Artikel erschienen am 13.02.2023
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Corporate Social Responsibility (CSR) und Nachhaltigkeitsberichterstattung

Das betrifft doch nur die dicken Fische… oder?

Von Till Schätz, Stuttgart | Janko Franke, Stuttgart

Der Entwurf wurde im November 2022 durch den Europäischen Rat gebilligt. Die CSRD wird die bisherige Richtlinie NFRD (Non-Financial Reporting Directive) erweitern und den Anwendungsbereich deutlich ausweiten. Dies nehmen wir zum Anlass, um uns nachfolgend mit den künftigen Anforderungen auseinanderzusetzen.

Grundlagen

Unter CSR (Corporate Social Responsibility) versteht man die Verantwortlichkeit von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft im Allgemeinen. Die Verantwortlichkeit umfasst dabei sowohl soziale, ökologische als auch ökonomische Faktoren, die sich teilweise wechselseitig beeinflussen.

Dabei handelt es sich bei CSR nicht um ein Phänomen der 2020er-Jahre. Bereits im 19. Jahrhundert engagierten sich Unternehmer im Zuge der Industrialisierung für Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und übernahmen Aufgaben außerhalb des unternehmerischen Bereichs. So engagierten sie sich im Bereich Wohnungsbau, Kultur, medizinscher Einrichtungen oder bei der Gründung von Schulen; wenngleich auch in eher patriarchalischen Strukturen.

Seither führte die industrielle Entwicklung in Zusammenhang mit zunehmender Globalisierung neben weltweiter Wohlstandsmehrung auch zu negativen Auswirkungen und globalen Herausforderungen wie Armut oder Klimawandel. Auch im Bereich der grundlegenden Arbeitnehmerrechte oder beim Zugang zu medizinischer Versorgung bestehen weiterhin Defizite, weshalb das CSR-Konzept seit den 1990er-Jahren einen weltweiten Aufschwung erfährt.

Die Einführung und Fortentwicklung einer nichtfinanziellen Berichterstattung wird damit begründet, dass Unternehmen heute zunehmend nicht mehr nur nach ihren Finanzdaten bewertet werden, sondern auch nach nichtfinanziellen Faktoren, wie die Beachtung von Menschenrechten oder Umweltbelangen. Die Gesellschaft erwartet heute zunehmend mehr, dass Unternehmen verantwortungsvoll handeln. Eine Vielzahl von Unternehmen haben bereits CSR- Maßnahmen implementiert, sind aber bislang noch nicht auf die kommenden Berichtspflichten vorbereitet bzw. wissen gar nicht, ob sie künftig über nicht finanzielle Aspekte Rechenschaft ablegen müssen.

Status quo

Berichtspflichtig sind bisher große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften. Dies sind in Deutschland in etwa 500 Unternehmen. Der bisherige gesetzliche Rahmen führte dazu, dass die Unternehmen hinsichtlich Art und Umfang der Berichterstattung sehr flexibel waren, was eine geringe Vergleichbarkeit nach sich zog. So variierten berichtete Sachverhalte und Berichtstiefe zumeist sehr stark.1 Eine Überprüfung der Verlässlichkeit der nicht finanziellen Angaben durch einen externen Dritten war bislang ebenfalls nicht vorgesehen.

Neuerungen im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

Durch die CSRD wird der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen nun deutlich ausgeweitet. Während bisher europaweit ca. 11.000 Unternehmen berichtspflichtig waren, werden von der neu gefassten Richtlinie voraussichtlich ca. 50.000 Unternehmen betroffen sein, wovon auf Deutschland allein ca. 15.000 Unternehmen entfallen.

Die CSRD soll über einen gestaffelten Zeitraum von drei Jahren eingeführt werden:
• ab 01.01.2024: Unternehmen, die bereits durch die EU-Richtlinie NFRD berichts pflichtig waren
• ab 01.01.2025: große Unternehmen i.S.d. HGB, die bislang nicht unter die NFRD fallen
• ab 01.01.2026: börsennotierte kleine und
mittelgroße Unternehmen i.S.d. HGB,
kleine nicht-komplexe Kreditinstitute und
firmeneigene Versicherungsunternehmen.

Zudem werden einige nicht „unmittelbar“ betroffene Gesellschaften unter den Anwendungsbereich der CSRD fallen, nämlich solche, die aufgrund von gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen oder Satzungen schon heute das Regelwerk für große Kapitalgesellschaften anwenden müssen.

Umfang und Art der Berichterstattung

Der Nachhaltigkeitsbericht wird künftig zwingend in den (Konzern-)Lagebericht als gesonderter Teil integriert. Der Umfang der Berichtspflichten wird deutlich ausgeweitet:

Es sind alle Informationen aufzuführen, die für das Verständnis der nachhaltigkeitsrelevanten Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens sowie der Auswirkung von Nachhaltigkeitsaspekten auf den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis und die Lage des Unternehmens erforderlich sind. Dabei sollen alle drei ESG-Kategorien (Environmental, Social und Governance) inhaltlich abgedeckt werden. Insbesondere soll auf das Geschäftsmodell, die Strategie in Bezug auf Nachhaltigkeitsziele, Beschreibung von Nachhaltigkeitsrichtlinien und Darlegung der wesentlichen Risiken im Zusam¬menhang mit Nachhaltigkeitsthemen eingegangen werden.

Um diesen Inhalten einen Rahmen zu geben, werden derzeit verbindliche europäische Berichtsstandards entwickelt (ESRS). Die finalen Entwürfe wurden am 23.11.2022 der Europäischen Kommission vorgelegt.

Um das Vertrauen in die nichtfinanzielle Berichterstattung zu stärken, wird eine Pflicht zur externen Prüfung eingeführt. Die Berichtspflichten und die damit einhergehenden Prüfungen von nicht finanziellen Informationen nehmen damit immer verpflichtendere Formen an.

Nachhaltigkeitsberichterstattung über die Hintertür?

Zusätzlich tritt zum 01.01.2023 das Sorgfaltspflichtengesetz zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettengesetz) in Kraft, welches zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten in Deutschland gilt. Ab dem Jahr 2024 wird dieser Schwellenwert auf 1.000 Mitarbeiter abgesenkt. Unternehmen müssen alle unmittelbaren Zulieferer auf die Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Standards überprüfen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wird die Einhaltung des Gesetzes kontrollieren. Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten ist unternehmensintern fortlaufend zu dokumentieren. Darüber hinaus hat das Unternehmen jährlich einen Bericht über die Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten im vergangenem Geschäftsjahr zu erstellen und diesen auf der Internetseite des Unternehmens kostenfrei öffentlich zugänglich zu machen.

Auch wenn zunächst nur die o.g. „großen Unternehmen“ betroffen sind, werden sich für nicht unmittelbar berichtspflichtige Unternehmen künftig indirekte Berichtspflichten ergeben. Durch die Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette und der dadurch resultierenden Meldeprozesse der vorgelagerten Lieferantenkette (in der Automobilwirtschaft bereits Gang und Gebe) werden KMUs künftig oftmals „freiwillige“ geeignete Berichtssysteme einführen müssen. Das Thema betrifft somit einen großen Teil unserer Wirtschaft.

Fazit

Durch die Einführung der neuen CSRD ergeben sich umfangreichere Berichtspflichten, die zugleich Abstrahlungswirkung auf nicht unmittelbar betroffene Unternehmen haben können. Unternehmen sei es geraten, sich frühzeitig mit einer etwaigen Berichterstattung und dem CSR-Management auseinanderzusetzen, selbst wenn bislang noch keine unmittelbare Verpflichtung hierzu besteht. Die Beschäftigung mit den eigenen ESG-Pflichten, die notwendige Datensammlung und Datenerhebung sowie die Implementierung der nichtfinanziellen Berichterstattung ist ein anspruchsvoller mehrjähriger Prozess unter frühzeitiger Einbindung des Wirtschaftsprüfers. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die nichtfinanzielle Berichterstattung nicht nur als eine zusätzliche Bürde angesehen werden muss, sondern sich hieraus auch Vorteile und Chancen ergeben können – sei es durch entsprechenden Reputationsgewinn, Alleinstellungsmerkmale ggü. Mitbewerbern oder auch bei der Gewinnung von qualifiziertem Fachpersonal.

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