Generalistisches Rechnungswesen-Studium
WiWi-Bachelor an der Universität Bielefeld mit Verkürzungsmöglichkeit des WP-Examens
Von Prof. Dr. rer. pol. Matthias Amen, Bielefeld1. Anforderungen und klassische Aufgabenteilung im Rechnungswesen
Das Rechnungswesen ist eine der klassischen Funktionen, die zu jeder wirtschaftlichen Tätigkeit gehören. Explizit oder implizit wird bei jeder wirtschaftlichen Tätigkeit bewertet, geplant, entschieden und dokumentiert. All dies sind Funktionen, die das Rechnungswesen erfüllt oder zumindest unterstützt. Schrittweise hat sich das Aufgabenspektrum des Rechnungswesens erweitert: Von der Selbstinformation eines Kaufmanns, die für die Steuerung (= das Controlling mit Planung und Entscheidungsfindung) seines Geschäfts nötig ist, über die Anspruchsbemessung und Information der an einer Unternehmung beteiligter (Mit-)Unternehmer oder Kapitalgeber, die bei mehrperiodigen Unternehmungen vereinbarte Regeln zur Bewertung und (Vorab-)Ausschüttung (Rechnungslegung) benötigen, sowie über die – schon frühe – Verwendung von Rechnungswesendaten zur Besteuerung. Schon immer wurde für Investitions- und Finanzierungsentscheidungen das Rechnungswesen herangezogen.
Die Anforderungen an das Rechnungswesen sind mit der Komplexität der Unternehmensrealität gewachsen. Internationale Rechnungslegung, Konzernrechnungslegung und Unternehmensbewertung bzw. wertorientierte Steuerung sind nicht nur bei kapitalmarktorientierten Unternehmen anzutreffen; auch bei KMUs wird dieses Know-how entweder verpflichtend angewendet oder zumindest zur Einschätzung von Marktakteuren (z. B. Abnehmer, Lieferanten, Mitbewerber) benötigt.
Das interne und das externe Rechnungswesen erfüllen dabei nur Abbildungsfunktion realer Vorgänge, die Timelags und Bewertungsakten unterliegen können. Zur Beurteilung der Lage eines Unternehmens sind u. a. auch das makroökonomische Umfeld, die internen realwirtschaftlichen Prozesse und Wettbewerbskräfte im Markt von Bedeutung. Im Rechnungswesen sollte man sich dieser Abbildungsfunktion stets bewusst sein; die Befähigung zur richtigen Lageeinschätzung erfordert ein generalistisches Wissen in den Bereichen Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Recht und quantitative Methoden.
2. Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften mit Profilbildung „Accounting, Taxes, Finance“
Die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld bietet mit dem Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften einen Studiengang an, der in der vier Semester umfassenden „fachlichen Basis“ die Studierenden mit dem erforderlichen fundamentalen Know-how in den genannten Bereichen versorgt. In der anschließenden zwei Semester dauernden „Profilphase“ können Module zu den Profilen „Management, Innovation, Marketing“, „Management Science“, „Economics“, „Finanzmärkte“, „Quantitative Methoden“ und „Accounting, Taxes, Finance“ ausgewählt werden. Die fachliche Basis und die Profilphase werden durch die „Individuelle Ergänzung“ angereichert, in der Studierende weitere Module aus dem Studienangebot der Universität Bielefeld einbringen.
Charakteristisch für die Profilmodule ist die Anreicherung durch „praktische Übungen“, die veranstaltungsübergreifend ausgerichtet sein können, isoliert nebenei-nander stehendem Fachwissen entgegenwirken und die Berufsbezogenheit fördern.
Das Profil „Accounting, Taxes, Finance“ gewährt den Studierenden eine flexible Gestaltung. So sind aus den Modulen „Finanzwirtschaft“, „Unternehmensrechnung I“, „Unternehmensrechnung II“, „Steuerlehre“, „Quantitative BWL“ sowie „Markt- und Informationsstrukturen“ vier auszuwählen und durch ein Modul aus „Mikroökonomie II“, „Makroökonomie II“, „Wettbewerb“, „Statistische Methoden“ und „Finanzwissenschaft“ zu ergänzen. In Hinblick auf das angestrebte Berufsfeld und auf persönliche Neigungen kann also in diesem Profil eine individuelle Schwerpunktsetzung erfolgen.
3. Verkürzungsmöglichkeit des Wirtschaftsprüfungsexamens
Belegen die Studierenden im Profil „Accounting, Taxes, Finance“ die Module „Finanzwirtschaft“, „Unternehmensrechnung I“, „Unternehmensrechnung II“, „Steuerlehre“ und „Finanzwissenschaft“, so decken sie nicht nur die o. g. klassischen Teilgebiete des Rechnungswesens vollumfänglich ab, sie haben auch die Möglichkeit, einen Leistungsnachweis nach § 9 Abs. 2 der Wirtschaftsprüfungsexamens-Anrechnungsverordnung (WPAnrV) zu erhalten.
Weitere Voraussetzung dafür ist u. a. der erfolgreiche Abschluss des Moduls „Wirtschaftsprüfung“ in der individuellen Ergänzung. Dieses Modul ist speziell für die Komplettierung des Bachelorstudiengangs Wirtschaftswissenschaften in Hinblick auf das von der Wirtschaftsprüferkammer vorgegebene Curriculum im Prüfungsfach „Angewandte Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre“ konzipiert worden. Die generalistische Komposition des Bachelorstudiengangs Wirtschaftswissenschaften mit Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Recht und quantitativen Methoden ermöglicht es zusammen mit der speziellen Ausgestaltung des Profils „Accounting, Taxes, Finance“ und dem Modul „Wirtschaftsprüfung“, die von der Wirtschaftsprüferkammer definierten Anforderungen für die Gleichwertigkeit mit dem Wirtschaftsprüfungsexamen zu erfüllen. Die Studiendauer des Bachelorstudiengangs Wirtschaftswissenschaften wird durch diese spezielle Bielefelder Konstruktion nicht verlängert. Die Gleichwertigkeit der Prüfungsleistung wurde von der Wirtschaftsprüferkammer erstmals für den Studierendenjahrgang mit Studienbeginn Wintersemester 2014/2015 bestätigt.
Wird von Examenskandidaten der Leistungsnachweis nach § 9 Abs. 2 der WPAnrV vorgelegt und von der Wirtschaftsprüferkammer bestätigt, wird das Wirtschaftsprüfungsexamen nach § 13b Wirtschaftsprüferordnung (WPO) verkürzt. Es entfallen damit zwei der sieben Klausuren sowie die mündliche Prüfung im Prüfungsfach „Angewandte Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre“. Für das Wirtschaftsprüfungsexamen verbleiben dann die Prüfungsgebiete „Wirtschaftliches Prüfungswesen, Unternehmensbewertung und Berufsrecht“, „Wirtschaftsrecht“ und „Steuerrecht“. Diese Verkürzungsmöglichkeit ist derzeit für die Examenskandidaten zeitlich befristet gültig, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass vor dem Wirtschaftsprüfungsexamen auch einer einschlägigen Praxistätigkeit nachgegangen werden muss.
Die Universität Bielefeld beabsichtigt, künftig für jeden neuen Studierendenjahrgang diese Gleichwertigkeit bestätigen zu lassen und damit eine Verkürzung des Wirtschaftsprüfungsexamens zu ermöglichen. Die Attraktivität des Bielefelder Bachelorstudiengangs Wirtschaftswissenschaften wird durch die Verkürzungsmöglichkeit des Wirtschaftsprüfungsexamens weiter erhöht. Insbesondere rechnungsweseninteressierte Studienbewerber werden deutschlandweit angesprochen. Universitäre Bachelorstudiengänge mit der Verkürzungsmöglichkeit des Wirtschaftsprüfungsexamens werden außer an der Universität Bielefeld nur an der Freien Universität Berlin und an der Universität Ulm angeboten.
Verkürzungsmöglichkeit des Wirtschaftsprüfungsexamens
Fazit
Eine generalistisch ausgerichtete fachliche Basis kennzeichnet den Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld. Auf diesem breiten Fundament baut die Profilphase auf. Bei rechnungswesenorientierter Ausrichtung des Profils „Accounting, Taxes, Finance“ und Wahl des Moduls „Wirtschaftsprüfung“ kann das Wirtschaftprüfungsexamen nach § 13b WPO um das Prüfungsgebiet „Angewandte Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre“ verkürzt werden.
Weitere Informationen:
• Universität Bielefeld: Anrechnung von Prüfungsleistungen aus dem Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften auf das WP-Examen
• Wirtschaftsprüferkammer: Hochschulen
Bild: Panthermedia/Zlomari
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