Restrukturierungsverfahren als Chance für Unternehmen?
Ein erstes Fazit aus der Praxis
Von Dr. Iur. Andreas Spahlinger, Stuttgart | Dr. iur. Matthias Tresselt, StuttgartFoto: Adobe Stock/ Olivier Le Moal
Möglichkeit zur Sanierung durch neues Unternehmens- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG)
Dabei werden viele Transformationen Unternehmensrestrukturierungen (finanzielle) Beiträge der „Stakeholder“, insbesondere der Gesellschafter und der Finanzierer oder auch anderer Gläubiger erfordern. Für erfolgversprechende Transformations- oder Restrukturierungsvorhaben wird im Ausgangspunkt die Unterstützung und Zustimmung all dieser Stakeholder benötigt. Diese Unterstützung ist jedoch in vielen Fällen kaum zu erreichen. Einzelne Stakeholder, die sich nicht in erforderlicher Weise beteiligen, können das Vorhaben zum Scheitern bringen und dann ggf. sogar eine Insolvenz des Unternehmens auslösen. Dies gilt selbst dann, wenn ein erfolgversprechendes und ausgewogenes Sanierungskonzept vorliegt, die Liquidität gesichert ist und die überwiegende Zahl der Beteiligten „hinter dem Konzept steht“. Die erforderliche Transformation und Restrukturierung ist dann häufig nur noch in einem Insolvenzverfahren möglich, mit allen damit verbundenen Nachteilen. Für dieses Problem der „Akkordstörer“ wurde Abhilfe geschaffen: Finanzielle Restrukturierungen sind in Deutschland nicht mehr nur in einem Insolvenzverfahren möglich, sondern auch in einem Restrukturierungsverfahren auf der Grundlage des Unternehmensstabilisierungs und restrukturierungsgesetzes (StaRUG), das seit Anfang 2021 in Kraft ist. Das StaRUG bietet Unternehmen, die noch nicht insolvenzreif sind, aber eine drohende Zahlungsunfähigkeit abwenden wollen, ein flexibles und effektives Verfahren, um sich finanziell zu restrukturieren. Eine solche finanzielle Restrukturierung ist häufig ein wesentlicher Baustein für eine umfassende Restrukturierung und Transformation, mit der sich auch die Gefahr einer Insolvenz abwenden lässt.
Ein Restrukturierungsverfahren kann flexibel ausgestaltet und in Verhandlungen eingesetzt werden und bietet Vorteile gegenüber einem Insolvenzverfahren.
Das Herzstück des Restrukturierungsverfahrens ist ein Restrukturierungsplan, der die Rechte der betroffenen Gläubiger und Anteilseigner rechtsverbindlich gestalten kann. Der Plan muss grundsätzlich von jeder Gruppe der in den Plan einbezogenen sogenannten Planbetroffenen mit einer Mehrheit von 75% in jeder Gruppe angenommen und vom Gericht bestätigt werden. Möglich ist es auch, dass eine Gruppe von Planbetroffenen, in der diese Mehrheit nicht erreicht wurde, überstimmt wird. Der Plan kann verschiedene Maßnahmen vorsehen, wie z.B. Forderungskürzungen, Stundungen, Aussetzung von Tilgungs und Zinszahlungen, die Verlängerung der Laufzeit von Krediten, die Änderung von Sicherheiten, Debt-to-Equity-Swaps oder andere Kapitalmaßnahmen.
Das Restrukturierungsverfahren bietet dem Unternehmen viele Vorteile gegenüber einem Insolvenzverfahren. Das Unternehmen kann die Planbetroffenen auswählen und muss nicht alle Gläubiger einbeziehen. Das Unternehmen kann das Verfahren weitgehend selbst gestalten und steuern, ohne dass ein Insolvenzverwalter eingesetzt wird, der die Kontrolle übernimmt. Das Verfahren kann vertraulich durchgeführt werden. In der Regel lässt sich das Restrukturierungsverfahren schnell und kostengünstig durchführen.
Die Vorbereitung eines Restrukturierungsverfahrens kann auch als Verhandlungsinstrument genutzt werden. Die Möglichkeit, einzelne Gläubiger in einem Restrukturierungsverfahren überstimmen zu können, kann das Unternehmen in eine bessere Position für eine einvernehmliche Lösung bringen. Die einvernehmliche Lösung kann als Plan A angestrebt werden, während das Restrukturierungsverfahren als Plan B umgesetzt werden kann, falls der Plan A scheitert. So gelingt es, die benötigten Stakeholder in vielen Fällen dazu zu bewegen, dem Plan A zuzustimmen und das Transformations- oder Sanierungskonzept mit ihren Beiträgen zu unterstützen.
Erste praktische Erfahrungen zeigen, dass finanzielle Restrukturierungen mit dem StaRUG ermöglicht werden, auch in Kombination mit operativen Sanierungen.
Die Praxiserfahrungen mit dem Restrukturierungsverfahren, insbesondere aus den letzten Monaten sind positiv. Zwei große börsennotierte Unternehmen, LEONI und Gerry Weber, haben das StaRUG erfolgreich genutzt, um ihre Kapitalstruktur anzupassen und ihre Existenz zu sichern. Wesentlich für den Erfolg war die gute Vorbereitung und enge Einbindung der wesentlichen Stakeholder.
Das Restrukturierungsverfahren kann mit anderen Sanierungsinstrumenten kombiniert werden, z.B. wenn auch eine operative Restrukturierung erforderlich ist. Ein Beispiel dafür ist der Fall Gerry Weber. Dabei wurde das Restrukturierungsverfahren in der Muttergesellschaft mit einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung für eine Tochtergesellschaft kombiniert. So konnte das Unternehmen sowohl finanziell als auch operativ neu aufgestellt werden.
Gute Vorbereitung ist der „Schlüssel“ für ein erfolgreiches Restrukturierungsverfahren
Das Restrukturierungsverfahren ist jedoch kein Selbstläufer. Es erfordert eine sorgfältige Planung und Umsetzung, die rechtliche Expertise und Erfahrung voraussetzt. Die Geschäftsleiter müssen während des gesamten Prozesses ihre Pflichten beachten, insbesondere die Liquiditätssituation (Zahlungsfähigkeit) und die positive Fortführungsprognose für das Unternehmen ständig überwachen. Sie müssen auch prüfen, ob sie interne Genehmigungen anderer Gesellschaftsorgane für die Einleitung oder Durchführung des Verfahrens benötigen.
Im Ergebnis ist das Restrukturierungsverfahren in vielen Fällen eine Chance für Unternehmen, die sich in einer finanziellen Krise befinden. Es bietet ihnen flexible und effektive Möglichkeiten, ihre finanzielle Situation zu verbessern und damit das Unternehmen in die Lage zu versetzen, die Geschäftstätigkeit erfolgreich fortzuführen. Es erfordert jedoch auch eine professionelle Begleitung und intensive rechtliche Beratung.
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