Artikel erschienen am 01.05.2012
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Vermeidung von Zahn- und Zahnfleischerkrankung

Von Dr. med. dent. Angela Fischer, Braunschweig

Gesunde Zähne ein Leben lang – geht das? – Ja!

  • Zahnverlust ist (außer durch Unfall) kein Schicksal, sondern eine Infektionskrankheit und
  • mangelnde Aufklärung.

Wieso? Werden Sie denken, das mit dem Zähneputzen weiß doch jedes Kind – und das tue ich doch – nichts Neues! Aber was steckt dahinter? Wieso, weshalb, warum?

Was also geschieht in unserer Mundhöhle?

  • Wir alle haben viele verschiedene Bakterien in der Mundhöhle, besonders in Nischen und auf der Zunge fühlen sie sich sauwohl.
  • Die Bakterien haben die Eigenschaft, klebrige Substanzen zu bilden! Nur dadurch können sie an den harten und weichen Oberflächen im Munde haften.
  • Ohne diese Matrix würden sie durch die selbstreinigende Spülwirkung des Speichels weggespült.
  • Dieser bakterielle Biofilm, auch Plaque genannt, bietet den Bakterien Schutz und einen idealen Lebensraum.
  • Das allein macht uns aber noch nicht krank – also Plaque und Bakterien allein – tun uns nichts!
  • Es fehlen zwei Faktoren: das Substrat, also unsere Nahrung, und der Zeitfaktor.

Und jetzt wird es spannend:

  • Die Bakterien beginnen mit ihrer Arbeit.
  • Sie produzieren Säuren.
  • Schon 10 Minuten nach der Nahrungsaufnahme sinkt der pH-Wert in der Plaque von normal 7,0 auf den kritischen Wert 5,7.
  • Je nachdem, was wir essen, wird unterschiedlich schnell oder viel Säure produziert.
  • Säuren entkalken den Zahn.
  • Das heißt: Kalcium und Phosphat werden ausgewaschen.
  • Die Karies beginnt!
  • Das geht umso schneller, je unreifer der Zahnschmelz ist, ganz schlimm bei Milchzähnen.

Das ist besonders wichtig zu wissen:

  • Die Bakterien der Plaque werden umso virulenter, das heißt gefährlicher, je älter die Plaque ist!
  • Bakterien in einem zwei Tage alten Biofilm haben sich derartig geschützt, dass sie sogar resistent gegenüber Antibiotika oder antimikrobiellen Substanzen wie Spüllösungen werden!
  • Nur noch mit Kraft, also mechanisch können wir ihnen zu Leibe rücken.

Und wenn wir das nicht gründlich genug schaffen? Was passiert dann?

Dann wird es noch gefährlicher:

  • Als Nebenprodukt der bakteriellen Stoffwechselaktivität entstehen Toxine und sogenannte Lipolysaccharide.
  • Diese führen zu einer Entzündung des Zahnfleisches als Abwehrreaktion des Organismus.
  • Die individuelle Antwort des Wirts, also das Ausmaß der Entzündung, variiert von Mensch zu Mensch.
  • Das heißt: Ob ich eine Zahnfleischerkrankung bekomme und in welchem Schweregrad, hängt nicht nur allein von meiner Mundpflege ab, sondern auch von meiner genetisch festgelegten Immunstärke sowie von den im Laufe des Lebens erworbenen Risikofaktoren (Rauchen, Stress, Diabetes, Immunsupressiva und systemische Erkrankungen …).

Es ist wichtig zu wissen, dass jeder Mensch ein individuelles Karies- und Parodontalrisiko hat.

Wovon hängt es nun aber ab, ob ich Karies oder eine Zahnfleischentzündung bekomme?

  • Vom Keimspektrum und der Keimvirulenz,
  • von den Ernährungsgewohnheiten,
  • von der Effizienz der Mundhygiene,
  • vom Säurebildungsvermögen der Bakterien,
  • vom Reifegrad des Zahnschmelzes,
  • von individuellen Plaqueretentionsmöglichkeiten, wie Nischen, Fissuren, Zahnstellung, Füllungsrändern,
  • von der schützenden Kalciumfluoridschicht, die wir mit dem Zähneputzen auftragen,
  • von der Speichelmenge und seiner Pufferkapazität,
  • in der Parodontologie zusätzlich von der individuellen geweblichen Immunabwehr des Wirtes.

Ja, gut! Wer erkennt denn nun mein persönliches Risiko und stimmt den Recall und die notwendige Unterstützung darauf ab?

Das muss Ihr Zahnarzt und sein Team machen. Ziel Ihrer Bemühungen und der Ihres Zahnarztes ist es,

  • die Anzahl und Virulenz der bösen Bakterien zu senken,
  • die Dauer und Häufigkeit der Säureangriffe zu senken,
  • die regelmäßige mechanische Biofilmbeseitigung aus Zonen, die für Sie selbst nicht erreichbar sind.

Und was kann ich selbst tun, um mich zu schützen?

  • Fragen Sie nach einer Mundhygieneberatung, die auf spezielle Hilfsmittel eingeht wie: welche Bürste und Handhabung, geeignete Zahncreme, Seidenhandhabung oder Zahnzwischenraumbürsten, und eventuelle Zusatzpräparate.
  • Nehmen Sie Fluorgel einmal pro Woche oder lutschen Sie Fluortabletten.
  • Gönnen Sie sich eine Zahnkur: ca. drei Monate jeden Abend nach dem Zähneputzen und Seidengebrauch die Zähne mit speziellen Kalcium- und Phosphatspeichercremes, die die Remineralisation bereits angegriffener Zähne fördern, behandeln.
  • Fördern Sie durch Kaugummikauen die Speichelmenge und die Selbstreinigung.
  • Es gibt spezielle Karies-Kaugummis mit einem Xylitolgehalt von 1 mg = Erwachsene sollten 5–7 mg/Tag kauen, Kinder 1–2 mg/Tag, um eine antikariöse Wirkung zu erzielen.
  • Xylitol hungert durch Enzymhemmung die Bakterien aus. Sie können Glukose nicht mehr zu der für sie lebenswichtigen Fruktose umbauen.
  • Gönnen Sie sich regelmäßig eine PZR je nach Risiko.
  • Reduzieren Sie Zwischenmahlzeiten.
  • Achten Sie auf versteckte Zucker in Getränken.
  • Reinigen Sie Ihre Zunge mit Teelöffel oder Schaber.
  • Reinigen Sie Ihren ZE zweimal täglich mit Bürste und Kernseife oder milder Zahncreme und desinfizieren Sie ihn einmal pro Woche 10 bis 15 Minuten in CHX-Lösung.

Und was kann mein Zahnarzt und sein Team tun?

Sie können:

  • Sorge tragen, dass ich alles richtig mache und mir mein individuelles Recall, abhängig vom Risiko, nennen,
  • zur Keimreduktion kurzfristig Medikamententrägerschienen eingliedern – falls nötig,
  • Speicheltests durchführen auf Bakterienart und -anzahl,
  • Kariesrisikotests durch Bestimmung der Säurebildungsaktivität oder eine Antikarieskur mit CHX-Lacken und Fluorlacken machen,
  • ein Nischenmanagement durchführen lassen = PZR,
  • ein Parodontalscreening durchführen, um entzündungsaktive Stellen frühzeitig zu erkennen,
  • mir bestimmte Spüllösungen empfehlen, die meine Bemühungen unterstützen und meine Mundschleimhaut widerstandsfähiger machen und
  • dafür Sorge tragen, dass mein Zahnersatz regelmäßig gereinigt und gegebenenfalls überpoliert wird.

Und jetzt noch zur Frage: Welche Alarmzeichen muss ich ernst nehmen?

Das sind:

  • Mundgeruch und schlechter Geschmack trotz regelmäßiger Pflege,
  • Rötung oder Schwellung am Zahnfleisch, Gaumen, Wange,
  • Blutung des Zahnfleisches trotz regelmäßiger Pflege,
  • Blutung des Zahnfleisches trotz richtiger Seidenanwendung,
  • plötzliche Temperaturempfindlichkeiten auf heiß/kalt,
  • Schmerzen beim Kauen,
  • Zahnfleischrückgang, die Zähne werden länger oder locker oder verschieben sich.

Fazit

Karies und Zahnfleischerkrankungen haben eine gemeinsame Ursache, die Bakterien und eine gemeinsame Behandlungsstrategie, nämlich: Keimreduktion, Risikominimierung, individuelle Risiken kennen und danach handeln.

Foto: Panthermedia/Brian Chase

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