Artikel erschienen am 08.03.2018
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Betriebsrenten-Stärkungsgesetz

Neue Impulse zur Steigerung der betrieblichen Alterseinkünfte

Von Wolf-Dieter Jordan, Paderborn

„Die Rente ist sicher!“ In den 1980er-Jahren prägte der damalige Arbeitsminister Norbert Blüm diesen Slogan. Sicher ist allerdings nur, dass die gesetzlichen Renten lediglich eine Grundversorgung bieten können. Ein Blick in die jährlichen Renteninformationen sollte genügen, um zu wissen, dass man neben den gesetzlichen Ansprüchen weitere Liquidität im Ruhestand benötigt. Besonders Geringverdiener haben ein latentes Risiko, in die Altersarmut abzurutschen. Hier muss etwas geschehen. Chancen dazu ergeben sich in der betrieblichen Altersversorgung (bAV).

Bis heute bietet die bAV mit ihren fünf Durchführungswegen „Direktversicherung“, „Pensionskasse“, „Pensionsfonds“, „Unterstützungskasse“ und „Direktzusage“ gute Möglichkeiten, um flankiert durch Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsersparnisse sowie attraktive Arbeitgeberzuschüsse zusätzliche Einnahmen zu erzeugen. Allerdings wurde in der Vergangenheit in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die bAV nicht systematisch umgesetzt, sodass besonders dort die Beschäftigten die Möglichkeiten nicht nutzen. Nur jeder zweite Beschäftigte hat heute eine Betriebsrente. Und Geringver­diener nutzen bAV oftmals nicht. Die Politik vereinbarte deshalb bereits 2013 im Koalitionsvertrag eine deutliche Stärkung der Betriebsrenten für Beschäftigte durch verbesserte Rahmenbedingungen in KMUs. Daraus entstanden ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG), das am 01.01.2018 in Kraft tritt.

Welche Chancen bietet das Betriebsrentenstärkungsgesetz?

• Einführung des Sozialpartnermodells (SPM)

Als völlig neue Form kann das Sozialpartner­modell eingerichtet werden. Der Kern des Sozialpartnermodells ist die reine Beitragszusage. Vom Arbeitgeber wird verpflichtend nur verlangt, den vereinbarten Beitrag zu entrichten. Somit entfällt die Einstandspflicht des Arbeitgebers (§1 BetrAVG) und damit die Haftung für die Leistungen. Grundsätzlich ist das Sozialpartnermodell von tarifgebundenen Unternehmen einzurichten. Sofern keine Tarifbindung besteht, ist dies auch über Betriebsvereinbarungen, Versorgungsordnungen oder individualrechtliche Vereinbarungen möglich. Das SPM ist in den Durchführungswegen „Direktversicherung“, „Pensionskasse“ und „Pensionsfonds“ möglich. Garantien zur Höhe einer späteren Leistung dürfen nicht gegeben sein. Als Leistung kann nur eine laufende Rente vereinbart werden. Durch den Wegfall der Garantien ist eine freie Kapitalanlage möglich. Renditechancen nehmen zu, entsprechend die Möglichkeiten einer erhöhten Rentenleistung. Aber das Risiko einer negativen Entwicklung trägt dabei der Arbeitnehmer. Ein dementsprechender Tarifvertrag kann einen zusätzlichen arbeit­geberfinanzierten Sicherungsbeitrag vorsehen.

Eine optionale Kapitalzahlung wie in den aktuell bekannten Durchführungswegen ist ebenfalls nicht vorgesehen. Bei Arbeitgeberwechseln kann die Übertragung des Deckungskapitals nur innerhalb von Sozialpartnermodellen erfolgen.

• Lukrative Riesterförderung in der betrieblichen Altersversorgung

Bisher wurden Zahlungen aus dem Nettogehalt geleistet und dennoch die Leistungen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und Pflegeversicherung der Rentner (PVdR-Pflicht) unterworfen. Diese Doppelverbeitragung wurde nun abgeschafft. Die Grundzulage wurde von 154 auf 175 Euro erhöht, die Kinderzulage bleibt bei 185 Euro für vor 2008 Geborene und für nach 2007 Geborene bei 300 Euro (geb. nach 2007).

• Erhöhung des steuerlichen Förderrahmens von 4 auf 8 % der Beitragsbemessungsgrenze

Bis 2017 war der nach § 3.63 EStG steuerlich geförderte Betrag auf 4 % der BBG begrenzt. Dieser gilt auch für die Sozialver­sicherungsfreiheit. In Summe sind dies in 2017 3 048 Euro p. a. Wenn nicht in einen alten Vertrag nach § 40b EStG gezahlt wird, konnten zusätzlich 1 800 Euro steuerlich gefördert angespart werden. Ob dies vor dem Hintergrund einer möglichen Doppelverbeitragung in der Krankenversicherung sinnvoll ist, sollte in einem Beratungsgespräch ermittelt werden.

Neu in 2018 ist der Förderrahmen von 8 % der Beitragsbemessungsgrenze. Der zusätzliche Steuerfreibetrag von 1 800 Euro pro Jahr entfällt dafür entsprechend. Sofern eine Direktversicherung nach 40b EStG a. F. besteht, werden die Beiträge hierfür von der neuen Acht-Prozent-Grenze abgezogen.

Leider wurde versäumt, auch die Sozialversicherungsfreiheit der Beiträge auf 8 % zu erhöhen, sie bleibt weiterhin auf 4 % der BBG begrenzt. Will man dennoch 8  % Sozialversicherungsbeiträge sparen, kann man, sofern die Liquidität es zulässt, sowohl die Förderung in der Direktversicherung nutzen als auch zusätzlich im Rahmen des § 4d EStG in eine Unterstützungskasse einzahlen.

• Verpflichtender Arbeitgeberzuschuss von 15 % der Sozialversicherungs­ersparnis

Soweit durch eine Entgeltumwandlung Sozial­versicherungsbeiträge erspart werden, muss der Arbeitgeber zukünftig einen Zuschuss von 15 % des Umwandlungsbetrags zahlen. Für neue Entgeltumwandlungsvereinbarungen gilt das ab dem 01.01.2019, für bestehende Vereinbarungen greift es ab dem 01.01.2022.
Sofern noch keine Regelungen getroffen wurden, sind Unternehmen gut beraten, bereits jetzt freiwillig ihren Mitarbeitern diese Vorteile zu gewähren, denn bei jeder Umwandlung spart der Arbeitgeber durchschnittlich 20 %. Bestehende Regelungen sollten geprüft werden, denn bei handwerklichen Fehlern könnte es zu erweiterten Förderungsansprüchen der Arbeitnehmer kommen. Ist z. B. durch den Arbeitgeber nicht eindeutig geregelt, dass der bisherige Zuschuss ein Ausgleich der Sozialversicherungsersparnis darstellt, zahlt dieser eventuell in Zukunft die 15 % zusätzlich zum bereits gewährten Zuschuss.

• Förderbetrag für Einkommen bis 2 200 Euro monatlich

Damit auch Personen mit einem Einkommen von maximal 2 200 Euro brutto im Monat, das sind oft Teilzeitkräfte und mitarbeitende Ehegatten, mehr Rente erhalten, ist durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz ein Förderbetrag für Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber möglich. Arbeitgeber werden gefördert, wenn sie ihren Arbeitnehmern einen Zuschuss zur betrieblichen Altersvorsorge gewähren. Voraussetzungen sind zum einen, dass der Arbeitgeber eine sog. ungezillmerte betriebliche Altersvor­sorge einrichtet und zum anderen zwischen 240 Euro und maximal 480 Euro zusätzlich ab 2018 im Jahr einzahlt. Auf diese Beträge werden Entlastungen von 30 % im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens gewährt. Sinnvoll ist die Zahlung in Jahresbeiträgen, mit denen mögliche Schwankungen im Einkommen berücksichtigt werden können. Die Förderung kommt nur in Frage, wenn die zugesagten Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenleistungen als Rente oder Auszahlplan gezahlt werden. Der bAV-­
Förderbeitrag des Arbeitgebers ist nach
§ 100 Abs. 6 EStG n. F. bis max. 480 Euro steuerfrei. Der steuerliche Rahmen des § 3 Nr. 63 EStG wird nicht berührt.

• Nachzahlungen

Arbeitsunterbrechungen und somit auch Beitragspausen durch Pflege, Sabbaticals oder Elternzeit von mindestens einem Jahr verringern die Leistungen im Rentenbezug. Das BRSG bietet die Möglichkeit, diese Beiträge steuerfrei nachzuentrichten. Arbeitnehmer, bei denen die Voraussetzungen vorliegen, können für jedes Jahr ohne Gehalt eine Nachzahlung in Höhe von 8 % der aktuellen BBG leisten. Dies gilt ebenso für entgeltlose Dienstjahre vor dem 01.01.2018.

• Neugestaltung der Vervielfältigungsregel bei Ausscheiden

Die bisherige Kürzung des Vervielfältigungsvolumens um die im Jahre des Ausscheidens und den sechs Vorjahren tatsächlich steuerfrei gestellten Beiträge entfällt. Neu (§ 3 Nr. 63 S. 3 EStG) ist geregelt, dass beim Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis sich der steuerfreie Betrag wie folgt bemisst: Dienstjahre (max. 10) x 4 % der BBG West, das bedeutet, dass im Jahr 2018 maximal 30 480 Euro steuerfrei möglich sind. Dies stellt eine Verbesserung gegenüber der Altregel dar.

Opting-out – automatischer Einschluss von bAV

Um mehr Menschen in die bAV zu bewegen, hat das Gesetz für tarifgebundene und tarif­angelehnte Unternehmen die Möglichkeit geschaffen, automatisch nach gewissen Kri­terien in der bAV angemeldet zu werden, es sei denn, man verzichtet bewusst darauf (Opting-out).

Deutlich höhere Freibeträge

In der Vergangenheit wurden private Renten deutlich höher auf die Grundsicherung angerechnet, sodass eine Zusatzversorgung oftmals nicht lohnte. Künftig kann ein attraktiver Freibetrag von rund 200 Euro monatlich für Leistungen aus bAV-Renten, Riesterrenten und Basisrenten genutzt werden.

Erweiterter Beratungsbedarf für Arbeitgeber!

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz führt für Arbeitgeber vor allem zu der Frage, ob die bisher getroffenen Regelungen arbeitsrechtlich, steuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich anzupassen sind. Hier sind die Unternehmen gefordert, sich zeitnah mit komplexen Fragestellungen auseinanderzusetzen: Ist es sinnvoll, tarifvertragliche Regelungen einzuführen? Welche Durchführungswege sind betrieblich richtig? Sind die bestehenden Betriebsver­einbarungen, Versorgungsordnungen oder indi­vidualrechtlichen Verabredungen noch rechtskonform? Was ist zu tun, um bestehende und neue Lohnbestandteile sinnvoll in ein Firmenversorgungssystem zu integrieren, um so auch die immer wichtiger werdende Mitarbeiterbindung zu stärken? Sind die unterstützenden Personalprozesse so geregelt, dass diese die aktuellen Normen im Sinne des Unternehmens umsetzen oder bestehen latente Haftungsrisiken?

Arbeitgeber-Aufwand

Beispielberechnung Arbeitgeber-Aufwand
(jährlich) – nach Sofort-Abzug und nach Steuern
Gering­verdienerkein Gering­verdiener
Arbeitgeberbeitrag 480 Euro 480 Euro
Lohnsteuersofortabzug 30 %  –144 Euro  entfällt
Nettoaufwand (vor Betriebsausgabenabzug)  336 Euro  480 Euro
zusätzliche steuerliche Entlastung auf den verbleibenden Nettoaufwand durch Betriebsausgabenabzug (angenommerner Unternehmenssteuersatz 30 %)  –100 Euro  –144 Euro
Effektiver Nettoaufwand Arbeitgeber  236 Euro  336 Euro

Fazit

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz ist eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Durchführungswege der bAV. Der Gesetzgeber schafft durch zusätzliche Förderungen Anreize, um die Alterseinkünfte zu verbessern. Leider sind noch nicht alle Begriffe klar definiert worden, hier ist seitens der Behörden noch mit weiteren Ausführungen zu rechnen. Insgesamt ist Unternehmen zu empfehlen, dass sie Berater, die sich auf betriebliche Firmenversorgungssysteme spezialisiert haben, zum Beispiel Betriebswirte für bAV (FH), Steuerberater und Rechtsanwälte, einbinden, um die bestehenden Systeme auf zeitgemäße und rechtskonforme Konstrukte prüfen und erneuern zu lassen.

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