Artikel erschienen am 06.01.2014
E-Paper

Der Widerruf von teuren Immobiliendarlehen

Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen ermöglichen vorzeitigen Ausstieg aus Krediten

Von Sebastian Birke, LL.M., Bad Oeynhausen

Die Zinsen haben einen historischen Tiefstand erreicht. Viele Kreditnehmer können jedoch von den niedrigen Zinsen nicht profitieren, da sie noch langfristig an teure Konditionen gebunden sind und bei einer vorzeitigen Kündigung des Darlehens die Bank für den Zinsausfall entschädigen müssen. In bestimmten Fällen ist es jedoch möglich, aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung in dem Vertrag viele Jahre nach Vertragsabschluss den Kredit zu widerrufen, ohne die sonst übliche Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank zahlen zu müssen.

Eine Vorfälligkeitsentschädigung darf seitens der Bank bei dem Ausstieg aus Verbraucherdarlehensverträgen nicht berechnet werden, wenn der Darlehensnehmer von seinem Widerrufsrecht nach §§ 495, 355 BGB Gebrauch macht. Grundsätzlich muss der Darlehensnehmer bei einem schriftlich abzuschließenden Verbraucherdarlehensvertrag seinen Widerruf innerhalb der gesetzlichen Frist von 14 Tagen nach Vertragsabschluss erklären. Voraussetzung für den Beginn dieser Widerrufsfrist ist aber, dass dem Darlehensnehmer eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt worden ist. Ist die Widerrufsbelehrung dagegen fehlerhaft, besteht für den Darlehensvertrag weiterhin ein sogenanntes „ewiges Widerrufsrecht“.

Wann ist eine Widerrufsbelehrung fehlerhaft?

Nach § 355 BGB muss die Widerrufsbelehrung eine deutliche Belehrung über die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien enthalten. Um für Rechtssicherheit zu sorgen, veröffentlichte das Bundesjustizministerium ab dem Jahr 2002 amtliche Musterbelehrungen in der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV, die von den Kreditinstituten verwendet werden sollten. Allerdings war viele Jahre lang sogar die vorgegebene amtliche Musterbelehrung fehlerhaft. „Die Widerrufsfrist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ stand in dem vom Bundesjustizministerium veröffentlichten Muster-Widerrufsbelehrungstext in der vom 02.09.2002 bis zum 01.10.2008 gültigen Fassung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 02.02.2011 (Az. VIII ZR 103/10) entschieden, dass diese Formulierung den Kreditnehmer über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig belehrt. Für den Verbraucher sei durch das Wort „frühestens“ der Beginn der Widerrufsfrist nicht eindeutig zu erkennen.

Wann steht den Darlehensnehmern ein Widerrufsrecht zu?

Allerdings ist Vorsicht geboten, da nicht jede Widerrufsbelehrung, die die vom BGH beanstandete Formulierung „frühestens“ beinhaltet, den Darlehensnehmern automatisch das Recht zum Widerruf des Vertrages einräumt. Kreditinstitute, die den vorgegebenen Muster-Widerrufsbelehrungstext der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung in jeder Hinsicht, also sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung, übernommen haben, können sich nach einem Urteil des BGH vom 15.08.2012 (Az. VIII ZR 378/11) auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Muster-Widerrufsbelehrung berufen. Allerdings haben nur wenige Banken den vorgegebenen Muster-Widerrufsbelehrungstext in jeder Hinsicht übernommen. Die meisten Kreditinstitute haben den Musterbelehrungstext einer eigenen Bearbeitung unterzogen und einzelne Sätze ausgelassen, ergänzt oder umformuliert, wodurch eine Berufung auf die Schutzwirkung des Musters ausgeschlossen ist. In diesen Fällen können die Darlehensnehmer viele Jahre nach Vertragsabschluss den Kredit ohne die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung widerrufen.

Wie sollen sich die Darlehensnehmer verhalten?

Verbraucher, die insbesondere in der Zeit vom 02.09.2002 bis zum 01.10.2008 einen Kredit bei einer Bank abgeschlossen haben, sollten mit juristischer Hilfe überprüfen lassen, ob die ihnen seinerzeit erteilte Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Falls ja, sollten sich die Darlehensnehmer bei der späteren Durchsetzung ihres Widerrufsrechts gegenüber der Bank von einem spezialisierten Anwalt vertreten lassen.

Ähnliche Artikel

Finanzen Steuern Recht

Chancen und Risiken der Eigenverwaltung

Erweiterte Möglichkeiten zur Sanierung von Unternehmen im Insolvenzverfahren

Seit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) 2012 ist eine Zunahme von sogenannten Eigenverwaltungsverfahren festzustellen. Gerade prominente Fälle haben diese Verfahrensart, die in der Vergangenheit eher ein Schattendasein gefristet hat, in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt.

Braunschweig 2014 | Manuel Sack, Braunschweig | Dipl.-iur., Dipl.-Im Maik Wedemeyer, Braunschweig

Immobilien

Rechtliche Beratung bei Immobilientransaktionen

Rechtsschutz im Immobilienrecht

Durch die Beteiligung geeigneter Berater bei Immobilientransaktionen kann Missverständnissen vorgebeugt und können Streitigkeiten vermieden werden. Dieser Artikel befasst sich mit der rechtlichen Beratung bei Immobilientransaktionen aller Größenordnungen. Eine qualifizierte rechtliche Beratung ist eine Prophylaxe gegen teure und zeitlich intensive Konflikte.

Braunschweig 2013 | René Weidig, Braunschweig