Orthopädische Rehabilitation nach endoprothetischem Ersatz von Hüfte und Knie
Von Dr. med. Helmut Tostmann, Bad Harzburg
Die Beeinträchtigungen der Aktivitäten nach operativem Kunstgelenkersatz der großen Gelenke betreffen ganz besonders die Mobilität. Verstärkend wirken die weiter zunehmende Lebenserwartung (demografischer Faktor), oft eine Vielzahl von Begleiterkrankungen, z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Zuckerkrankheit (Multimorbidität), Kontextfaktoren (Nikotin, Alkohol, Übergewicht) und die heute allgemein übliche zeitige Entlassung aus dem Akutkrankenhaus.
So weisen viele Patienten zu Beginn der Rehabilitation noch erhebliche Defizite in ihren Aktivitäten auf, die im Rahmen einer stationären oder ambulanten Rehabilitationsleistung behoben werden müssen. In dem durch sozialgesetzliche Regelungen vorgesehenen Zeitraum von zumeist 18 – 21 Tagen muss viel geschehen, um eine große Wirksamkeit und auch Nachhaltigkeit zu erreichen.
Nach der Übernahme aus der operierenden Klinik formulieren Patient und Arzt partnerschaftlich gemeinsam die Reha-Ziele:
- Reduktion oder Ausschaltung der bestehenden Ruhe-, Belastungs- und/oder Bewegungsschmerzen
- Wiederherstellung oder Verbesserung der Funktion des betroffenen Hüft- und/oder Kniegelenkes
- Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Gesamtmobilität
- Wiederherstellung bzw. der Erhalt der Eigenständigkeit bezüglich der ADL (activities of daily living = Aktivitäten des täglichen Lebens) und damit Vermeidung von Pflegebedürftigkeit („Reha vor Pflege“)
- Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit in Alltag und Beruf (Lebensqualität).
Rehabilitation ist immer therapiebestimmt. Die eventuell erforderliche Diagnostik in der Rehaklinik ist auf ein Mindestmaß reduziert, wie Röntgen, Ultraschall und Laboruntersuchungen.
Die Umsetzung eines individuellen und indikationsentsprechenden Therapieplanes für jeden Patienten ist ein Kernelement, dem besondere Bedeutung zukommt. Hierbei arbeiten alle Berufsgruppen als sogenanntes „Rehateam“ (Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten, Psychologe, Sozialarbeiterin etc.) ohne hierarchische Strukturen eng zusammen.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es in der orthopädischen Rehabilitation?
- Medikamentöse Maßnahmen
hierzu zählen – unabhängig von der vorbestehenden Medikation – vor allem die Thrombosevorbeugung und die Schmerztherapie. - Physikalische Therapie
beinhaltet Maßnahmen, die durch physikalische Einwirkungen die Funktion des Körpers gezielt beeinflussen – wie Elektrotherapie, Ultraschall, Thermotherapie, Massagen und Lymphdränage. - Bewegungstherapeutische Maßnahmen
dazu gehören u. a. Mobilisierung auf der Motorschiene (CPM), krankengymnastische Übungsbehandlung als Einzel- und Gruppenbehandlung, gerätegestützte Krankengymnastik oder Medizinische Trainingstherapie (MTT) und Gangschulung. - Balneotherapie
Bewegungsbäder, einzeln oder in der Gruppe. - Ergotherapie und Hilfsmittelversorgung
ADL-Training (Ankleiden, Körperhygiene, Nahrungsaufnahme), eventuell spezielles Funktionstraining mit wiederkehrenden Übungen einzelner Bewegungsabläufe, Versorgung mit Hilfsmitteln wie Gehhilfen, Greifzange, Strumpfanziehhilfe, Toilettensitzerhöhung etc. - Neuraltherapie
z. B. Anwendung gezielter Infiltrationstechniken mit Medikamenten wie örtlichen Betäubungsmitteln. - Ernährungsberatung
bei Begleiterkrankungen oder zur Normalisierung des Körpergewichtes. - Psychologische Mitbetreuung
psychologische Einzelgespräche, progressive Muskelentspannung nach Jacobsen (PMR), Schmerzverarbeitungsprogramme oder Seminare. - Rehabilitationsberatung (Sozialdienst)
sehr wichtig vor allem bei älteren, hilfebedürftigen Patienten zur Klärung der sozialen Situation und späteren häuslichen Versorgung, zu Fragen der Schwerbehinderung, Kontaktaufnahme zu Selbsthilfegruppen etc.
Die Rehabilitationsmedizin hat in den letzten 20 Jahren eine rasante Entwicklung erlebt. Körperliche Einschränkungen nach operativem Gelenkersatz können durch die oben genannten Therapiemaßnahmen oftmals beseitigt oder auf ein Mindestmaß reduziert werden, sodass der betroffene Patient ein großes Maß an Lebensqualität wiedererlangt.
Foto: Panthermedia/Wolfgang Cibura