Artikel erschienen am 14.02.2023
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Working Capital Management

Mit Working Capital Steuerung durch die Krise – Ansätze & Fallstricke in der Praxis

Von Damian Wosnitzka, Stuttgart

In diesem stürmischen Umfeld müssen Unternehmen sicher navigieren und Risiken minimieren. Eine hohe Kapitalbindung im Working Capital ist dabei nachteilig, doch ein gezielter Einsatz verschiedener Instrumente kann helfen und dabei vielschichtige Unternehmensziele erreichen.

1. Was ist Working Capital Management?

Working Capital Management beschreibt die gezielte Steuerung des Umlaufvermögens und der kurzfristigen Verbindlichkeiten. Dies betrifft u.a. Mittelzuflüsse durch die Realisierung eigener Forderungen, vorhandenes Barvermögen sowie Mittelabflüsse durch die Zahlung von Lieferanten oder Gehältern. Im komplexen Spannungsfeld zwischen Abnehmern, Lieferanten und internen Stakeholdern kommt es zu Liquiditätsüberschüssen oder -engpässen, je nachdem, wann die Geldflüsse stattfinden. Die Herausforderungen unterliegen hierbei dem ständigen Wandel. So waren jahrelang Einlagenzinsen und die Vermeidung von hohen Geldbeständen wesentliche Treiber bei der Liquiditätsoptimierung. Mittlerweile spielen jedoch dramatisch gestiegene Finanzierungskosten und Lieferkettensicherheit eine größere Rolle. Die verspätete Zahlung an einen Kernlieferanten kann zu dessen Ausfall führen, die negativen Auswirkungen auf die eigene Produktion lassen sich oftmals nicht abschätzen. Working Capital Management ist daher deutlich mehr als reine Liquiditätsplanung und sollte stets auch strategische Ziele wie Lieferantenbindung oder Nachhaltigkeitsziele adressieren.

2. Vielfältige Ziele und Ansätze

Branchen und Unternehmen sind verschieden, daher gibt es im Working Capital Management auch unterschiedliche Ansätze. Je nach Situation können verschiedene Ziele dominieren:

a. Liquiditätsoptimierung

Ausreichend Liquidität ist überlebensnotwendig für ein Unternehmen. Verwahrentgelte sind mittlerweile deutlich erhöhten Finanzierungskosten gewichen. Gebundenes Kapital ist somit deutlich teurer, gleichzeitig müssen viele Unternehmen Lagerbestände erhöhen, um auf Krisen und Lieferengpässe vorbereitet zu sein. Eine Optimierung der Liquidität kann grundsätzlich eine Angleichung von Aus- und Einzahlungen beinhalten. Statt Spitzen über die Nutzung von Betriebsmittellinien zu decken, können Geldflüsse in Einklang gebracht werden um Rechnungen „on time“ zu bezahlen. Dies spart Zinsen und schont vorhandene Linien. Verschiedene Instrumente können zudem genutzt werden, um eine ausreichende Steuerung zu erreichen. So bietet sich auf der Aktivseite ein Forderungsverkauf über Factoring oder ABS zur vorzeitigen Vereinnahmung von Forderungen unter Berücksichtigung eines Abschlages an, während die eigenen Zahlungsziele bspw. durch den Einsatz von Reverse Factoring verlängert werden können. Darüber hinaus bieten moderne Lagerfinanzierungen die Möglichkeit höhere Lagerbestände in eine Finanzierung einzubringen, um hierdurch weitere Liquidität heben.

b. Kennzahlenoptimierung

Das Working Capital hat einen signifikanten Einfluss auf diverse Kennzahlen, welche nicht nur bei börsennotierten Unternehmen eine Rolle spielen. Banken schauen sehr genau auf bestehende Covenants. Eine verbesserte Liquidität kann zur punktuellen Rückführung und damit Entlastung von vorhandenen Linien genutzt werden. Die dadurch geringere Inanspruchnahme wirkt sich üblicherweise positiv auf Verschuldungsgrad und die oftmals daran gekoppelten Finanzierungskosten aus. Eine gezielte Steuerung der Zu- und Abflüsse kann zudem für eine stichtagsbezogene Optimierung des Free Cash Flow verwendet werden.

c. Risikoabsicherung

Ausfallrisiken nehmen in Krisenzeiten und Rezessionen grundsätzlich zu. Working Capital Management kann effektiv dazu genutzt werden, Risiken auf Abnehmer- und Lieferantenseite zu minimieren. So lässt sich durch Forderungsverkauf mittels Factoring oder Verbriefung das Debitorenrisiko gezielt steuern. Der Ausfall eines großen Abnehmers kann zu Problemen führen, insbesondere bei Produkten mit fokussiertem Kundenkreis. Der Einsatz einer Lieferkettenfinanzierung kann vom Lieferanten genutzt werden, um die eigene Position zu stärken und seinerseits Risiken zu minimieren. So kann es für Unternehmen in drohender Schieflage auch zur Situation kommen können, dass ein Lieferant auf vorzeitige Bezahlung besteht. Der Einsatz einer Lieferkettenfinanzierung kann hier die einzige Möglichkeit sein, die eigenen Zahlungsziele zu verlängern.

d. Stabilisierung der Lieferkette

Lieferkette bedeutet Beziehungsmanagement – langfristige Partnerschaften mit Kernlieferanten sind oftmals unerlässlich für den eigenen Unternehmenserfolg. Einen Lieferanten später oder gar nicht zu bezahlen, schadet dieser Beziehung und kann in Zeiten von Rohstoffknappheit dafür sorgen, dass in Zukunft wichtige Teile für die eigene Produktion fehlen. Working Capital Management sollte daher stets auch die Sicht der Lieferanten einschließen, um nicht die eigene Position auf Kosten der Lieferanten zu stärken. Lieferkettenfinanzierung spielt hierbei eine wesentliche Rolle, insbesondere wenn das eigene Rating deutlich besser ist als das des Lieferanten. Aufgrund dieser Rating-Arbitrage lässt sich dem Lieferanten eine attraktive Finanzierungsquelle zur Verfügung stellen, die für eine stärkere Lieferantenbindung und besseren Zugriff auf notwendige Leistungen, Teile und Rohstoffe sorgen kann. Fehlt diese Arbitrage, so ermöglichen weitere innovative Instrumente eine Zahlungszielverbesserung ohne Lieferanteneinbindung. Die Möglichkeiten sind vielfältig und hängen vom Charakter der Lieferantenbeziehung ab. Je besser diese ist, desto mehr Möglichkeiten stehen zur Verfügung.

3. Alles im grünen Bereich

Grüne Finanzierung ist auch im Working Capital Management relevant. So lassen sich nahezu alle Produkte mit einer ESG-Komponente versehen. Insbesondere in der Lieferkettenfinanzierung liegen die Vorteile auf der Hand, da sich Anreize bei den Lieferanten schaffen lassen, bestimmte Kriterien zu erfüllen. Hier eignet sich der Einsatz von ESG-Ratings. Je besser das Rating des Lieferanten, desto günstiger die Finanzierung. Dieses effektive Mittel hilft vor dem Hintergrund steigender Anforderungen an die eigene Lieferkette. Working-Capital-Finanzierungen lassen sich zudem in ein vorhandenes Nachhaltigkeits-Framework einbinden.

4. Für nahezu jedes Unternehmen geeignet – worauf es ankommt

Grundsätzlich eignet sich Working Capital Management für Unternehmen jeder Größenordnung, wobei sich die eingesetzten Instrumente nicht notwendigerweise auf alle Firmen anwenden lassen. So sind bspw. Verbriefungskonstruktionen über den Kapitalmarkt erst ab einem bestimmten Forderungsvolumen relevant, um die im Vergleich zum Factoring höheren Kosten der Implementierung zu decken. Gleiches gilt für die Lieferkettenfinanzierung, wobei sich hier der erste Blick zur Bestimmung eines möglichen Programmvolumens auf den Materialaufwand richtet. Hier besteht die Herausforderung, dass die Lieferanten selbst über die Teilnahme an einem Programm und damit über dessen Wirkungsgrad entscheiden. Ein attraktiver Zinssatz bildet den stärksten Anreiz. Für die erfolgreiche und zügige Umsetzung neuer Instrumente ist daher eine zielgerichtete Bedarfsanalyse und die frühe Einbindung wesentlicher interner Stakeholder wichtig. So spielt bspw. der Einkauf bei der Lieferantenansprache eine wichtige Rolle. Zudem sind entsprechende Ressourcen in der IT bereitzustellen, um neue Prozesse in das laufende Tagesgeschäft zu integrieren. Bei der Auswahl des Finanzierers bietet ein integrierter Corporate-Finance-Ansatz mit Finanzierungslösungen für Forderungen und Verbindlichkeiten nebst Advisory entscheidende Vorteile. Das Unternehmen profitiert von einer kompetenten Beratung, effizienten Schnittstellen und einem breiten, ganzheitlichen Lösungsspektrum aus einer Hand.

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