Artikel erschienen am 28.12.2016
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Internationale Märkte locken, neue Risiken winken

Von Markus Hollender, Detmold

Jedes zweite ostwestfälische Industrieunternehmen will zukünftig weiter in das Ausland expandieren. Damit die neue ökonomische Verflechtung nicht an allfälligen Hindernissen scheitert, ist eine umfassende Risikobetrachtung geboten.

Die Firmen setzen im Ausland verstärkt auf den Auf- und Ausbau von Produktionsstätten und Vertriebseinheiten zur lokalen Markterschließung. Etwa ein Drittel der Unternehmen ist aber auch durch Local-Content-Vorschriften zur Produktion vor Ort gezwungen. Dem Investitionsvolumen für die Expansion werden dabei häufig keine Grenzen gesetzt. Aber es gibt auch einen Gegentrend, der zeigt, dass viele Unternehmen wieder nach Deutschland zurückkehren. Dem Scheitern von Auslands­vorhaben liegt oft ein fehlendes Risikomanagement zugrunde.

Gute Vorbereitung unabdingbar

Auch wenn die vielen ausländischen Märkte hohe Wachstumspotenziale aufweisen, sollten sich Unternehmen zunächst aus möglichst vielen verschiedenen Quellen über das neue Zielland hinsichtlich Daten und Fakten informieren. Stabilität und Rechtssicherheit sind in vielen Ländern nur begrenzt gegeben. Politische Risiken und Unruhen, Beschlagnahme, Enteignung oder Nichtkonvertierbarkeit bzw. Transfer von Währungen stellen viele Unternehmen vor Pro­bleme. Besonders die letzten Jahre und Monate haben deutlich gezeigt, dass die Lage auch in scheinbar stabilen Ländern und Regionen rasch explosiv werden kann. Soziale Unruhen und politischer Wandel werden demnach immer unvorhersehbarer. Unternehmen mit internationalem Engagement sollten sich genau auf die wichtigsten Einflussfaktoren für die Länder und Regio­nen, in denen sie tätig sind, vorbereiten und ein voraus­schauendes Risikomanagement betreiben.

Große Diskrepanzen zu deutschen Gewohnheiten erleben z. B. Unternehmen der Bauwirtschaft oder auch der Anlagen- und Maschinenbau. Hier sind häufig Bürgschaften für Anzahlungen und Vertragserfüllung aber auch Bürgschaften für Zoll- und Steuerstundung notwendig. In der Türkei und Saudi-Arabien müssen beispielsweise im Bürgschafts- und Garantiebereich Sonderlösungen konzipiert werden. Dies wird zunehmend aber von Versicherern statt von Banken getätigt, da aufgrund der Eigenkapitalanforderungen nach Basel III die Konzeption für Banken immer unattraktiver wird.

Rund zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland geben als Hauptmotiv für Auslandsinvestitionen die Ausweitung des Vertriebs und des Kundendienstes an. Damit wird der Vertrieb so wichtig eingeschätzt wie zuletzt 2012. Die Motive Markterschließung (17 %) und Kostenersparnis (18 %) verlieren etwas an Bedeutung.

Gefahren bedenken

Zielt die Expansion eines Unternehmens hauptsächlich auf die Erschließung neuer Kundengruppen und Märkte ab, so sollte eine Kreditausfallversicherung nicht fehlen. Ein klassisches Risiko stellen außerdem Verwaltungshürden aber auch die nicht zu unterschätzenden Naturgefahren dar, die häufig nicht berücksichtigt werden. Wer aus einer gemäßigten Klimazone mit vergleichsweise geringer Naturgefahrenexponierung stammt, unterschätzt häufig entsprechende Risiken wie Hochwasser, Stürme und Erdbeben im Ausland.

Dass Produktionsfaktoren verfügbar sein müssen, ist notwendiger betriebswirtschaftlicher Grundsatz.

Über die Zollhürden bestimmter Länder, die einen regelmäßigen und ausreichenden Bezug eines Rohstoffs oder Vormaterials unmöglich machen, erfährt man fast ausschließlich in Gesprächen mit ortsansässigen Fachleuten. Darüber hinaus wird es immer schwieriger, deutsche Facharbeiter oder Mitarbeiter aus der mittleren Managementebene für den Aufbau und Ausbau eines Standortes im Ausland zu gewinnen. Gewerbeparks entstehen eben oftmals an Stellen ohne gute Infrastruktur mit Schulen und Ärzten. Der eingesetzte Mitarbeiter erwartet z. B., dass er und seine Familie im Krankheitsfall auf deutschem Top-Niveau abgesichert sind. Es bedarf für ein Unternehmen folglich eines entsprechend attraktiven Modells, um Mitarbeiter ins Ausland zu locken. Eine frühzeitige konsequente Analyse und gute Standortkenntnisse können helfen, den Expansionserfolg vorzubereiten und durch ein entsprechendes Risikomanagement zu sichern.

Die Unternehmen in Deutschland sehen drei wesentliche Hemmnisse bei Auslandsinvestitionen: Für 72 % sind polititsche Risiken das Haupthemmnis, gefolgt vom Bürokratieaufwand im Zielland (65 %) und Währungsrisiken (61 %). Die weiteren gefragten Hemmnisse fallen dagegen weniger ins Gewicht.

Typische Hürden

Die Investition an einem ausländischen Standort bringt neue Herausforderungen mit sich. Die Anforderungen sind oft höher als im Inland, wo ein Unternehmen seinen Markt und das Umfeld langjährig kennt. Besonders in den Fokus gehören daher:

  • neue Zahlungsrisiken
  • zusätzliche Verwaltungskosten
  • andere Qualitätsstandards und andere Preisgefüge
  • Transportkosten
  • Anwerben und Halten guter Mitarbeiter
  • Beschaffung von Rohstoffen und Vormaterialien
  • Wettbewerb
  • Compliance-Vorschriften und politische Risiken
  • Lieferkettenrisiken
  • Anforderungen an neue technische Normen
  • Marktkenntnis

Bild: Fotolia/Kundra
Grafik: IHK-Konjunkturumfrage

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