen. Für Konzernabschlüsse gilt dies ebenfalls (Veröffentlichung von Konzernbilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang und Konzernlagebericht).

Personenhandelsgesellschaften und Einzelkaufleute, die nach dem Publizitäts­gesetz offenlegungs­pflichtig sind, haben hingegen nur die Bilanz und den Anhang offenzulegen. In einer Anlage zur Bilanz haben sie zusätzlich Angaben zu machen, insbesondere zur Höhe der Umsatzerlöse, der Lohn- und Gehalts­aufwendungen und der Zahl der Beschäftigten.

Befreiende Maßnahmen

Zur Vermeidung der Publizität oder zumindest der Offenlegung der Gewinn- und Verlustrechnung gelten folgende Überlegungen:

Persönlich haftender Gesellschafter

Durch Beteiligung eines persönlich haftenden Gesellschafters wird die Publizitätspflicht vermieden, sofern nicht die Größenkriterien des Publizitäts­gesetzes erreicht werden. Diese Möglichkeit steht nur Personen­handels­gesellschaften offen. Der Beitritt des persönlich haftenden Gesellschafters befreit ab Wirksamwerden des Beitritts, somit mit Vereinbarung der entsprechenden Gesell­schafter­stellung. Die Handels­register­eintragung hat nur deklaratorische Wirkung. Der persönlich haftende Gesellschafter übernimmt jedoch nicht nur die persönliche Haftung für die Dauer seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter, sondern gemäß § 160 HGB auch noch für eine Dauer von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden für die bis zum Ausscheidenszeitpunkt begründeten Verbindlichkeiten.

Aufspaltung der Unternehmensorganisation

Durch eine Unternehmensorganisation, bei der das Gesamtunternehmen auf ver-schiedene kleine Gesellschaften im Sinne des § 267 HGB aufgeteilt wird, besteht für keine dieser Gesellschaften eine Publizitätspflicht unter Angabe ihrer Gewinne oder Verluste. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bildung einer konzern­rechnungs­legungs­pflichtigen Obergesellschaft vermieden wird, indem die Unternehmens­organisation durch Kapital­gesellschaften oder haftungsbeschränkte Personen­gesellschaften jeweils als Schwestergesellschaften strukturiert wird.

Befreiende Konzernabschlüsse

Sofern eine sinnvolle Unternehmensorganisation mit „kleinen“ Schwestergesellschaften gemäß § 267 HGB nicht möglich ist, kommt bei Unternehmen mit verschiedenen Aktivitäten in Betracht, die Veröffentlichung der Einzelabschlüsse jeder unternehmerischen Einheit dadurch zu vermeiden, dass eine Holdingstruktur begründet und für diese Holding ein befreiender Konzernabschluss veröffentlicht wird. Damit wird nur die Gewinn- und Verlustrechnung auf Konzernebene veröffentlicht, nicht aber die Gewinn- und Verlustrechnung jeder Einzelgesellschaft. Nach § 313 Abs. 2 Nr. 4 HGB ist im Konzernanhang jedoch das Ergebnis von Tochterunternehmen anzugeben. Zur Vermeidung dieser Anhangsangabe ist der Abschluss eines Gewinn­abführungs­vertrages zwischen Tochter- und Muttergesellschaft notwendig, da in diesem Falle der Jahresüberschuss / Jahresfehlbetrag null ist. Die Begründung einer Konzernstruktur mit Ergebnisabführungsverträgen und die Veröffentlichung eines Konzernabschlusses empfiehlt sich somit insbesondere dann, wenn durch die Zusammenfassung der Ergebnisse mehrerer Tochtergesellschaften auf Konzernebene erreicht wird, dass Einzelergebnisse der jeweiligen Tochtergesellschaft nicht veröffentlicht und ermittelt werden können.

Ergebnisbeeinflussende Maßnahmen und steuerliche Konsequenzen

• bei Kapitalgesellschaften

Soweit nicht Grenzen durch die Beteiligungsverhältnisse bestehen, lässt sich die zu veröffentlichende Handelsbilanz dadurch beeinflussen, dass handelsrechtlich hohe Aufwendungen gebucht werden, die jedoch letztlich dem oder den Gesellschaftern wieder zufließen. Beispiele hierfür sind hohe Gehalts- oder Bonuszahlungen an Geschäftsführer oder hohe Mieten an die Besitzgesellschaft. In der Regel werden diese Vereinbarungen, obgleich zivilrechtlich selbstverständlich wirksam, steuerlich nicht anerkannt und im bestimmten Umfang zu verdeckten Gewinnausschüttungen führen. Dies ist jedoch eine rein steuerliche Konsequenz, die nicht etwa dazu führt, dass die steuerlich überhöhten Mietzahlungen nicht mehr als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung gezeigt werden dürfen. Somit lässt sich über solche Buchungen das handelsrechtliche Ergebnis der Gesellschaft beeinflussen. Da allerdings der nach steuerrechtlicher Beurteilung überhöhte Aufwand steuerlich nicht berücksichtigt wird, passt in diesen Fällen der in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Aufwand für Ertragsteuern nicht zum ausgewiesenen Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Im Verhältnis ist der steuerliche Aufwand zu hoch. Zumindest ein erfahrener Bilanzleser wird erkennen, dass ergebnisgezielt beeinflusst wurde.

Zu beachten ist auch, dass in jüngster Zeit die Finanzverwaltung sehr genau darauf achtet, ob sich im Rahmen der Gewährung von verdeckten Gewinnausschüttungen auch schenkungsteuerpflichtige Sachverhalte ergeben können. Die Folgen der zum Teil völlig neuen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung sind noch kaum absehbar. Eine Einzelfallprüfung ist hier dringend anzuraten.

• bei Personenhandelsgesellschaften

Bei Personenhandelsgesellschaften ist die Sachlage steuerlich betrachtet einfacher, da es keine verdeckten Gewinnausschüttungen gibt. Die Personengesellschaft ist steuerlich transparent, d. h., alles, was einem Gesellschafter zufließt, wird ihm als Gewinnanteil zugerechnet und beeinflusst die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage nicht.

Zu berücksichtigen ist natürlich, dass solche Gestaltungen nur in Konstellationen funktionieren, wo aufgrund der Beteiligungsverhältnisse nicht Dritte oder einzelne Gesellschafter bereichert werden. Auch hier können schenkungsteuerliche Probleme eine Rolle spielen.

Fazit

Unter Publizitätsgesichtspunkten bieten Personenhandelsgesellschaften den größten Gestaltungsspielraum. Sowohl durch den Eintritt von persönlich haftenden Gesellschaftern als auch durch ergebnisbeeinflussende Maßnahmen kann die Publizität entweder ganz vermieden oder können die zu veröffentlichenden Informationen beeinflusst werden. Andererseits bieten aber gerade Kapitalgesellschaften Vorteile bei der laufenden Ertragsbesteuerung durch Thesaurierungsmöglichkeiten. Die richtige Organisationsstruktur im Hinblick auf zu setzende Prioritäten bedarf in jedem Falle sorgfältiger Überlegung und fachmännischer Begleitung.

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