Artikel erschienen am 28.03.2018
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Streit ums Erbe vermeiden

Von Dipl.-Kff. Heike Niemann, Herford | Martin Schrahe, Herford

Experten schätzen, dass mehr als 40 % der Deutschen über 60 Jahre noch kein Testament gemacht haben, dass mehr als 80 % der Testamente Widersprüche und Fehler enthalten und dass es in mehr als 25 % der Erbfälle zu Konflikten in der Familie kommt. Wer frühzeitig Vermögen überträgt und ein gültiges, widerspruchsfreies Testament verfasst, kann seiner Familie viel Ärger mit ungeliebten Verwandten und dem Fiskus ersparen.

Sich mit dem eigenen Tod zu befassen, ist unangenehm. Daher gibt es häufig keine oder unzulängliche bzw. ungültige Testamente. Immer wieder streiten Verwandte vor Gericht ums Erbe und fechten Testamente an. Nicht selten sollen auch zu Hause aufbewahrte Testamente verschwinden. Daher ist die erste Empfehlung, ein notariell beurkundetes Testament zu machen und dieses bei Gericht zu hinterlegen.

Klagen und Streitereien gibt es nicht nur in bereits zerstrittenen Familien

Immer wieder werden Geschwister aus zuvor friedlich harmonischen Familien zu unerbittlichen Kontrahenten, weil sie sich beim Erbe benachteiligt fühlen. Überlegen Sie, wer wann was bekommen soll und besprechen Sie dies in der Familie, um mögliche Konfliktpotenziale auszuloten. Prüfen Sie auch vorzeitige Schenkungen, denn sie können erhebliche Steuerersparnisse ermöglichen und bieten zudem weniger Angriffsfläche für spätere Streitigkeiten.

Versuchen Sie, das Testament so einfach wie möglich zu halten und Erbengemeinschaften zu verhindern, indem Sie einzelne Vermögensgegenstände bestimmten Erben vermachen und für den Rest einen Alleinerben einsetzen. Erbengemeinschaften sind sehr streitanfällig, insbesondere dann, wenn es um die persönlichen Dinge, wie den Familienschmuck oder Kunstwerke geht. Schaffen Sie klare Regelungen, was im Einzelnen mit Ihrem Nachlass passieren soll, um ungewollte Ausgleichszahlungen und Streitigkeiten zwischen den Erben zu vermeiden. Für die Abfassung von Testamenten sollte in jedem Fall juristischer Rat herangezogen werden. In Testamenten tauchen häufig die Begriffe „Vermachen“ oder „Vererben“ auf. Dies sind aber zwei völlig verschiedene testamentarische Anordnungen, denn Vermächtnisnehmer haben Anspruch auf einen bestimmten Gegenstand oder bestimmte Gegenstände, während Erben pauschal einen Teil des Nachlasses erhalten. Insbesondere Gegenstände mit hohem emotionalen Wert sollten per Vermächtnis dem jeweiligen Erben zugeordnet werden. Wer keine ins Einzelne gehenden Regelungen treffen möchte, kann das Zugriffsverfahren bestimmen. Hierbei wird bestimmt, welche Erben sich nacheinander aus einer Gruppe von Nachlassgegenständen bedienen können. Der Erblasser legt hierbei die Reihenfolge fest oder es wird die Reihenfolge per Würfel bestimmt. Dieses Verfahren vermeidet Streit, weil sich die Erben nicht über die Verteilung einzelner Gegenstände einigen müssen. Wer befürchtet, dass die Erben sich gemeinschaftlich über den letzten Willen hinwegsetzen könnten, sollte einen Testamentsvollstrecker und auch einen Ersatztestamentsvollstrecker bestellen. Fällt die Entscheidung schwer, wer das Familienunternehmen oder die Immobilien erben soll, kann eine interne Auktion angeordnet werden. Das Verfahren ist einfach und klar, denn wer am meisten bietet, bekommt den Zuschlag. Wichtig ist, das Auktionsverfahren zu regeln. Kann jeweils nur ein Angebot abgegeben werden oder können die Erben nacheinander mehrere Gebote innerhalb einer bestimmten Frist abgeben? Wer sich für die interne Auktion entscheidet, sollte unbedingt einen Testamentsvollstrecker benennen.

Wichtig ist die sorgfältige und detaillierte Regelung des Nachlasses

Soweit kein Testament vorliegt, greift die gesetzliche Erbfolge. Nach deutschem Erbrecht schließen Verwandte der ersten Ordnung Erben entfernterer Ordnung vom Erbe aus. Erben erster Ordnung sind die ehelichen und nichtehelichen sowie adoptierten Kinder und die Enkel. Der Erbteil des Ehegatten steht selbständig daneben. Erben zweiter Ordnung sind dann die Eltern, Geschwister/Halbgeschwister sowie Neffen und Nichten. Ehegatten und Kinder sind pflichtteilsberechtigte Nachkommen und können nicht vollständig enterbt werden. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Soweit im Familienkreis einvernehmlich Erbfolgeregeln getroffen werden, kann es sinnvoll sein, Pflichtteilsverzichte zu vereinbaren.

Weit verbreitet ist das sog. Berliner Testament, bei dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und meistens als Nacherben die Kinder benennen. Die Berliner Testamtente sind aus vielen Gründen nicht ratsam. So wird Erbschaftsteuer schon beim ersten Erbfall fällig, wenn der Ehegattenfreibetrag von 500 000 Euro überschritten wird. Die Freibeträge der Kinder bleiben dann ungenutzt. Mit dem Berliner Testament werden Kinder zunächst enterbt, auch wenn sie als Nacherben eingesetzt sind. Daher kommt es immer wieder vor, dass die Nacherben sofort den Pflichtteil einfordern. Es liegt auf der Hand, dass Pflichtteilsklagen besonders häufig in Patchwork-Familien vorkommen. Auch sollte man wissen, dass der länger Lebende an das gemeinschaftliche Testament gebunden ist und dieses nicht mehr ohne Weiteres geändert werden kann. Daher sollte beim Berliner Testament überlegt werden, ob der überlebende Ehegatte die Erbquoten verändern darf. Der Pflichtteil beträgt immerhin die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Hinterlässt der Verstorbene seinem Ehepartner und zwei Kindern 500 000 Euro, so beträgt der Pflichtteil für jedes Kind immerhin 62 500 Euro. Alle zehn Jahre gewährt das Erbschaftschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz folgende Freibeträge: für den Ehegatten 500 000 Euro, für die Kinder und Stiefkinder 400 000 Euro und für die Enkel (Kinder lebender Kinder) 200 000 Euro. Alle übrigen Erwerber erhalten lediglich 20 000 Euro Freibetrag. Das derzeitige Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ist komplex und birgt viele Fallstricke, daher ist es dringend zu empfehlen, erfahrene Fachleute hinzuzuziehen.

Genauso wie im betrieblichen Bereich eine Bilanz erstellt wird, sollte bei größeren Vermögen auch die Vermögensplanung auf Basis einer privaten Bilanz erfolgen. Nicht nur die Höhe, sondern auch die Zusammensetzung des Vermögens ist von großer Bedeutung. Eine private Vermögensbilanz dient als Ausgangspunkt für die privaten Kapitalanlagenentscheidungen und ermöglicht einen Überblick über die Vermögenstruktur. Sie sollte auch eine Erbschaftsteuerplanung beinhalten. Der Erbfall kann unter Umständen eine sehr hohe Erbschaftsteuerbelastung zu einem nicht vorhersehbaren Datum auslösen. Deshalb sollte zur Absicherung der Familie ausreichend Liquidität vorhanden sein bzw. kurzfristig durch den Verkauf von Wertpapieren und Anleihen oder Ähnlichem generiert werden können. Besteht das Vermögen in erster Linie aus Immobilien und Unternehmens- bzw. Fondsbeteiligungen, ist es oft sehr schwierig, diese zu angemessenen Preisen zu veräußern. Bei Unternehmensbeteiligungen ist dies vielfach auch gar nicht gewollt. Bei einer Vermögensstruktur, die überwiegend aus nicht oder nur schwer liquidierbaren Vermögenswerten besteht, sollte deshalb darüber nachgedacht werden, ob das Erbschaftsteuerrisiko (noch) durch eine Risikolebensversicherung abgedeckt werden kann.

Wer im hohen Alter sein Testament macht oder ändert, sollte überlegen, sich von einem Facharzt seine Testierfähigkeit bescheinigen zu lassen. Angebliche Testierunfähigkeit ist ein häufiger Anfechtungsgrund bei Testamenten. Das Testament kann handschriftlich abgefasst werden. Allerdings muss dies vollständig handschriftlich abgefasst sein und unterzeichnet sein mit Ort und Datum, damit der letzte Wille zeitlich eingeordnet werden kann, da das letzte Testament das entscheidende ist. Das Testament sollte klar und präzise formuliert sein, damit keine Missverständnisse oder Erbstreitigkeiten aufkommen. Testamente sollten alle drei bis fünf Jahre dahingehend überprüft werden, ob sich die Steuergesetze, Familienverhältnisse oder Vermögensverhältnisse geändert haben und hieraus Anpassungsbedarf abzuleiten ist. Sinnvoll ist es, hierbei die Unterstützung von Fachleuten – wie Notaren oder Steuerberatern – in Anspruch zu nehmen.

Nicht nur bei Ehescheidungen, auch bei den Erbfällen zeigt sich der wahre Charakter erst am Schluss. Sorgfältig formulierte, gültige Testamente schaffen Rechtssicherheit, sparen Steuern und helfen, den Familienfrieden zu erhalten.

Bild: Fotolia/IRStone

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