Artikel erschienen am 07.01.2016
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Neue Standards der Verrechnungspreisdokumentation

Globale Vorgaben der OECD durch BEPS-Aktionsplan

Von Dipl.-Kfm. Michael Rogalski, Bielefeld | Dr. iur. Marcus Eggert, Bielefeld

Im Zuge der Globalisierung werden zahlreiche Unternehmen, und davon auch eine bedeutende Anzahl von mittelständischen Familienunternehmen, grenzüberschreitend tätig, wodurch das internationale Steuerrecht immer mehr an Bedeutung gewinnt. Auch in der Öffentlichkeit hat in letzter Zeit die Diskussion über die Auswüchse legaler Steuergestaltungen international tätiger Großkonzerne zugenommen, deren Gestaltungen eine Minimierung der Konzernsteuerquote zum Ziel haben. Minderung von Bemessungsgrundlagen (Base Erosion) und Gewinnverlagerungen (Profit Shifting) spielen bei dieser Form der Steuergestaltung eine zentrale Rolle.

Folge der Steuerpraktiken der internationalen Großkonzerne sind Wettbewerbsverzerrungen mit Nachteilen oftmals für mittelständische Unternehmen. Aus diesem Grund startete unter der Mitwirkung von 62 Staaten das BEPS-Projekt der OECD, in dem ein 15 Punkte umfassender Maßnahmenkatalog entwickelt wurde, mit dem Ziel, gegen die schädliche Steuergestaltung internationaler Großkonzerne vorzugehen. Der Katalog gibt Empfehlungen in Bezug auf die Steuerrechtsordnungen der beteiligten Staaten. Sie sollen einen fairen Wettbewerb schaffen und die Steuereinnahmen der Staaten sichern.

Verrechnungspreisdokumentation als Maßnahme für fairen Wettbewerb

Die Verrechnungspreisbestimmung zwischen verbundenen Unternehmen betrifft viele Bereiche. Das sind u. a. ausländische Betriebsstätten, Lizenz- und Patentvergaben, Zinsen für Fremdkapital usw. Multina­tionale Konzerne nutzen die Möglichkeit, durch Verrechnungspreisgestaltung Gewinne in niedrig besteuerte Länder zu verschieben. Obwohl der Grundsatz der Angemessenheit seit Jahren gilt, bleibt ein Spielraum insbesondere bei Patent- und Lizenzvergaben großer Konzerne, da es hier wenig Fremdvergleichsmöglichkeiten gibt. Um schädliche Steuergestaltungen im Bereich der Verrechnungspreise zu erkennen, benötigen die Steuerverwaltungen viele Informationen. Ein Austausch von Daten zwischen den Staaten sowie eine Standardisierung von Dokumentationspflichten erleichtert die Lieferung dieser benötigten Informationen. Ein besonderes Augenmerk ist daher der Maßnahme 13 des BEPS-Aktionsplans zu widmen, welche die neue Richtlinie V der OECD-Richtlinie zur Dokumentation von Verrechnungspreisen beschreibt und Standardisierungen und Datenaustausch zwischen den Staaten vorsieht. Die Standardisierung wird nicht nur als Vorteil für die Steuerverwaltungen gesehen, sondern soll auch die Dokumentation auf Ebene der Unternehmen vereinfachen. Dennoch kann man hier auch einen größeren Nachteil erahnen: Aus der Verschärfung der Richtlinie dürfte sich in Zukunft ein deutlich höherer Aufwand der Dokumentation für Unternehmen ergeben, die international tätig sind. Das betrifft nicht nur multinationale Großkonzerne, sondern auch die mittelständischen Familienunternehmen.

Ziel der neuen Richtlinie V ist eine Vereinheitlichung der nationalen Vorschriften bezüglich der Dokumentationspflicht. Der bis jetzt in den Richtlinien verankerte Fremdvergleichsgrundsatz gilt weiterhin. Unternehmen sollen die Übereinstimmung ihrer Verrechnungspreise mit diesem Grundsatz darlegen. Im Ergebnis sollen nach Aussage der OECD sowohl mehr Transparenz für Steuerbehörden geschaffen werden als auch die Compliance-Kosten für die Steuerzahler reduziert werden. Hierzu wurde das Country-by-Country-Reporting (CbCR) geschaffen. Mit diesem Instrument sollen die Steuerverwaltungen die Möglichkeit erhalten, vor allem Risiken bez. der Verrechnungspreise und weitere BEPS-Risiken zu bewerten und eine Prüfung der Verrechnungspreise durchzuführen.

Dreigliedriger Dokumentationsansatz der Maßnahme 13 des BEPS-Aktionsplans

Das Country-by-Country-Reporting besteht aus einem dreigliedrigen Dokumentationsansatz: Erstens dem Master File, zweitens dem Local File und drittens dem Country-by-Country-Report. Es soll für alle Wirtschaftsjahre gelten, die ab oder nach dem 01.01.2016 beginnen. Der Master File dokumentiert Informationen, die für alle Unternehmen einer Unternehmensgruppe von Bedeutung sind. Dazu gehören u. a. die Organisationsstruktur der Gruppe, ein Überblick über die Geschäftstätigkeiten aller beteiligten Unternehmen, eine Auflistung der immateriellen Wirtschaftsgüter, die Beschreibung der
Finanzierungsstruktur innerhalb der Gruppe und die Advance Pricing Agreements der gesamten Gruppe. Der Local File dokumentiert die lokale Gesellschaft bzw. Betriebsstätte. Dazu gehören Informationen bez. der Transaktionen zwischen dieser lokalen Einheit und anderen konzernzugehörigen Gesellschaften sowie die Dokumentation geeigneter Verrechnungspreismethoden. Das dritte Glied ist der Country-by-Country-Report, eine länderbezogenen Berichterstattung, die weitere Informationen in drei Tabellen liefert.

Country-by-Country-Report

Die erste Tabelle des CbCR basiert auf Kennzahlen wie Umsatz, Ergebnis vor Steuern, Anzahl der Mitarbeiter und Wirtschaftsgütern, die jeweils nach Ländern gestaffelt sind. Die hier zusammengestellten Daten sollen den Steuerverwaltungen einen Überblick über die Aufteilung von Erträgen und Steuern liefern und automatisch zwischen den Ländern ausgetauscht werden, wenn diese eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Die Richtlinie beschreibt im Anhang Definitionen der Kennzahlen, die aber nicht eindeutig sind. Die Bereitstellung von Daten für den CbCR dürfte daher mit großem Aufwand verbunden sein. Die zweite Tabelle soll die Aufstellung aller Geschäftsfelder der Konzerngesellschaften bereitstellen. Die dritte Tabelle beinhaltet zusätzliche erklärende Informationen. Besonders bez. des CbCR bleibt abzuwarten, ob der dreigliedrige Dokumentationsansatz dem o. g. Ziel der Reduzierung der Compliance-Kosten gerecht wird oder hier ein erheblicher Mehraufwand auf die Unternehmen zukommt. Während Master File und Local File für alle multinationalen Unternehmen verpflichtend sind, muss der CbCR nur von Konzernen erstellt werden, deren jährlicher Umsatz größer als 750 Mio. Euro ist.

Konkrete Umsetzung

Die Umsetzung soll grundsätzlich ex ante erfolgen. Das heißt, die Daten, auf deren Basis die Verrechnungspreise ermittelt werden, sollen bereits bei Beginn der Transaktion vorhanden sein. Zum Zeitpunkt der Aufstellung der Steuererklärung muss eine Überprüfung und ggf. eine Anpassung der Verrechnungspreise erfolgen. Master File und Local File sollen bereits vor der Abgabe der Steuererklärung erstellt werden und jedes Jahr angepasst werden. Studien zur Datenerhebung sollen alle drei Jahre neu erstellt werden. Der CbCR hingegen soll erst ein Jahr nach Ablauf des Wirtschaftsjahres erstellt sein. Für Unternehmen, deren Wirtschaftsjahr am 01.01. beginnt, gilt demzufolge eine erstmalige Frist bis zum 31.12.2017. Die Erstellung erfolgt in der jeweiligen Amtssprache des Landes. Es wird jedoch empfohlen, dass auch eine Erstellung in englischer Sprache erlaubt ist. Alle Daten können entweder in elektronischer Form oder in Papierform zur Verfügung gestellt werden, die Aufbewahrungsfristen sollen verhältnismäßig sein. Zu den Wesentlichkeitsgrenzen fehlen konkrete Angaben. Es erfolgt lediglich ein Verweis auf nationales Recht, was dann bedeutet, dass hier je nach Hoheitsgebiet unterschiedliche Grenzen greifen dürften und eine Vereinheitlichung nicht zwingend gegeben ist.

In Deutschland sind die Unternehmen schon seit Jahren verpflichtet, grenzüberschreitende Transaktionen mit verbundenen Unternehmen zu dokumentieren. Die konkrete Umsetzung der Maßnahmen des BEPS-Aktionsplans steht jedoch noch aus. § 90 AO soll dahingehend geändert werden, dass Verrechnungspreisdokumentationen nicht erst nach Aufforderung dem Betriebsprüfer vorgelegt werden müssen, sondern bereits zusammen mit der Steuererklärung abgegeben werden müssen, und der Steuerpflichtige den Master File, den Local File und den CbCR einreichen muss. § 90 AO wird derzeit vom Bundesfinanzministerium überarbeitet.

Wahrung des Steuergeheimnisses

Die OECD erwähnt ausdrücklich die Wahrung des Steuergeheimnisses durch die Steuerbehörden. Das heißt, Steuerbehörden sollen Geschäftsgeheimnisse und andere vertrauliche Informationen nicht öffentlich preisgeben. Das dürfte aber in Ländern zu Problemen führen, in denen die Steuererklärungen öffentlich zugänglich sind.

Was kommt auf den Mittelstand zu?

Bislang wurde bei Betriebsprüfungen mittelständischer Unternehmen die Leistungsverrechnung mit verbundenen Unternehmen nur selten diskutiert. In letzter Zeit ist jedoch zu beobachten, dass dieses Thema zunehmend mehr im Fokus der deutschen Finanzverwaltung steht und es vermehrt zu Anfragen diesbezüglich bei Außenprüfungen kommt. Für mittelständische Unternehmen kann die umsatzabhängige Erleichterung greifen, sodass sie lediglich Master File und Local File erstellen müssen. Die Gefahr der Überschreitung der Erleichterungsgrenzen sollte jedoch von den Unternehmen im Blick behalten werden. Es bleibt dann zwar in Deutschland eine 30- bis 60-Tages-Frist zur Vorlage der Dokumentation, es dürfte jedoch schwierig sein, in der kurzen Zeitspanne alle Sachverhalte passend darzulegen. Wird die Frist nicht eingehalten, kommt es zu Schätzungen der Verrechnungspreise und es drohen Doppelbesteuerungen und Sanktionen. Weiterhin zu beachten sind auch mögliche Überschreitungen der Grenzen in den anderen betroffenen Staaten. Mittelständische Unternehmen sollten demnach darauf vorbereitet sein, Daten rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Eine zeitnahe Erfassung der notwendigen Daten ist zu empfehlen, damit im Bedarfsfall rechtzeitig alle geforderten Dokumentationsschritte durchgeführt werden können.

Foto: Panthermedia/JCB Prod

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