Artikel erschienen am 10.05.2013
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Der seltene Fall – Kinderkrebs beim Erwachsenen

Ein Erfahrungsbericht

Von Prof. Dr. med. Gernot H. G. Sinnecker, Wolfsburg | Dr. med. Sally Mukodzi, Wolfsburg

Im Sommer 2011 hatte ich Rückenschmerzen vor allem in der rechten Flanke. Mein Urin wurde getestet, doch die Nieren zeigten keine Auffälligkeiten.

Ende Oktober kamen die Schmerzen wieder: teilweise am unteren Schulter- und im linken Nierenbereich, an der Wirbelsäule bis in die Beine. Mein Urologe untersuchte erneut die Nieren und ließ ein MRT vom Abdomen machen. Ich sollte mich am nächsten Tag bei ihm nach den Ergebnissen erkundigen. In der folgenden Nacht waren die Schmerzen so stark, dass ich das Krankenhaus mit den MRT-Bildern aufsuchte. Dort teilte mir der Urologe mit, dass ein großer Tumor an der rechten Niere festgestellt wurde. Am selben Tag wurden die rechte Niere und viele Lymphknoten in der Umgebung entfernt.

Die histologische Diagnose lautete Nephroblastom (Wilmstumor). Das ist ein kindlicher Nierentumor. Im CT-Thorax zeigten sich Metastasen in der Lunge. Nach ausführlichem Gespräch mit Dr. Armin Leitenberger (Chefarzt Urologie) und Dr. Sally Mukodzi (Ärztlicher Leiter Kinderonkologie) stellte sich heraus, dass dieser Tumor normalerweise nur bei Kindern vorkommt und bei Erwachsenen extrem selten ist. Deshalb entschieden wir uns für eine Chemotherapie entsprechend den Richtlinien der Kinder-Nephroblastomstudie, die in der pädiatrischen Hämatologie/Onkologie der Kinderklinik in Wolfsburg durchgeführt wird. Nach Portimplantation wurde die Chemotherapie nach dem AVA-Schema SIOP 2010, modifiziert für Erwachsene, begonnen.

Vier Monate später wurden der Bauchbereich und die Lunge bestrahlt, anschließend Fortführung der Chemotherapie. Am 10.08.2012 wurden die restlichen Lungenmetastasen in der Kinderchirurgie der Uniklinik Tübingen operativ entfernt. Die Histologie ergab keinen Hinweis auf aktives Zellgewebe. Die Chemotherapie wird seitdem nach dem SIOP-Protokoll in der Kinderklinik Wolfsburg weitergeführt.

Das Zentrum für Krebsbehandlung von Kindern und Jugendlichen im Klinikum Wolfsburg ist eines von insgesamt 57 derartigen Zentren in Deutschland. Ihre Hauptaufgabe ist die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit bösartigen Erkrankungen des Blutes und Tumoren des Hirns, der Knochen und Weichteile oder anderer innerer Organe. Die Therapie wird im Rahmen von Therapieoptimierungsstudien der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) durchgeführt. Für diese Behandlungen steht ein speziell ausgebildetes Team von Kinderonkologen, Onkologieschwestern und Psychologen zur Verfügung. Dieses Team ist innerhalb des Klinikums mit anderen Fachabteilungen und außerhalb mit speziellen kinderonkologischen Einrichtungen (z. B. der GPOH-Studienleitung) eng vernetzt. Diese ausgeprägte interdisziplinäre Zusammenarbeit ist eine wichtige Voraussetzung für die Behandlung unserer Patienten. Dabei gilt unsere Sorge nicht nur den betroffenen Patienten selbst, sondern auch den Eltern und Geschwisterkindern, die in höchstem Maße durch diese Erkrankungen mitbetroffen sind.

Die schwere Zeit wird den Familien auch durch die Unterstützung des „HEIDI-Fördervereins für krebskranke Kinder e. V.“ sowie durch den Aufenthalt, wann immer es geht, in unserer Villa bunterkund, erleichtert.

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