Artikel erschienen am 22.12.2014
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Wie robust ist Ihr Unternehmen?

Praktikable Analysemethoden zur Ergebnis- und Cashflow-Robustheit

Von Prof. Dr. rer. pol. Matthias Amen, Bielefeld

Wenn „schwache Signale“ mögliche Strukturbrüche ankündigen, fällt es schwer, die Unternehmensplanung nach bestmöglichen Annahmen unter Verwendung des Erfahrungswissens aufzustellen. Aus der internen Sicht der Unternehmensleitung sollte die Ergebnis- und Cashflow-Robustheit gegenüber Schwankungen der Haupteinflussfaktoren – meist des Absatzes – analysiert werden, damit das Gefährdungspotenzial abgeschätzt werden kann. Aus externer Sicht kann diese Analyse auch bei unbekannter Planung auf Basis der publizierten Jahresabschlüsse durchgeführt werden.

1 Aggregierte Daten als Ausgangspunkt der Unternehmensanalyse

Bei der Beurteilung der Ergebnis- und der Cashflow-Robustheit des gesamten Unternehmens sollte dem Prinzip der „schrittweisen Modellverfeinerung“ gefolgt werden. Damit ist das Analysemodell so „grob wie möglich“ und so „fein wie nötig“ zu gestalten. Wo es erforderlich erscheint und der weitere Analyseaufwand vertretbar ist, können diejenigen aggregierten Parameter aufgegliedert werden, deren Einfluss auf das Ergebnis und/oder auf den Cashflow als bedeutsam erachtet werden.

In der Regel ist der Absatz die treibende Kraft, da damit die Mengen der benötigten Produktionsfaktoren bestimmt sind. Hier wird die Robustheit des Ergebnisses und des Cashflows gegenüber Umsatzschwankungen betrachtet. Dabei wird angenommen, dass die Absatzmengen- und Absatzpreisstruktur im Mehrproduktunternehmen konstant bleiben.

2 Ergebnis-Robustheit

2.1 Break-even-Analyse

Zunächst ist eine Spaltung des Aufwands in fixe und variable Komponenten vorzunehmen. Ist dies sachlogisch nicht bzw. nicht in angemessener Zeit durchführbar, kann eine einfache Abschätzung weiter helfen. Schon in der externen Abschlussanalyse stehen neben den Geschäftsjahres- auch die Vorjahreszahlen zur Verfügung. Mit den Zahlenpaaren „Umsatz Vorjahr – Aufwand Vorjahr“ und „Umsatz Geschäftsjahr – Aufwand Geschäftsjahr“ lassen sich schon über die Zwei-Punkte-Form der Geradengleichung der Fixaufwand und der variable Aufwand je Euro Umsatz abschätzen. Stehen nicht nur die Vorjahreszahlen zur Verfügung, so kann die Aufwandsspaltung mit einer linearen Regression erfolgen, wie sie auch in einer Standard-Tabellenkalkulationssoftware durchführbar ist. Dies ist vor allem bei einer internen Analyse möglich, die auch auf Monatsabschlüsse zurückgreifen kann. Weiter zurückliegende Abschlussdaten sind zu diesem Zweck auf das Preisniveau des Analysezeitpunkts zu inflationieren.

Das Komplement zu dem variablen Aufwand je Euro Umsatz ist der Deckungsbeitrag je Euro Umsatz. Der Deckungsumsatz ist analog zur Gewinnschwellenmenge des Einproduktfalls definiert und beschreibt den Umsatz, zu dem gerade ein Gewinn von null entstanden wäre. Er wird durch Division des Fixaufwands durch den Deckungsbeitrag je Euro Umsatz errechnet.

2.2 Sicherheitskoeffizient und Operating Leverage

In der Unternehmensplanung ist der Sicherheitskoeffizient der Prozentsatz, um welchen der Umsatz ausgehend vom Planumsatz sinken darf, um zum Deckungsumsatz zu gelangen. In der externen Analyse kann der Sicherheitskoeffizient ausgehend vom publizierten Umsatzerlös ermittelt werden. Der Operating Leverage ist als Bogenelastizität des Gewinnes in Bezug auf den Umsatz im Bereich zwischen Planumsatz bzw. Umsatzerlös und Deckungsumsatz definiert: Operating Leverage = relative Gewinnänderung im Verhältnis zur relativen Umsatzänderung. Da die relative Gewinnänderung immer eins beträgt (es muss ja gerade der Plangewinn null werden) und die relative Umsatzänderung auch dem Sicherheitskoeffizienten entspricht, ist der Operating Leverage stets der Kehrwert des Sicherheitskoeffizienten.

Einen generellen Normwert gibt es nicht. Sicherheitskoeffizient und Operating Leverage sind abhängig von der Wertschöpfungstiefe. Fixaufwand ist Aufwand für die Bereithaltung von Kapazitäten im Unternehmen für einen Zeitraum. Je höher die Wertschöpfung ist, desto mehr Fixaufwand ist in der Tendenz vorhanden. Um zur gleichen Robustheit zu gelangen, muss bei einer Vergrößerung der Wertschöpfung die Verringerung des variablen Aufwands den Fixaufwandsanstieg mehr als kompensieren (siehe Rechenbeispiel).

3 Cashflow-Robustheit

Für die Beurteilung der Bestandsfestigkeit eines Unternehmens ist die Berechnung einer Robustheitskennzahl auf Basis von Zahlungsgrößen zweckmäßiger als auf Basis von Ergebnisgrößen, da eine Gefährdung der Zahlungsfähigkeit zur Insolvenz führen kann.

Relevant ist hier der Cash Point, der analog zum Deckungsumsatz der Break-even-Analyse errechnet wird, mit dem Unterschied, dass nicht die Gewinn- und Verlust-Rechnung, sondern die Kapitalflussrechnung die Datenbasis liefert. Bei Unternehmen, die keine Kapitalflussrechnung erstellen, ist diese zuvor derivativ aus den Jahresabschlussdaten näherungsweise zu berechnen. Falls nicht aus den verfügbaren Daten ersichtlich, werden die Auszahlungen auf analoge Weise mit der Zwei-Punkte-Form der Geradengleichung oder mit einer linearen Regression in fixe und variable Bestandteile aufgespaltet.

Zu unterscheiden sind mehrere Cash Points. Beim Cash Point I werden die Umsatzeinzahlungen ermittelt, bei denen der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit, der das Innenfinanzierungspotenzial des Unternehmens beschreibt, gerade null beträgt. Beim Cash Point II sind die Umsatzeinzahlungen zu berechnen, bei denen der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit nach Abzug der Zins- und Tilgungszahlungen (erfasst im Bereich der Finanzierungstätigkeit) den Wert null erreicht. Für die Beurteilung der Robustheit zur Vermeidung von Zahlungsunfähigkeit ist dieser erweiterte Cashflow-Begriff von Bedeutung. Im weiteren Verlauf sollte der Sicherheitskoeffizient und der Operating Leverage auf Basis von Cash Point II ausgerechnet werden.

4 Weitere Methoden zur Abschätzung der Robustheit

Weitere Methoden zur Beurteilung der Robustheit arbeiten mit der Unternehmensplanung und sind insofern meist nur intern einsetzbar. Hierzu gehört die Szenario­technik. Sie will mit der Definition von mindestens zwei gegensätzlichen Extremszenarien, die das als überwiegend wahrscheinlich angenommene Basisszenario ergänzen, ein Möglichkeitsspektrum aufzeigen. Die Szenarien müssen in sich widerspruchsfrei sein und nicht als nahezu unwahrscheinlich klassifiziert werden können. Für die Robustheit ist das eher pessimistische Extremszenario von Bedeutung, mit dem ein Stresstest zur Identifikation von Schwachstellen durchgeführt wird.

Eine quantitative Abschätzung der Robustheit steht mit der Monte-Carlo-Simulation der Unternehmensplanung zur Verfügung. Für die in einer deterministischen Sensitivitätsanalyse als relevant erachteten Parameter werden zunächst einfache Wahrscheinlichkeitsverteilungen und im weiteren Verlauf unter Abwägung zwischen potenziellem Erkenntnisgewinn und vermutetem Analyseaufwand historische oder theoretische Verteilungen angenommen. Möglich ist auch die Anwendung von Zeitreihentechniken. Für Standard-Tabellenkalkulationssoftware stehen praktikable Add-ins zur Verfügung. Mit der Monte-Carlo-Simulation ist es möglich, ermittelte relative Eintrittshäufigkeiten (z. B. positive Liquiditätsbestände) als Schätzungen für Eintrittswahrscheinlichkeiten zu interpretieren und diese dann als Robustheitsmaße heranzuziehen.

FallkonstellationAusgangspositionErhöhung der Wertschöpfung
bei gleichem Gesamtaufwand
Nötige Senkung des variablen
Aufwands für gleiche Robustheit
Umsatz [Euro/Jahr]
Fixaufwand [Euro/Jahr]
Variabler Aufwand [Euro/Jahr]
100
40
45
100
+ 10 = 50
– 10 = 35
100
50
– 3,75 = 31,25
Gewinn [Euro/Jahr] 

15 15 18,75
Variabler Aufwand/Umsatz
Deckungsbeitrag/Umsatz
0,45
0,55
0,35
0,65
0,31
0,69
Deckungsumsatz [Euro/Jahr]  72,73 76,92 72,73
Sicherheitskoeffizient 27,27 % 23,08 % 27,27 %
Operating Leverage 3,67 4,33 3,67

Rechenbeispiel: Wertschöpfung, Aufwandsstruktur und Robustheit

5 Fazit

Ergebnis- und Cashflow-Robustheit lassen sich mit betriebswirtschaftlichem Sachverstand und praktikablen Analysemethoden quantifizieren. Die Ausprägungen der Kennzahlen Sicherheitskoeffizient und Operating Leverage sind von der Wertschöpfungstiefe abhängig. Mit der Szenariotechnik können Schwachstellen identifiziert werden. Die Monte-Carlo-Simulation liefert Robustheitsmaße, die unmittelbar als Schätzungen der Überlebenswahrscheinlichkeit im Zeitablauf interpretierbar sind.

Foto: panthermedia/Wavebreakmedia Ltd.

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